Motorradreise nach Bornholm Inhaltsverzeichnis Tag 1 Kiel - Møn Tag 2 Møn - Ystad Tag 3 Ystad - Bornholm
Bornholm Anreise Tag 1
Jedes Mal, wenn ich von unserem neuen Reiseziel spreche, entspinnt sich folgender Dialog: „Nach Bornholm? Wunderbar.“ „Ja? Ist das echt so schön?“ „Keine Ahnung. Ich war da noch nicht, aber man hört ja von allen Seiten immer nur Gutes.“
Es reicht. Man kann Leuten nicht trauen. Jetzt gucken wir selbst mal nach. Heute Morgen machen Pieps und ich uns auf den Weg zu Dänemarks zweitgrößter Insel. Greeny steht beladen für zwei Wochen Moto-Camping startbereit unterm Haus.
Auf dem Weg aus Kiel rollt mir der Berufsverkehr entgegen, der sich jeden Morgen in die Stadt hinein wälzt. Wie ich das nicht leiden kann: Dies hoch konzentrierte, leicht angespannte Mitschwimmen im dichten Verkehr, Autos und LKW links, rechts, vor und hinter einem, von denen man nie weiß, ob alle schon ausgeschlafen, nüchtern und voll bei der Sache sind.
Wie angenehm war dagegen Schweden, wo ich zuletzt durchs Älvdalen gefahren bin, endlose Kilometer ohne Straßenverkehr, in denen ich bloß den Lenker festgehalten habe, während die Landschaft im gleichmäßigen Tempo ruhig an mir vorbeigezogen wurde.
Über die Fehmarnsundbrücke, Schleswig-Holsteins Dauerbaustelle, geht es hinüber nach Fehmarn.
Der dichte Verkehr auf der Brücke ist crazy, wobei mir die mächtigen 40-Tonner trotz ihrer Größe noch am liebsten sind, weil da Profis am Steuer sitzen, die wissen, was sie tun.
Von Kiel fährt man eine gute Stunde bis zum Fährhafen Puttgarden, wo das Schiff nach Rødbyhavn ablegt.
Wir haben ein Ticket für die Überfahrt um viertel nach Elf, aber ich bin viel zu früh. Die Aufregung
Als ich am Check-In Häuschen anhalte und die Buchung zeige, heißt es: „Sie kommen schon früher mit. Spur 1. Es geht gleich los.“„Danke schön, Scandlines. Toller Service!“
Ohne ein weiteres Mal die Füße von den Rasten zu nehmen, rollen wir straight away bis in den Schiffsbauch der M/F Deutschland. Puttgarden - Rødby ist die am besten organisierte Fährverbindung, die ich kenne.
An uns wird der neue Tunnel, der ab 2029 Deutschland mit Dänemark verbinden soll, jedenfalls nichts verdienen. Wenn wir die freie Wahl haben zwischen Tunnel unterm Meer, einerseits und Schnitzel, Pommes auf See, andererseits, dann ist klar, wofür Pieps und ich uns entscheiden werden.
Auf keinem Schiff ist das Laschen des Motorrads einfacher als hier. Motos haben ihren eigenen Parkstreifen und die passenden Gurte hängen schon griffbereit an der Bordwand. Man braucht nur noch den fetten Haken am Deck einzuklinken und festzuziehen. Wenn ich das kann, kann das jeder.
Das erste Mal bin ich 1984 mit Motorrad, Zelt und Schlafsack auf dieser Linie gefahren. Zu der Zeit standen Motorräder noch draußen an Deck.
Die blaue Suzuki DR500 Enduro mit der orangen Gepäckrolle ist meine.
Spielautomaten auf Fährschiffen gab es schon immer, aber der Starbucks an Bord ist eine Überraschung.
Der Kaffeepreis von 5.45 € auch.
Wenn mir 1984 einer erzählt hätte, dass sie für eine Tasse Kaffee mal zehn Mark aufrufen würden, hätte ich ihm wohl einen Vogel gezeigt.
Pieps entwickelt im Nu einen Plan, wie wir unsere Reisekasse aufbessern können. Ihr Selbstbewusstsein hätte eine eigene Steuernummer verdient, doch seit dieser unglücklichen Affäre um selbst gedruckte Pokémonkarten, „Das merk'n die ga'nich“, bin ich vorsichtig geworden.
Nach einer Dreiviertelstunde rollt Greeny in Rødby auf der Insel Lolland an Land.
Lolland steht ganz im Zeichen des Femern, des Fehmarn Projekts.
Auf großen Verkehrstafeln ist der Weg für LKW zum Femern Byggeplads ausgeschildert.
Die Dänen betreiben das Tunnelprojekt mit Hochdruck. Dazu gehört auch die Hinterlandanbindung mit Eisenbahnstrecke und Autobahnzubringer.
Wir – auf unserer Seite der Grenze – betreiben das Projekt dagegen mit gewohnter, deutscher Gründlichkeit: Das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung tut, was Bürgerinitiativen tun, sie klagen, und die Behörden tun, was Behörden tun.
Keine Ahnung Behördenkram eben.
Solange sie im Tunnel keine Schnitzel servieren und es diese wunderbare Fährverbindung noch gibt, können die meinetwegen ewig so weiter klagen, lochen und abheften. Ich würde nur zu gerne die Gesichter der Dänen sehen, wenn sie zum ersten Mal auf unserer Seite der Ostsee aus dem Tunnel kommen und feststellen, dass hier noch nichts fertig ist.
Es ist der 29. August und der Sommer neigt sich seinem Ende entgegen. Gerade als wir in Nykøbing über die Brücke nach Falster fahren, springt der Tacho der KLX250S über die 60.000er Marke. Greeny ist 60!
Fehmarn, Lolland und Falster sind nicht die letzten Inseln für heute. Wir wollen noch mit der Fähre nach Bogø übersetzen und von dort auf dem Damm nach Møn fahren, Lieblingsinsel und Zwischenziel auf der Anreise nach Bornholm.
Dänemark ist das Heimatland von Hygge, dieser herzlichen Atmosphäre, die den Kern der dänischen Lebensart ausmacht, diese spezielle, unaufgeregte Gemütlichkeit bei Kerzenschein und Polstersessel.
Wenn es einen Ort gibt, wo man dieses Gefühl live und in Farbe erleben kann, dann am Fähranleger in Stubbekøbing.
Hier verkehrt die IDA, eine historische Holzfähre, die den ganzen Sommer über Autos, Radfahrer und Spaziergänger auf die Insel Bogø transportiert.
Auf der Pier neben dem Anleger steht Marinaens Køkken, ein dänischer Pommesbrater und Fast-Food-Tempel mit Riesenburgern, dänischer Remoulade, Knusperhähnchen aus der Fritteuse, HotDogs mit Remoulade und sauren Gurken und diesem wunderbar cremigen dänischen Softeis. Eine Art McDonalds, nur in lecker und sympathisch.
Einerlei, wie voll der Laden ist, egal, wie viele Touristen und Schüler vorm Tresen stehen und warten, die Bedienung bleibt stets ruhig und gelassen. Ruhepuls 48. Einer nach dem Anderen, ganz in Ruhe.
Ich bestelle für uns zwei Fransk HotDog mit Sennep. Originalton Pieps: „Ich nimm auch Zwei!“ Wir haben uns kaum den Sennep vom Mund abgewischt, als bereits die Fähre in Sicht kommt.
Heute steht Greeny allein auf dem Holzdeck der IDA. Nur zwei Radfahrer und ein Fußgänger kommen noch an Bord, als das alte Holzschiff auch schon ablegt, „guffel, guffel...“
In Stege, der Inselhauptstadt von Møn halten wir auf einen Kurzbesuch vorm Supermarkt, wo ich uns zwei Scheiben Entrecôte der Premiumklasse besorge.
Camping Møns Klint ist mein absolutes Lieblingscamp im Norden. In aller Ruhe stelle ich unser Zelt auf und richte es mit Isomatte und Schlafsack gemütlich ein.
Heute haben wir die Zeltwiese für uns allein. Lediglich der VW Bulli einer Familie aus Lübeck mit zwei kleinen Mädchen und einem jungen Hund steht an der Hecke. Die Eltern lesen, die Kinder spielen und der junge Hund tollt fröhlich mit den Kids auf der Wiese umher.
"This is a campsite. No Kindergarten. Shut up!"
Unverhofft hat sich der Dauercamper von nebenan eingemischt, ein übellauniger, alter Silberrücken in Gefechtsstimmung. Er steht mit in die Hüften gestemmten Armen vor seinem Wohnwagen und brüllt herüber.
Ich verstehs nicht. Sonst bin immer ich es, die sich aufregt und ausnahmslos auf Seiten des Beschwerdeführers steht, aber die waren echt nicht laut.
Von Pieps bin ich ganz anderes gewöhnt, „Im Pulverdampf ergraut", hätte mein lieber Papa das genannt.
Die Lübecker Eltern bleiben ganz ruhig. Bewundernswert. Wenn mir einer in der Blüte meiner Jahre vor meinen Kindern ein Shut Up! gegeben hätte, wäre die Story morgen als Aufmacher im Ekstra Bladet erschienen.
Dauercamper und Reisecamper werden wohl niemals Freunde werden.
Wenn unser Zelt in Møns Klint steht und ich mit Pieps in der Sonne sitze, neben uns Greeny, vor uns eine Bratpfanne mit Entrecôte, dann bin ich so zufrieden und so glücklich, wie ein Mensch nur sein kann. Warum ist das so? Ich begreife es nicht.
Die Fahrt mit Greeny hat Spaß gemacht. Seit die KLX bei km 56.000 einen neuen Steuerkettensatz bekommen hat, läuft sie wieder so geschmeidig und ruhig wie am ersten Tag.
Inzwischen ist Ruhe eingekehrt im Camp. Die Familie schläft in ihrem Bulli, der selbst ernannte Platzwart schwärt in seinem eigenen Gift, und Pieps?
„Muss noch maah “
Waschhaus und Schwimmbad sind hell erleuchtet und weisen uns den Weg, als wir unterm Sternenhimmel durch taufeuchtes Gras zum Klohaus wandern.
Kurz darauf liegt die Maus wieder in ihrem Minischlafsack und ist nach wenigen Augenblicken bereits selig eingeschlummert.
Auch ich bin müde von unserem ersten Motorrad Reisetag und mache die Augen zu: