Reise nach Schottland
Mit Schottland verbinde ich majestätische Landschaften, den Zauber und die Abgeschiedenheit der Highlands, aber auch abwechslungsreiches Wetter, interessantes Essen und die lustigen Midges, kleine Insekten mit hohem Unterhaltungswert.
Probepacken vor der Abreise: Svenja mit Reisegepäck auf ihrer Green Cow
Mit dem Gewicht von Taschen und Tankrucksack sind es 18 Kilo Gepäck
Oder ist es nicht? Als ich mich an diesem Morgen aufmache, um dem Mythos Schottland auf den Grund zu gehen, schwirren mir viele Fragen im Kopf herum: Stimmt es tatsächlich, dass dort teilweise noch links gefahren wird? Und ist Haggis, das schottische Nationalgericht, wirklich so lecker, wie man immer hört? Alles das und noch mehr will ich auf dieser Reise herausfinden.
Man hatte mich allerdings vor dem dünnen Tankstellennetz der schottischen Highlands gewarnt. Meine beste Freundin Claudia taucht am Vorabend meiner Reise sogar mit einem knallroten 1,5 Liter Reservekanister bei mir auf und besteht darauf, dass ich ihn mitnehme.
Dabei ist die KLX250 mit ihrem 7,7 Liter Adventuretank und der breiten Tourensitzbank schon ab Werk für jedes Abenteuer gerüstet.
Den Kanister nehme ich nur mit, weil Claudia ihn höchstpersönlich unter den Gepäckträger der Green Cow schnallt, wo er tatsächlich perfekt hinpasst und kein bisschen stört.
Mit frischem Motoröl und einem nagelneuen Hinterreifen starte ich gegen Mittag aus meiner Tiefgarage.
Kurz darauf überquere ich bei strahlendem Sonnenschein die Grenze nach Dänemark und fahre quer durchs Land von der Ostsee an die Nordsee.
Als ich in Esbjerg ankomme, steht bereits ein Dutzend Motorräder am Fähranleger. Zuerst will ich dem Herdentrieb folgen und mich dazustellen, aber nach kurzem Nachdenken stelle ich mich doch lieber brav in die Reihe der wartenden PKW.
Mehr und mehr Maschinen treffen am Anleger ein. Es müssen schon fast 50 Motorräder sein, die vorne neben der Schranke im Pulk zusammenstehen. Stehe ich hier in der Schlange zwischen den PKW wirklich richtig? Allmählich fange ich an zu schwitzen. Gruppendruck. Die können sich doch unmöglich alle irren?
Am Fähranleger der Englandfähre Dana Sirena in Esbjerg, DK.
Im zweiten Gang heize ich die steile Rampe zum Schiff hinauf und kann mich nur mit Mühe beherrschen, am Ende der Rampe kein Wheely zu machen. Gerade rechtzeitig erinnere ich mich noch daran, was ich einmal über Wheelys vor schwedischen Eisdielen geschrieben habe und verzichte auf den Stunt.
Ich stelle die KLX ganz vorne im Bug der Dana Sirena ab. Zum Entladen müssen morgen alle Fahrzeuge unter Deck wenden, weil die große Heckklappe die einzige Zufahrt ist.
Viele der mehr als 50 Biker sind unterwegs zur Isle of Man, um sich die Tourist Trophy Rennen anzusehen.
Ich bestaune die unglaublichsten Gefährte und einige extrem mutige Konstruktionen aus Türmen von Reisegepäck. Einige haben tatsächlich noch mehr dabei als ich. Ob die alle noch ein zweites Paar Ballerinas eingepackt haben...?
An Bord der Dana Sirena gibt es mehr als genügend Spanngurte zum Verzurren der Maschinen und nach wenigen Minuten habe ich die Green Cow sicher unter Deck vertäut. Seitenständer, erster Gang, Spanngurt und Unterlegkeil. Trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl. Hält das wirklich auch bei starkem Seegang auf der Nordsee? Ich nehme nur den Tankrucksack mit und lasse alles andere auf dem Motorrad zurück. Sogar meinen Helm und die Handschuhe lasse ich am Rückspiegel hängen. Das Fahrzeugdeck wird während der Überfahrt verschlossen und man spart sich eine Menge Schlepperei.
Die Überfahrt von Dänemark nach England hat mit Einzelkabine nur 193 € gekostet und meine Kabine hat sogar einen Fernseher, einen kleinen Schreibtisch und ein blitzsauberes, helles Badezimmer mit Dusche und dem besten Schminkspiegel, den ich je gesehen habe. Ob die wohl abgezählt sind?
Umziehen kann ich mich leider nicht, weil meine Minis hinten auf der Kawa sind, aber ich male mir wenigstens ein neues Gesicht und bürste meine Haare zu einer Wallawalla Mähne auf. Jetzt bin ich bereit, in die Bar zu gehen. Mal sehen, wie die Jungs so drauf sind.
Minuten später sitze ich mit drei englischen Bikern um einen winzigen Tisch in der Columbus Bar. Die Jungs trinken Bier, während ich bei Tuborg Super Light ohne Alkohol bleibe.
Da ist Joey, ein Engländer, der in Dänemark arbeitet, und nun mit seiner XT660 auf dem Weg in die Heimat ist, um sich eine neue TÜV-Plakette zu holen. Dafür hat er ausnahmsweise sogar die DB-Killer wieder in seine Akrapovic geschraubt.
Mike ist auf einer alten Norton unterwegs zur Isle of Man, die ledernen Satteltaschen voller Werkzeug und Ersatzteile. An seinen Fingern erkenne ich, dass es nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme ist.
John, ein Geologe der Universität Cambridge, ist auf seiner BMW GS auf dem Rückweg in die Heimat. Er ist nicht nur mega sympathisch, sondern erzählt auch so interessant über England und Schottland, dass ich beginne, Cambridge um seine Lehrkräfte zu beneiden.
Als ich ihn nach Durness und der Smoo Cave frage, erzählt er mir, dass er darin bereits getaucht sei und ich mir den Besuch der Höhle auf keinen Fall entgehen lassen soll.
Ich erzähle, dass ich "Svenja, a police woman from Germany on a holiday trip to Scotland." bin.
"All on your own? Wow, that's brave." und "That's why you are so tall.", sind die Reaktionen der anderen Biker. Im weiteren Verlauf meiner Reise stellt sich heraus, dass meine Erklärung: "A police woman from Germany" zugleich eine geniale Erklärung für meine Größe und Stimme ist und ohne, dass ich zuvor daran gedacht hatte, unterstützt es mein Passing auf geniale Weise.
Nach einer Weile fangen die Engländer an, wechselseitig Runden neuer Drinks auszugeben. Der Reiseführer hatte mich schon gewarnt, dass das in England so üblich sei. Schon nach meiner ersten Runde verabschiede ich mich in die Kabine. Da kann ich nicht mithalten und das nicht nur, weil ein Bier 6,25 € kostet. Es ist erst 22 Uhr, als ich in meiner Kabine das Licht ausmache. Ich denke noch ein wenig über morgen nach, wenn ich das erste Mal im Linksverkehr fahren muss, aber das Brummen der Motoren und das sanfte Rollen des Schiffes lassen mich innerhalb von Minuten fest einschlafen...
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