Tag 19 - Kilburn, White Horse
Es ist Sonntag und in England ist heute Father's Day. Heute werde ich nicht weiterreisen, sondern einen kleinen Tagesausflug nach Kilburn unternehmen, um mir dort das berühmte Weiße Pferd anzuschauen.
Als ich gegen halb elf in die Gegend von York komme, traue ich meinen Augen kaum. Die Straßen sind total verstopft, so wie in Hamburg zur Rush Hour. Die Parkplätze der großen Shopping Malls entlang der Einfallstraße nach York sind bis auf den letzten Platz belegt. In diesem Moment ändere ich meine Ansicht über die Sonntagsöffnung von Geschäften, denn ich erlebe gerade hautnah, welche fiesen Auswirkungen das hat. Anstatt einen lazy Sunday auf dem Sofa zu verbringen, machen sich tausende von Familien auf in die Shopping Mall. Allein die Nebenstraßen in einiger Entfernung von York sind noch leer. Die St. Michael's Church in Coxwold wirkt wie eine normannische Trutzburg und als ich über den verlassenen Friedhof schlendere, sorgen die uralten, teilweise schon eingesunkenen Grabsteine für eine merkwürdige, fast ein wenig schaurige Stimmung. Kirchen wie diese sehe ich oft in England und so schön sie auch sind, haben sie doch immer etwas von einer Filmkulisse an sich. Einige Meilen vor Kilburn halte ich am Straßenrand, um einen Blick auf die Landkarte zu werfen. Bin ich hier überhaupt noch richtig? Ja aber, das gibts doch nicht: Auf einem Berg am Horizont entdecke ich urplötzlich das Weiße Pferd. Unglaublich, in welcher Klarheit das Biest auf diese Entfernung schon zu erkennen ist. Langsam taste ich mich mit dem Motorrad näher heran und bleibe immer wieder stehen, um ein Foto zu machen. Vor über 150 Jahren hat ein Lehrer mit seiner Schulklasse das Weiße Pferd zum ersten Mal aus dem Felsen bei Kilburn herausgekratzt, indem sie allen Bewuchs von dem kreidehaltigen Gestein entfernt haben. Aus der Nähe betrachtet ist das Felsrelief kaum noch als Pferd zu erkennen, weil man von unten den Kopf nicht mehr sehen kann. Ein kleiner Pfad führt den Berg hinauf und einige Spaziergänger sind oberhalb des Pferdes auf dem Wanderweg zu erkennen. Wahrscheinlich ruft niemand "hurra", wenn ich mit der Enduro den Wanderpfad hochkachele und deshalb spare ich mir diesen Stunt und fahre zurück nach Pocklington zum Zeltplatz.Wenn ich schon an einem Sonntag im Stau stehen muss, dann will ich dafür aber auch die Vorteile der Sonntagsöffnung genießen und halte deshalb vor dem Sainsbury Supermarkt in Pocklington, um mir ein paar RibEye Steaks, gebackene Bohnen und eine Dose Bier für den Abend zu kaufen.
Den Rest des Tages verbringen Pieps und ich mit Faulenzen (Pieps), Lesen (ich) und Schlafen (Beide), bevor es endlich Zeit für unsere geliebten Entrecotes wird, auch wenn die hier RibEye Steaks heißen.
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