Schweden 2019 Tag 1 Kiel - Møns Klint, DK Tag 2 Insel Møn Tag 3 Møn - Sjöbo, SE Tag 4 Sjöbo - Hätteboda Tag 5 Hätteboda Vildmarkscamp Tag 6 Urshult - Camp Fjället Tag 7 Tidaholm - Mellerud Tag 8 Håverud - Arvika Tag 9 Zwischen Vänern und Vättern Tag 10 TET - Askersund Tag 11 Tiveden und Göta-Kanal Tag 12 Vänern - Ulricehamn Tag 13 Ulricehamn - Göteborg Tag 14 STENA - Heimkehr und Fazit
Auf der Vogelfluglinie
"Nun sitz doch endlich mal still!" Pieps macht mich noch wahnsinnig, dabei bin ich genauso aufgeregt. Ein Küsschen für Claudia zum Abschied und die Reise beginnt. Auf der Vogelfluglinie nach Skandinavien hüpfen wir von Insel zu Insel über Fehmarn, Lolland, Falster und Bogø nach Møn.
Als ich unten am Hafen in die Kaistraße einbiege, ragt am Bollhörnkai der Bug der Schwedenfähre ins Bild. Um 18:45 Uhr legt die Stena Scandinavica aus Kiel ab und fährt über Nacht zurück nach Göteborg. In zwei Wochen werden Pieps und ich hier wieder von Bord rollen.
Es ist die letzte Woche im August und wenn Wetter-Online nicht gelogen hat, erwarten uns mindestens vier Tage Premiumwetter. Keine Wolke weit und breit, kein Tag unter 28 °C.
Die Honda schnurrt wie ein Uhrwerk. Nach der Rückkehr aus Frankreich vor ein paar Wochen, hab ich neue Reifen aufziehen lassen. Heidenau K60, meine Lieblings-Allround-Enduroreifen. Für Schotterpisten sind sie prima und auf der Straße erinnert nichts an einen Stollenreifen.
Als ich auf der Sundbrücke hinüber nach Fehmarn rolle, höre ich das leise Surren der Antriebskette. Ich habe sie hübsch sauber gemacht und dünn mit Getriebeöl eingepinselt. Sie schimmert wie ein Armband.
In Puttgarden endet die Straße vor dem Ticketschalter von Scandlines. Wir wollen mit der Fähre nach Rødbyhavn übersetzen. Die Verbindung ist ein Klassiker der Vogelfluglinie. Ich reihe mich hinter einem Nissan Note ein. Nummernschild TE. Nie gehört. Wo der wohl her ist?
Als der Nissan durch ist, paddel ich die Honda mit den Fußspitzen nach vorne ans Fenster. Schon vor Wochen habe ich online ein Kombiticket für die Fähre nach Dänemark und die Brücke nach Schweden gebucht.
"Hallo. Ich hab eine Buchung, aber die ist erst für in eine Stunde." "Sie können schon früher mit." "Oh, danke. Das ist gut. Brauchen Sie noch ein Ausweis oder so?" "Nein. Das ist Ihr Ticket für die Öreseundbrücke. Spur Nummer 1, bitte." "Danke. Tschüss."
"Tschüss, freundliche junge Ticketfrau im Schalter von Scandlines", denke ich gut gelaunt und starte den Motor. Spur 1 ist nur für Motorräder. Ich bin die Erste. Gerade nehme ich den Helm ab, da kommt eine Yamaha XJ900 angerollt. Wir grüßen uns und ich muss nicht aufs Kennzeichen schauen, um zu wissen, dass der aus Berlin kommt.
Auf keinem Schiff sind Motorräder so einfach festzumachen wie auf den Fähren von Scandlines. Alle paar Meter hängt ein passener Riemen an der Bordwand. Man muss ihn bloß noch auf der anderen Seite einhaken und festziehen. Ist ganz einfach.
Die Fährverbindung Puttgarden - Rødby funktioniert seit Ewigkeiten wie eine gut geölte Maschine. Preisgünstig, schnell, kaum Wartezeiten. Ich versteh nicht, weshalb sie nun unbedingt diesen Tunnel bauen müssen. Ich finde Fähren schöner und außerdem gibt es die schon.
Als ich 1984 zum ersten Mal auf der Vogelfluglinie nach Schweden gefahren bin, stand meine Suzuki DR500 daußen an Deck und ich musste sie mit einem Seil an der Reling anbinden.
Ansonsten war damals alles genau wie heute: Einzylinder, rote Gepäckrolle, Tankrucksack. Nur Pieps war damals noch nicht auf der Welt.
Sowie die Honda verzurrt ist, mache ich mich auf in die Cafeteria. An Bord muss man schnell sein. Manche Touristen sind nämlich total rücksichtslos und sprinten aus ihrer Karre sofort an die Fleischtöpfe. Ich kann sowas nicht leiden, denke ich empört, während ich auf dem letzten Meter vorm Tresen noch elegant eine Familie mit zwei Kindern überhole: "Ups, 'tschuldigung".
"Zwei Bratwurst, eine Pappe, doppelt Senf, kein Brot." Meine Standardbestellung an jedem Würstchengrill. Ich schiebe das bunte Plastiktablett zur Kasse, zahle 47,90 Kronen und verziehe mich mit unserer Beute nach draußen an Deck.
Die Würste haben zu lang auf dem Feuer gelegen, aber wenn man sie in genügend Senf ertränkt, merkt man davon fast nichts mehr.
Scandlines setzt Hybridfähren ein, die als besonders umweltverträglich gelten, und eine Stimme aus dem Lautsprecher wird nicht müde, genau das immer wieder lautstark zu verkünden.
Nach einer halben Stunde wird es Zeit, das Motorrad startklar zu machen. Die Bugklappe öffnet sich und ich drängele mich in die Autoschlange hinein und rolle von Bord. An der Grenzkontrolle werden wir einfach durchgewunken und gleich danach beginnt die E47 nach Kopenhagen.
Heute fahren wir ausnahmsweise ein Stück Autobahn, aber bei der ruhigen Fahrweise der Dänen und dem nicht vorhandenen Reiseverkehr, stört das nicht die Bohne. Ich halte die Honda knapp unter 100 km/h und cruise lässig auf der rechten Spur dahin.
Nach 28 km setze ich den Blinker und fahre an der Ausfahrt Nykøbing raus. Claudia hat mir den Tipp für die Fähre von Stubbekøbing auf die Insel Bogø gegeben. Von dort führt ein Damm hinüber nach Møn.
Die Fähre spart eine halbe Stunde Autobahn und ist außerdem eine der letzten historischen Autofähren aus Holz. Die Fahrt ist sicher interessant. Die Linie wird nur im Sommer bedient und ist dann Teil der Margeritenroute, der großen dänischen Ferienstraße.
In Stubbekøbing tuckere ich die Straße hinunter zum Hafen und stelle die Honda auf dem Kai ab.
Nur ein Rudel Radfahrer wartet geduldig auf die Fähre, während in Marinaens Køkken Leute anstehen und auf Pommes warten. Und ich hatte schon Sorge, der Anleger wäre überfüllt.
Die Szene am Hafen wirkt so dänisch, wie aus einem Werbefilm der 50er Jahre. Wegen genau dieser Stimmung liebe ich Dänemark.
Inzwischen hat die IDA angelegt, eines der letzten Holzschiffe, die noch im Linienverkehr fahren. Eine Handvoll Roller und Fahrräder fahren von Bord und dann ein riesiger Traktor mit Anhänger. Erstaunlich, dass die kleine Nussschale den trägt.
Zuerst dürfen Fußgänger und Radfahrer an Bord, dann Pieps und ich. Zwei Frauen schieben ihre Fahrräder aufs Schiff und eine zeigt auf das braune Schild mit der weißen Blume, das Symbol der Margeritenroute.
Als wir ablegen, sind außer uns ein halbes Dutzend Fahrräder an Bord, zwei Autos, ein Strandbuggy und eine Handvoll Fußgänger. Stubbekøbing bleibt zurück und der Decksmann in dem blütenweißem Uniformhemd hakt das Fangnetz ein, damit Kinder, Hunde und Mäuse nicht ins Wasser fallen.
Das Museumsschiff glänzt wie aus dem Ei gepellt. Jedes Stück Eisen satt unter Farbe und das Mahagoniholz schimmert rotbraun in der Sonne. Mit einem behäbigem guffel, guffel schiebt der alte Diesel die IDA über den Sund zur Insel Bogø. Hopsa steht am Bug zwischen den Fahrrädern und kommt sich sehr erwachsen vor.
Nach 20 Minuten legen wir auf Bogø an. Die Insel ist winzig, kaum mehr als eine Wiese im Meer, und doch wohnen hier tausend Menschen. Wir aber sind nur hier, um auf dem Damm rüber nach Møn zu fahren.
Ein paar Kilometer weiter sind wir schon in Stege, dem Hauptort von Møn. Am Hafen gibt es einen ALDI-Markt, der uns nicht interessiert, und einen SuperBrugsen, der uns sogar sehr interessiert. Die Fleischabteilung dort ist legendär gut.
Ich kaufe zwei besonders fette Entrecôtes, einen Topf Schweineschmalz, eine Schale Oliven und zwei Dosen Tuborg Bier. Zufrieden starte ich den Motor und fahre durch Stege weiter in Richtung Campingplatz Møns Klint.
Møns Klint Resort og Camping, ein sperriger Name für einen erstklassigen Campingplatz. Die Rezeption mit Hofladen und Bäckerei wohnt in einem Fachwerkhaus mit Strohdach und Dachreitern. Unter einem Apfelbaum stehen Fahrräder und Stühle, und es gibt sogar einen Platz, um Pferde zu parken und zu versorgen.
Welch ein besonderer Platz das ist. Ich bin sofort hingerissen und bevor ich Pieps noch nach ihrer Meinung fragen kann, ist sie schon auf dem Spielplatz am Kräutergarten verschwunden. Oh je, denke ich, der Junge mit den Sommersprossen soll bloß aufhören, sie so anzustarren. Das geht nicht lange gut und ich habe keine Lust auf hitzige Diskussionen später mit irgendwelchen Baumstreichler Eltern.
Dieser Moment ist grandios, wenn man zum ersten Mal auf einer Reise sein Zelt hinstellt und den Schlafsack aus dem Beutel rupft. Dänemark im Sommer. Der grüne Rasen. Das kalte Bier. Zwei Steaks im Tankrucksack und noch zwei Wochen Urlaub vor uns. Ich bin glücklich.
Als ich den Kocher anzünde und das Entrecôte ins heiße Fett lege, kommt Pieps angewetzt, völlig verschwitzt, ein bisschen dreckig, aber glücklich. Das Zischen von Steaks in Olivenöl hört die Maus auf eine Meile. Wie sich herausstellt, hat sie mit Ole, dem Jungen vom Spielplatz, dicke Freundschaft geschlossen. Niemand wurde gebissen, keine empörten Eltern. Ich bin erleichtert.
Unser Zelt steht auf der Rückseite vom Freibad. Ein prima Stellplatz, aber laut wie die Hölle. Das Kreischen der Kinder im Becken schallt über die gesamte Wiese, aber irgendwie gehört es zum Sommer dazu und stört mich nicht die Bohne.
Wir müssen noch Brötchen ordern für morgen früh. Mit dem Geld in der Hand wandere ich hinauf zu dem kleinen Laden unterm Strohdach. Am Tresen liegt eine Tafel mit Fotos der Brötchen aus. Ich bestelle zwei Mohnbrötchen Nr.8 und für Pieps eine Nr.3 mit Sesam. Man bekommt einen Zettel wie in der Reinigung und kann damit morgen früh seine Brötchen abholen.
Das Schwimmbad ist geschlossen und auf dem Platz ist Ruhe eingekehrt. Es wird Zeit fürs Bett. Pieps und ich ziehen unsere Snoopy-Nachthemden an und wandern mit dem Handtuch überm Arm zum Waschhaus.
Morgen legen wir einen Jokertag ein. Wir wollen die Insel besichtigen und ich möchte mir ansehen, wo Claudia als Kind die Ferien verbracht hat. Ob das alte Strandhaus von Fru Petersen wohl noch steht? Morgen finde ich es heraus. Gute Nacht, Welt
Und hier noch einmal die Zusammenfassung des Tages im Video.
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