Deutschland 2020
In diesem Jahr ist vieles anders. Wir sollen zuhause bleiben. Sagt zumindest Jens Spahn, der Gesundheitsminister. Nun ist Jensi eine Person meines Vertrauens, aber gleich ganz zuhause bleiben? Nein. Stattdessen nutzen wir die Gelegenheit für den Start einer völlig neuen Serie: „Svenja, Pieps und die Bundesländer“.
Bei der Planung bin ich auf bekannte Namen gestoßen, ohne überhaupt zu wissen, was sie bedeuten. Unter einer Mecklenburger Seenplatte kann ich mir etwas vorstellen, aber was zum Geier ist eine Schorfheide? Und wer ist dieser ominöse Uckermark?
Restlos überzeugt bin ich von unserem Vorhaben noch nicht, aber Pieps und ich sind bester Laune und dazu wild entschlossen, das Beste aus der Pandemie zu machen und etwas Neues zu probieren.
Ich habe keine Ahnung, ob es je eine zweite Staffel von „Svenja, Pieps und die Bundesländer“ geben wird, aber das weiß man bei Netflix schließlich auch nicht. Ich erinnere nur an „Der dunkle Kristall: Ära des Widerstands“. Da war auch nach einer Staffel schon wieder Schluss. Doch ein fulminanter Serienstart mit viel Tamtam ist in jedem Fall wichtig.
Der Cast der ersten Staffel wird als bekannt vorausgesetzt: Svenja, Pieps und Hopsa, die Africa Single. Den roten Faden liefert der Trans Euro Trail TET, eine legale Offroadstrecke, auf der wir vom Schweriner See bis nach Schwedt an der polnischen Grenze endurowandern wollen.
Es ist der letzte Sonntag im August, als wir in Kiel starten. Kurz vor Lübeck fahre ich auf die Autobahn, um die Innenstadt zu umgehen. Wir haben die Straße fast für uns allein. Die A20 ist ein Projekt der Wende und gehört zu den am wenigsten befahrenen Autobahnen Deutschlands.
An der Abfahrt Lüdersdorf fahre ich ab und bin kurze Zeit später auf einer Allee ohne Mittelstreifen, doch mit Aussicht auf Kurven unterwegs. Es ist der 30. August und der Herbst scheint noch in weiter Ferne.
Erst draußen am Tisch, als Pieps mich fragt, ob sie ihre endlich abnehmen könne, merke ich, dass ich oben ohne einkaufen war und keiner was gesagt hat. Glück gehabt. In Kiel wird man umgehend ermahnt.
In Bad-Kleinen erreichen wir den Schweriner See. Ich biege ab und fahre um die Seespitze herum nach Flessenow, ein Dorf direkt am Ufer des Schweriner Sees. Die Dorfstraße ist malerisch gepflastert. Der Becher außen an der Gepäckrolle klötert munter durchs Dorf.
Ich stelle die Enduro vor der Rezeption ab und gehe hinein. Das heißt, ich will, aber da ist bereits eine Warteschlange und ein Schild erklärt weshalb:
♥-lich willkommen
Abstand halten
Nur 2 Personen
im Laden
Ich setze die Maske auf und stelle mich brav hinten an, den Ausdruck der Buchungs E-Mail fest in der schwitzigen Hand.
Das Einchecken klappt reibungslos und außergewöhnlich herzlich. Pieps und ich sind sogar schon im Computer hinterlegt. Wir bekommen Parzelle Nr. 27. In diesem Jahr gibt es keine freie Wahl, man muss den Platz nehmen, der einem zugewiesen wird.
Bevor ich auch nur einen Hering in Mecklenburger Erde pieke, muss ich die Motorradklamotten loswerden, einen Fummel anziehen und ein Bier trinken. In der Reihenfolge.
Das Störtebeker schmeckt köstlich und ich lenze die Buddel in wenigen Zügen. Amüsant, welche Wirkung ein halber Liter kaltes Bier auf einen verschwitzten leeren Magen ohne Frühstück hat. *hicks*
Heute ist Sonntag und ich habe unser Essen von zuhause mitgebracht. Ein Päckchen Bratwürste und eine Miniflasche Rotwein. Ich stelle den Kocher in den Staub vorm Zelt und werfe die Pfanne an.
Ich lese noch ein bisschen, aber schon um kurz nach acht geht die Sonne unter und es wird dunkel. Ich kann nicht aufhören mich zu wundern, wie still es im Camp ist. Die Ruhe inmitten einer so großen Herde ist beinahe unheimlich, alles total peacig und entspannt. Und dazu diese Herzlichkeit in der Rezeption. Wo ist: „Wir sind das Volk! und Merkel muss weg!“?
Das hatte ich mir anders vorgestellt, aber genau deshalb bin ich ja hier: Ich habe Null Ahnung von den neuen Bundesländern und werde sämtliche Vorurteile auf den Prüfstand stellen. Ich will mir selbst ein Bild machen. Aber dazu muss ich fit sein, also: „Gute Nacht, liebe Welt.“
PS: Ich möchte euch die Serie Deutschland 83 empfehlen. Sie spielt in der DDR und ist super fesselnd. Es gibt drei Staffeln, Deutschland 83, 86 und 89. Sie ist spannend bis zur buchstäblich allerletzten Sekunde der letzten Staffel. Wer Spaß daran hat, könnte sie parallel zum Reisebericht anschauen. Ich mach das gerade...
zum nächsten Tag...
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