Tag 12 - Durness - Fort Augustus
Meine Laune an diesem Morgen ist nicht die beste. Ja, ich habe super geschlafen, ja, ich stehe am schönsten Platz der Welt und ja, zum ersten Mal würde ich sogar länger als eine Nacht an einem Ort bleiben. Das geht aber nicht. Warum nicht...?
Sonntag in den Highlands bedeutet, dass alles zu hat. Die Läden, korrigiere: Der Laden ist geschlossen und sogar die Tankstelle ist zu. Benzin habe ich zum Glück genügend. Der Tank der Green Cow ist mit 7,7 Litern Superbenzin randvoll. Das reicht für mehr als 200 Km.
Die Sonne steht noch nicht lange am Himmel, als die kleine 250er Kawa fertig bepackt zur Abreise bereit ist. Ein letztes Mal genieße ich die atemberaubende Aussicht und bin doch nicht traurig, denn hier komme ich wieder her. Das verpreche ich mir selbst an diesem Morgen ganz fest. Hier kommst du wieder her! Und dann bleibst du vielleicht sogar mal zwei Nächte lang. Habe ich schon erwähnt, dass ich auf Reisen eher der rastlose Typ bin...?!
Eine Meile hinter dem Café endet die Straße an einem sagenhaft schönen Sandstrand mit karibischem Flair. Am Ufer eine alte, verfallene Kirche und ein Friedhof. Eine Szene wie aus einem Piratenfilm.
Mit dem Motorrad in den Highlands
Wir verabschieden uns zum dritten Mal auf dieser Reise, diesmal mit der vagen Aussicht auf ein Wiedersehen in Tongue, denn wir sind beide auf der Suche nach einer heißen Tasse Kaffee.
In Tongue ist bis auf das Ben Loyal Hotel alles geschlossen. Ich stelle das Motorrad ab und gehe zur Rezeption. Dort werde ich in den Frühstücksraum verwiesen, wo die Hotelgäste ihr Frühstück schon beendet haben, denn die Tische im Speisesaal werden gerade neu eingedeckt. Ich setze mich an einen Tisch am Fenster, der mit schneeweißem Tischleinen gedeckt ist. In der ledergebundenen Frühstückskarte stehen die leckersten Sachen, aber dafür keine Preise. Das ist ein gutes Zeichen, dann wird es wohl nicht teuer sein.
Eine wirklich hübsche junge Frau im süßen Kellnerinnendress nimmt meine Bestellung auf und ich ordere ein Full Scottish Breakfast mit Kaffee und Toast. Ich darf mich außerdem am Buffet mit Obst und Cerealien bedienen, aber ich verzichte dankend. Ich bin schließlich nicht krank, sondern nur hungrig.
Das Frühstück ist jedenfalls unglaublich gut und gerade als ich den ersten Schluck Kaffee trinke, kommt Bruce durch die Tür und setzt sich zu mir an den Tisch. Er ordert ein zweites Breakfast und kurz darauf wolfen wir gemeinsam unsere Sausages, den Bacon und die Baked Beans in uns hinein. Es gibt sogar gebratene Champignons dazu.
Wir frühstücken beide in aller Ruhe und genießen die herrliche Aussicht durch das Panoramafenster in die offenen Highlands hinein. In der Ferne sieht man die Straße nach Lairg, die ich gleich fahren werde. Bruce fährt weiter nach Scrabster in Richtung John O'Goates, hier trennen sich unsere Wege. Zum Abschied zeigt sich Bruce als wahrer Gentleman und lädt mich zum Frühstück ein. Danke, du Lieber. 7,50 £ kostet das Full Scottish Breakfast im Ben Loyal Hotel, das ist mehr als günstig. Also, merke: Silberbesteck und ledergebundene Speisekarten ohne Preise stehen für billig. Und Midges gibt es nicht...
"Nice motorbike.", sagt sie anerkennend und ich denke im Stillen: "Hey Oma, was weißt du denn davon?"
"I have one myself and just rebuilt it from ground up." Uff, so kann man sich täuschen. Ich erfahre, dass die Lady eine Ambassador, Modell 1951 Embassy fährt, bzw. gefahren ist. Sie ist sauer auf ihre Familie, weil sie ihr nicht mehr erlaubt, damit zu fahren.
Dabei ist sie über 30 Jahre lang mit dem Motorrad durch die Highlands zu ihren Schafweiden gefahren und bewundert die grobe Bereifung meiner KLX. Sie hatte damals oft Probleme im sumpfigen Gelände. Granny hat die totale Ahnung von Motorrädern und wir unterhalten uns prächtig, solange bis sie zum Mittagessen muss und in ihrem Ford Focus davon braust.

CoOp hat in Schottland eine tolle Fleischabteilung und ich weiß kaum was ich nehmen soll. Heute probiere ich mal die Sirloin Steaks. Eine deutsche Entsprechung für Sirloin habe ich nicht gefunden, aber sie erinnern an Rumpsteaks, nur dass sie nicht so ekelig mager, sondern durch und durch mit Fett marmoriert sind.
Ich kaufe knappe 600 g Steak für Pieps und mich, denn es ist ganz erstaunlich, was die kleine Maus so alles verdrücken kann.
Für mich gibt es dazu ein John Smith's Extra Smooth und eine Handvoll Schokoriegel. Der Einkauf passt noch oben in den Tankrucksack und kurz darauf geht es weiter in Richtung Loch Ness. Allmählich mache ich mich auf die Suche nach einem Zeltplatz für die Nacht, aber heute habe ich partout kein Glück und fahre weiter und weiter, ohne etwas Schönes zu finden.
Schließlich erreiche ich Fort Augustus an der Südspitze von Loch Ness, einen kleinen Ort mit einer Aufsehen erregenden Schleusentreppe, wo der Caledonian Canal in das Loch Ness geschleust wird.
Trotzdem bin ich mit dem heutigen Tag nicht zufrieden. Ich bin viel zu weit und zu lange gefahren und habe das Gefühl, den schönsten Teil Schottlands vorschnell verlassen zu haben. Diese Rastlosigkeit muss ich mir unbedingt abgewöhnen.
Das Abendessen ist dafür ein echtes Highlight. Scottish Angus Beef ist unübertroffen. Es hat einen ganz typischen, sehr aromatischen Eigengeschmack und ist so gut gereift, dass es sehr mürbe ist und beim Braten beinahe in der Pfanne zerfällt. Den Unterschied kann man auf dem Foto mit bloßem Auge erkennen, die oberen Steaks sind Angus Beef.
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