Inhaltsverzeichnis
Dalarna 2024
Tag 1 Kiel - Oslo
Tag 2 Oslo - Schweden
Tag 3 Värmland - Dalarna
Tag 4 Vansbro und ein Knytkalas
Tag 5 Nås - Näs Bruk
Tag 6 Avesta
Tag 7 Tällberg am Siljansee
Tag 8 Outback Dalarna
Tag 9 Fäbod Fryksås
Platzhalter Dalarna Miniskizze
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Schwedentour


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Schwedentour


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Die Reise beginnt

Pieps und ich sind auf dem Weg nach Schweden, alte Traditionen zu ehren, Endurowandern, zelten und dem Wetter trotzen. Unsere Ausrüstung ist top und die Honda CR250 Africa Single das ideale Motorrad für eine Reise ins schwedische Outback. Es geht nach Dalarna.

Schweden

Als ich auf die Kaistraße einbiege, liegt die Stena Germanica, das Schiff nach Göteborg bereits am Schwedenkai. Ohne sie zu beachten, fahre ich weiter zum Norwegenkai auf das Ostufer der Kieler Förde, wo täglich um 14 Uhr die Fähre nach Oslo ablegt. Absatzhalter „Nach Oslo? Ich denk', ihr wollt nach Schweden?“
„Stimmt. Nach Dalarna, wo die bunten Holzpferdchen wohnen.“
„Und wieso nehmt ihr dann nicht die Fähre nach Göteborg?“
„Weil Göteborg zu weit südlich liegt, wenn man nach Mittelschweden will. Von Oslo dagegen sind es bloß 80 km zur schwedischen Grenze und du bist schon nördlich der großen Seen, Vänern und Vättern.“
„Ah, ok.“

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Wir sind satte vier Stunden zu früh am Anleger, aber das macht nichts aus. Zu Hause würde ich bloß rumsitzen, während Pieps im Minutenabstand quengelt: „Nur, wann fahr'n wir enklich ma' los zu unsern Orlaub?“ Absatzhalter Dann lieber am Hafen stehen, Schiffe gucken und die Atmosphäre in sich aufsaugen. Da sind andere Touristen, alle mehr oder weniger aufgeregt vor der Seereise nach Oslo, dann die Hafenarbeiter in neongelben Sachen. Das sind natürlich nicht bloß irgendwelche gelben Klamotten, sondern Hi-Vis Protective Clothing nach ISO 20471. Sicherheit geht vor im Hafen.

Schweden

Jeder hat seine Aufgabe. Da sind zuerst die Einweiser, die dafür sorgen, dass jeder genau dort steht, wo er hingehört, dann der Gasprüfer, der an jedem einzelnen Wohnmobil persönlich den Gashahn zudreht, damit an Bord kein Unglück passieren kann. Absatzhalter Im Zollhäuschen der LKW-Abfertigung sitzt etwas erhöht der nette Vollbart, Auge in Auge mit den Truckern. Dann ist da Ali, der Mann mit dem Gabel­stapler, der für jeden einen frechen Spruch hat und dessen gute Laune ansteckend ist. Im Nu bin auch ich in ein Gespräch verwickelt. Die haben wirklich ein gutes Arbeitsklima hier im Port of Kiel.

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Um 9.30 Uhr öffnet der Check-in Schalter der Colorline. Die Dame mit den dunklen Haaren erkenne ich sofort wieder. Bei ihr habe ich auch zu meiner Nordic Gravel Tour eingecheckt. Sie erzählt mir, dass sie in Norwegen eine Hütte besitzt und bald selbst wieder mit Colorline nach Oslo fahren wird. Absatzhalter „Es sieht nach Regen aus. Fahren Sie man auf Spur 4 ganz nach vorne unters Dach beim Zoll. Sagen Sie einfach, ich hätte sie geschickt.“
Absatzhalter Ich tuckere auf der Honda an sämtlichen Warn- und Stoppschildern vorbei bis unter das Dach am Zollhäuschen. Eine Frau in Uniform kommt heran­gestiefelt und für einen Moment fürchte ich, sie will mich wieder wegjagen, aber stattdessen ist sie genauso herzlich wie ihre Kollegin. Ich soll das Motorrad am Zoll stehenlassen, damit ich bloß nicht nass werde. Entweder sind alle sehr lieb, oder sie wollen bloß keine nassen Biker an Bord.

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Ich schnappe mir Pieps und meinen Fotoapparat und wandere die Stufen vom Nowegenterminal hoch. Aus dem großen Panoramafenster hat man einen tollen Ausblick über den Hafen. Gerade kommt die Color Fantasy rückwärts angefahren. Absatzhalter Das Schiff hat im Hafenbecken vor ThyssenKrupp Marine Systems gedreht und manövriert nun rückwärts an den Kai heran. Eine Meisterleistung von Rück­wärts­einparken und eine andere Liga als mein Nachbar, der sich schwertut seinen Peugeot 207 unten im Hof abzustellen. Absatzhalter Neben mir am Panoramafenster steht eine Frau mit ihrem Sohn. Der Junge ist etwa zehn und genau so aufgeregt und voller Vorfreude wie Pieps und ich. Er macht mit seiner Mama eine Minikreuzfahrt nach Oslo. Die gibt es im Angebot mitunter für 99 Euro: Zwei schöne Seereisen, zwei Nächte an Bord und vier Stunden Aufenthalt in Oslo. Ein tolles Erlebnis.

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Am Westufer liegt ein Kreuzfahrer der Reederei AIDA, und gegenüber, am Ostufer der Einsatzgruppenversorger Berlin. Absatzhalter Inzwischen hat sich auch die Reinigungscrew in der Halle eingefunden. Mehrere Dutzend Frauen und Männer, dem Anschein nach aus der Türkei, Afrika und Südamerika. Ein eingespieltes Team, das vier Stunden Zeit hat, um 2.667 Betten neu zu beziehen, 966 Bäder zu putzen, die Handtücher zu wechseln und die Spiegel von diesen kleinen weißen Zahnputzspritzern zu reinigen, tausend Papierkörbe zu leeren, Minibars aufzufüllen und etwa 20.000 m² Teppiche zu saugen. Wenn ich an meine kleine Einzimmerbude denke, bekomme ich sofort ein schlechtes Gewissen. Da müsste ich auch dringend mal wieder ran.

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Zur selben Zeit fährt der 7,5 Tonner der Großwäscherei Paul Duncker aufs Schiff. Er bringt frische Wäsche und holt tausende benutzter Bettbezüge, Laken und Handtücher ab. Alles ist penibel aufeinander abgestimmt. In vier Stunden legen wir ab, dann muss alles fertig sein. Die Norwegenfähre der Colorline ist für ihre Pünktlichkeit bekannt. Wenn die mal Verspätung hat, steht es am nächsten Morgen in den Kieler Nachrichten. Absatzhalter Während die Color Fantasy am Norwegenkai liegt, wird sie mit Landstrom versorgt. Die Dieselgeneratoren des Schiffs können abgeschaltet werden, solange es in Kiel liegt. Man könnte glauben, das sei keine große Sache, schließlich wird auch jeder Wohnwagen auf dem Campingplatz ebenfalls mit Landstrom versorgt, aber im Hafen ist mehr Wumms dahinter.

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Die Stecker sind zwar ebenfalls blau und liefern auch eine Netzfrequenz von 50 Hertz, aber dahinter steht ein Doppelwumms von 10.000 Volt und eine Leistung von bis zu 4,5 Megawatt. Pro Jahr verbrauchen die Schiffe während der Hafenliegezeit rund vier Millionen Kilowattstunden. Mir fällt sofort wieder meine Einzimmerwohnung ein: Pieps und ich verbrauchen pro Jahr 850 Kilowatt. Absatzhalter Der Bau der Landstromanlage war damals eine große Sache und ist Teil des Blue Port Konzepts des Port of Kiel. Der Strom dafür kommt aus Wind- und Solarkraft, und davon gibt es in Schleswig-Holstein jede Menge.

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Wenn die Verladung beginnt, werden zuerst die Dicken an Bord gebracht, LKW, Trailer, Baumaschinen und Nutzfahrzeuge. Viele fabrikneu und ohne Zulassung. Alles Fahrzeuge, die aus der EU nach Norwegen exportiert werden. Heute sind es vier DAF-Trucks und ein ganzes Rudel John Deere Traktoren, alle nagelneu und ohne einen Fleck auf den Reifen.

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Das Boarding verläuft in drei Phasen und wenn man das nicht weiß, kann es etwas nervig sein. Phase 1 ist der Check-In am ersten Häuschen, wo wir gerade unseren Kabinenschlüssel in Form einer kleinen Pappkarte erhalten haben. Wir haben Cabin 8745, also wissen wir schon, dass wir nachher vom Autodeck hoch in den 8. Stock müssen. Absatzhalter In Phase 2 öffnet sich das Durchgangstor in den ISPS Sicherheitsbereich des Hafens und wir dürfen vorfahren bis ans Schiff, Motor aus und warten. Diese Phase kann gut und gerne eine halbe Stunde und länger dauern.
So lange sitzt man ungeschützt vor Sonne, Regen und Wind im Freien auf dem Motorrad. Man kann aber auch nicht mehr weg, weil man nie weiß, wann es losgeht, denn wenn es losgeht, dann sehr plötzlich.

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Der Lademeister an der Heckklappe der Fantasy steht über Funk in Verbindung mit den Stauern im Schiffsbauch, die dort ihre eigene Version von TETRIS mit Fahrzeugen spielen. Sie sagen über Funk an, was sie als nächstes benötigen, PKW, WoMo, LKW oder Motorrad. Auf diese Weise passen die meisten Klötzchen unter Deck. Absatzhalter Plötzlich erwacht das Funkgerät des Lademeisters an der Rampe zum Leben. Es knarrt, knistert, redet unverständlich, der Mann in Gelb hebt den Kopf und winkt uns hoheitsvoll aufs Schiff. Absatzhalter Phase 3 - die eigentlich Verladung - hat begonnen, wir fahren aufs Schiff. Wer sich jetzt erst sortieren muss, Helm aufsetzen, Handschuhe anziehen, „Wo war noch mal dieser erste Gang?“, der hat schon verloren, weil Pieps und ich mit missbilligenden Blicken an ihm vorbeirauschen. Absatzhalter Die Africa Single steht in Pole Position. In einer flüssigen Bewegung ziehe ich die Kupplung und starte den Motor. Der erste Gang war nie nicht eingelegt. Mit Verve heize ich über die Rampe ins Schiff.

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Die Color Fantasy ist so riesig, dass man sich in ihr mühelos verfahren könnte, besonders wenn man so ein Blindfisch ist wie ich, aber zum Glück stehen an jeder Abzweigung Einweiser, die uns den Weg zeigen. Absatzhalter Wir müssen eine schmale Rampe hochfahren ins obere Cardeck, man kann auch Fahrzeugdeck sagen, aber an Bord stehen überall die englischen Begriffe, und eine Übersetzung würde mich nur wahnsinnig machen, so wie der Kollege, der jedesmal Mutterbrett gesagt hat, wenn er das Motherboard im PC meinte. Absatzhalter Für manche ist die Fahrt aufs Schiff ein Angstgänger, weil die Straßen aus Metall sind und möglicherweise nass und rutschig, aber im Grunde ist es nicht gefährlich, wenn man eine einzige Regel befolgt: Erster Gang und nicht abwürgen oder stehenbleiben! Deshalb braucht es genügend Abstand zum Vordermann, falls der vor einem auf der Rampe verkackt. Eigentlich ist das mit dem Abstand schon die zweite Regel, aber es liest sich eleganter mit nur "eine einzige Regel."

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Als erstes Motorrad werden wir ganz genau eingewiesen auf unsere Platz, weil sich danach alle anderen Bikes ausrichten müssen. Ich bin heilfroh, vorne links zu stehen, weil die Africa Single so hoch ist und ich Platz brauche für meine unbeholfene Absteigeakrobatik. Das Absteigen über den Seitenständer kann ich ausdrücklich nicht empfehlen. Der dünne Spargel liebt das nämlich überhaupt nicht und irgendwann bricht er ab. Absatzhalter Ich nehme einen Spanngurt von der Wand und lasche die Enduro über die Sitzbank ab. Auch heute sind wieder einige Spezial-Spezialisten an Bord, die eigene Zurrgurte dabei haben und sogar ein extra Handtuch zum Schutz der Sitzbank. Kann man sich nicht ausdenken. Absatzhalter Den Helm stülpe ich über den Rückspiegel, der kann hierbleiben. Man muss ihn nicht mitnehmen, denn das Cardeck wird verschlossen und ist außerdem Video überwacht. Ich schnappe mir nur den Tankrucksack und mache mich auf zu unserer Kabine. Vorher mache ich noch ein Foto vom Standort - Deck B3 grün - und stiefele die Treppe nach oben. Seit der Havarie der Costa Concordia nehme ich auf Schiffen prinzipiell die Treppe, was man für übertrieben halten mag, weil wir noch vertäut im Kieler Hafen liegen, aber Prinzipien sind Prinzipien. Absatzhalter Unsere Kabine ist die vorletzte am Ende eines langen, schmalen Ganges. Es ist ein grandioser Anblick, wenn man zum ersten Mal die Tür öffnet: Ein richtig schönes Luxus Hotelzimmer mit Blick auf die Mall.

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Wir haben ein Queensize Bett, einen Fernseher, Kühlschrank und ein Bad mit Dusche und vielen schneeweißen, flauschigen Handtüchern. Dagegen ist die Fahrt im Autozug unterste Holzklasse mit ohne Alles. Absatzhalter Sowie ich unseren Kram verstaut habe, wandere ich mit Pieps an Deck. Wir wollen die alten Traditionen ehren, und dazu gehört nicht nur alles mit Outdoor und Enduro, sondern auch das traditionelle Auslaufbier auf dem Sonnendeck. Absatzhalter Es gibt eine neue Außenbar auf der Color Fantasy, einen alten Airstream Wohnwagen, den sie zu einer Bar umgebaut haben. Neben einer Karte der Drinks steht: "If the Van is rockin', don't come knockin'."

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Das kleinste Bier vom Fass ist ein 0,4l Hansa-Pils, und zum ersten Mal auf dieser Reise halte ich meine VISA-Karte zum Bezahlen an ein Lesegerät. Das mag ich an Skandinavien, und die Fantasy ist schon skandinavisches Gebiet: Man kann den kleinsten Betrag kontaktlos mit Karte, Handy oder Uhr bezahlen. Erst letzten Mittwoch wurde ich auf dem Wochenmarkt am Käsestand angepflaumt: „Kartenzahlung erst ab 10 Euro!“ Absatzhalter Unsere „Draußen gibts nur Kännchen Mentalität“ ist schon sehr Deutsch, aber irgendwie mag ich auch die, schon weil man sich so gut darüber aufregen kann.

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Während die Color Fantasy langsam Fahrt aufnimmt, und ich das viel zu eiskalte Bier aus dem lappigen Plastikbecher trinke, wird weiter unten die Kieler Stadtsilhouette an uns vorbeigezogen. Die Fantasy ist 60 m hoch und das meiste in Kiel spielt sich unterhalb davon ab.

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Auf dem Landeshaus wehen die Deutschland und die Schleswig-Holstein Fahne einträchtig nebeneinander im Wind, und gleich daneben steht das schmucke Gebäude der Wasserschutzpolizei, um das alle anderen Dienststellen im Land die Enten beneiden. Absatzhalter Als die Kieler Außenförde allmählich in die Kieler Bucht übergeht, wird es mir zu windig. Die Möwen stehen nur vom Wind gehalten regungslos in der Luft und ich hab Angst, dass mir die Haare vom Kopf wehen. Durch die Außenschleuse steige ich zurück ins Schiff. Absatzhalter Inzwischen haben die Geschäfte, Bars und Restaurants in der Shopping Mall geöffnet. Wir schlendern an den Geschäften vorbei und nichts deutet darauf hin, dass wir uns auf einem Schiff befinden. Es könnte ebenso gut eine x-beliebige Shopping Mall irgendwo in Europa sein.

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Das Schiff ist sagenhaft. Zur Taufe waren beide Fähren, Color Magic und Fantasy in Kiel, Veronica Ferres war Taufpatin, und auf einer schwim­men­den Bühne in der Kieler Förde hat die norwegische Popgruppe AHA gespielt. Ich kenne leider nur das YouTube Video der Taufe, weil ich zu der Zeit mit meiner KTM Adventure in Norwegen unterwegs war. Absatzhalter Schon deshalb sind Norwegen und Schweden tolle Reiseziele, weil man zwei Tage an Bord der größten und schönsten Kreuzfahrtfähre der Welt sein darf. Es ist ein erhabenes Gefühl, an Bord dieses Multimillionen Euro Schiffs zu reisen und irgendwie auch ein klein wenig dazuzugehören. Alles, was man dafür tun muss ist, ein Ticket zu kaufen. Und nein, ich bekomme nichts dafür, es ist die reine Schwärmerei.

Schweden

Das Einzige, was wir uns heute versagen ist das große Abendbuffet. Allein macht es mir keinen Spaß mehr. Der Speisesaal ist brechend voll, die Warteschlangen an den Fleischtöpfen sind lang, und bei jedem neuen Gang habe ich Angst um meinen Platz. Mitunter lasse ich Pieps und mein Tagebuch auf dem Tisch zurück, um den Platz zu besetzen, aber das fühlt sich nicht gut an. Absatzhalter Stattdessen machen wir unser bewährtes Kabinenpicknick. Ich habe uns Würstchen von Hansen aus Bordesholm mitgebracht und dazu aus dem Taxfree Shop an Bord einen Klotz Cheddar und zwei kleine Dosen Carlsberg besorgt. Absatzhalter Pieps und ich sitzen im Schneidersitz auf unserem Queensize Bett und fühlen uns wie die Königinnen, während wir picknicken und beobachten, wie im Bord-TV das Schiff durch den großen Belt gleitet.

Schweden

Auf der Höhe von Samsø, wo wir auf unserer letzten Reise gerade erst gewesen sind, schalte ich den Fernseher ab, knipse die Nachttischlampe aus und schon kurz darauf sind … bzzZzzz … chrrRrrrr …

zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.