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Platzhalter Kawasaki Z900 RS

Wir sind Enduro! Oder sind wir? Bisher habe ich nur Einzylinder-Enduros mit Stollenreifen gekauft, etwas anderes wollte ich nicht fahren. Trotzdem ist da eine unerfüllte Sehsucht, eine geheime Liebe: Die Kawasaki Z900, Traum meiner Jugend.



Der Titelsong zur Präsentation der neuen, alten Kawa spricht mich direkt an, je älter ich werde desto emotionaler:

          „we will be forever strong,
          dreams are back again,
          we're still the heroes...“


Die Z900 war das brutal schnellste Motorrad ihrer Zeit. Eine Legende. Die Zeitschrift MOTORRAD titelte im Februar 1976:

Frankensteins Tochter. Wissen Sie, was ein Horror-Trip ist? Halten Sie den Gasgriff so lange geöffnet, bis 9000/min erreicht sind und schalten dann blitzschnell einen Gang höher - Frankensteins Tochter schlägt Ihnen einen Knüppel ins Kreuz."

Seitdem wurde die Z900 voller Ehrfurcht Frankensteins Tochter genannt. Das ist 48 Jahren her und sie ist längst aus dem Kawa Modellprogramm verschwunden. Vor einigen Jahren aber hat Kawasaki das Motorrad mit heutiger Technik neu aufgelegt. Und wie gelungen dieser Relaunch ist. Wer das Original nicht genau kennt, bemerkt die Unterschiede nicht, zumal Kawasaki die alten original Lacke wieder angemischt hat.

Einmal im Leben muss ich sie fahren, die Legende. Über Kawa-Rent ist das kein Problem und so habe ich für zwei Tage eine Z900RS gebucht. Eine nagelneue direkt aus dem Showroom.

Pünktlich zur Ladenöffnung stehe ich am Tresen der örtlichen Kawasaki­vertretung und unterschreibe den Papierkram. Der Händler überreicht mir den Fahrzeugschlüssel und erklärt das Motorrad.

„Haben Sie noch Fragen?“
„Ja, könnten Sie den Taillight Killer aus der Wheely-Control rausnehmen? Ich will die Maschine erst besser kennenlernen.

Der Typ ist leider kein Endurofahrer, sonst würde er entweder schmunzeln oder Angst kriegen, aber wenigstens wüsste er, was ein Tail-Light-Killer ist: Der ultimative Wheely, einer, mit dem man das Rücklicht schrottet. Er sieht mich bloß verständnislos an.

Was will man anderes erwarten von einem Motor­rad­händler, der seine Kunden siezt. Ich finde das befremdlich.

Misstrauisch geworden ist er aber doch, denn mit ernster Miene klickt er die Traktions­kontrolle für mich auf Stufe 3, Fahrschule, erste Fahrstunde. Mir ist das recht, denn die einzige Straßenmaschine, die ich je gefahren bin, war mein Mofa Kreidler Flory 3-Gang und die hatte nicht so viel Riss, dass man sich ernsthaft Sorgen machen musste.

Ich drehe den Schlüssel, die Benzinpumpe singt, die Zeiger der beiden klassischen Uhren schnellen einmal bis zum Anschlag und zurück.
Ich drücke den Starter.

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Mit heiserem Grollen erwacht der Vierzylinder zum Leben. Der Sound ist atemberaubend. Kawasaki hat erstmals einen Sound-Designer beschäftigt, der genau diesen Klang komponieren sollte, dumpf, heiser, kräftig, aber nicht zu laut.

Die Sitzbank ist niedriger, breiter und bequemer, als ich es von Enduros gewohnt bin. Der Lenker angenehm hoch, ich sitze beinahe aufrecht. Die Sitzposition ist perfekt für mich, und zum ersten Mal auf einem Motorrad erreiche ich mit beiden Fußsohlen den Boden. Gleichzeitig. Das ist sehr ungewohnt.

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Ich lege den 1. Gang ein und fädele mich in den Kieler Stadtverkehr ein. Das Motorrad fährt sich handlich und einfach. Am Ortsende gebe ich Gas. Das brutale Drehmoment der Kawasaki ist erschreckend. Egal in welchem Gang ich am Ortsende beschleunige, es ist stets zuviel Kraft vorhanden. Selbst im sechsten Gang gibt es keinen Grund zum Herunterschalten.

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Wir verbringen zwei Tagen lang knapp 400 km auf den Landstraßen durch Schleswig-Holstein. Ich bin schockverliebt. Ein geileres Motorrad bin ich nie gefahren, der Sound, die Kraft, die Optik, ich bin hingerissen. Aber in mir wohnt auch eine Beamtenseele: Was macht man mit diesem Beschleu­nigungsmonster, dieser wunderbaren, süchtig machenden, reinen Fahr­maschine? Wo fährt man hin, wofür ist die gut?

Ich könnte dem Autozug ein für alle Mal tschüss sagen und in Zukunft per express nach Frankreich düsen.

Aber was würde aus Svendura, meiner Reiseseite, die ich seit 21 Jahren liebevoll pflege? Ende Gelände? Nein, das will ich nicht. Endurofahren ist fest in meiner DNA verlötet, selbst wenn ich überwiegend auch nur auf Asphalt unterwegs bin.

Also, was tun? Der Verleih ist so günstig, dass ich das Motorrad für einen Testurlaub zur Probe ausleihen könnte, aber daraus wird wohl nichts. Ins Ausland darf man nicht fahren. Schade.

Oder ich kaufe eine Nagelneue und verkaufe sie nach dem Urlaub wieder, falls Frankensteins Tochter doch nicht "Die Richtige" für meine Reisen ist.

Soll man sich einen Traum erfüllen, selbst wenn er total unvernünftig und beinahe schon sinnlos ist? Andererseits denke ich, wenns vernünftig wäre, hieße es Bausparvertrag.


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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.