Tag 7 - Dunoon - North Ballachulish
Mit Black Pudding ist es so eine Sache: entweder man liebt schwarze, gebratene Blutwurst zum Frühstück, oder man hasst sie. Ich esse das Zeug sehr gerne, auch wenn ich es vor meiner Reise nach Schottland noch für Schokoladenpudding gehalten habe...
Nach diesem erstklassigen Full Breakfast im West End Hotel, das Berry selbst zubereitet hat, bin ich fit für den Tag.Bevor ich das Gepäck hole, schmiere ich die Kette der Green Cow. Das ist unterwegs immer ein wenig umständlich, weil die Enduro keinen Hauptständer hat, aber mit etwas Geduld geht es auch ohne.
Es regnet und The SUN, so eine Art britische BILD-Zeitung in noch schlimmer, will wissen, weshalb das Wetter in Schottland so mies ist, während in England die Sonne scheint. Mir ist beides egal, denn ich habe Urlaub und heute ist erst Tag 7.
Das West End Hotel in Dunoon bekommt von mir 5 Sterne verliehen
Blick von Rest-and-be-thankful auf die alte Passstraße, die nicht mehr befahren werden darf
Einer fragt mich: "Wo kommt ihr denn her?", obwohl er sieht, dass ich alleine bin. "Ich komme aus Kiel und ich reise allein. Ich reise fast immer allein.", erwidere ich freundlich und lache die Motorradfahrer dabei strahlend an.
Hier bin ich nun, Svenja Kühnke, 49 Jahre alt, alive and kicking (engl.= gesund und munter). Vor vielen Jahren habe ich einen schweren Dienstunfall überlebt, bei dem ich mir das Genick gebrochen habe und niemand hätte es für möglich gehalten, dass ich jemals wieder viel tun könnte, geschweige denn ein Motorrad fahren. Und nun stehe ich hier mit meiner kleinen Kawasaki MotoCross ganz alleine irgendwo in den schottischen Highlands und fühle mich überglücklich.
Einige Meilen hinter dem Green Welly Stop biege ich auf die B 8074 nach Glen Orchy ab, eine total einsame Single Track Road entlang des River Orchy.
Über viele, viele Kilometer folgt der Single Track dem Fluss durch das Tal. Immer wieder gibt es Stromschnellen und kleine Wasserfälle zu bestaunen.
Mehrmals halte ich zum Fotografieren an und fahre dafür manchmal auch ein Stück zurück. Der Weg ist so schmal, dass selbst der große Lenkeinschlag der KLX nicht immer zum Wenden reicht.
Das Wetter ist wechselhaft, aber das nehme ich nur noch am Rande wahr. Ich habe ja ohnehin meine Regenkombi an.
Nach einer halben Stunde komme ich an einer alten Brücke vorbei, die den Orchy bei einer dramatischen Stromschnelle überquert und auf der anderen Seite in einem Waldweg verschwindet, der über und über mit Farnkraut überwuchert ist.
Glen Orchy River
Ich muss unwillkürlich grinsen, das Wetter in Schottland ist wirklich immer für eine Überraschung gut. Ebenso schnell kann es aber auch wieder schön werden.
Ich rette die Kamera in den wasserdichten Tankrucksack und fahre weiter in Richtung Glencoe. Dazu brauche ich nur den Schildern nach Fort William zu folgen.
Nach fünf Meilen führt mich der Single Track Road zurück auf die A82 nach Glencoe.
Die Straße verläuft auf einem Hochplateau zwischen den Bergen, die links und rechts der Straße tausend Meter hoch aufragen. Wie in einem Windkanal fahre ich nach Westen und habe den starken, kalten Seewind beständig von vorn. Puh, ist das kalt. Wie gut, dass ich noch die winddichte Regenkombi trage. Endlich erreiche ich Glencoe. Gleich am Ortseingang gibt es eine Gleaner Filling Station, offensichtlich eine verkappte Shell Tankstelle, die ich mir schon vor Wochen zuhause in Street View herausgesucht hatte.
Während ich den Tank mit 3,45 Litern Superbenzin wieder bis zum Rand fülle, beginnt es zu regnen. Ich stelle das Motorrad zur Seite und gehe ins Kassenhäuschen, um zu bezahlen und in Ruhe einen Kaffee zu trinken.
Leider verfügt diese Tanke nur über die absolute Grundausstattung: Heißes Wasser mit einem Löffel Nescafé und dazu ein tiefgefrorenes Steak Pie, das ich mir in der Mikrowelle heißmachen darf. Nun gut, das ist besser als nichts. Inzwischen habe ich nämlich Hunger und mir ist noch immer kalt.
Als ich kurz darauf wieder aufs Motorrad steige, hat der Regen noch einmal zugenommen. Ich ziehe zusätzlich dicke Gummipfoten über die Motorradhandschuhe. Was nun? Gegenüber der Tankstelle direkt am Loch Leven gibt es einen Campingplatz, aber momentan ist an Zeltaufbauen nicht zu denken.
Stattdessen frage ich nebenan im Hotel "The Glencoe" nach einem Zimmer für die Nacht. Tropfnass stapfe ich in meiner orangen Regenkombi zur Rezeption und frage nach einem Zimmer. Einzelzimmer gibt es leider nicht, aber für 80 £ bietet mir das junge Mädchen am Counter ein Doppelzimmer an. "Sorry, that's out of my league." Daraufhin geht sie auf 70 £ runter, aber auch das ist mir zu teuer und ich fahre weiter.
Der Regen hat sich inzwischen zu einem heavy rainstorm entwickelt, weshalb es für den Rest des Tages auch keine Fotos mehr gibt. Dazu hätte ich ein Unterwassergehäuse für meine Kamera haben müssen.
In North Ballachulish, einem winzigen Ort nahe Glencoe, entdecke ich ein B&B Schild und folge ihm auf gut Glück bis zu einem gepflegten Wohnhaus. Tropfnass und im strömenden Regen klingele ich an der Tür. Es ist zwar erst 15 Uhr und damit noch ein wenig früh für B&B, aber inzwischen bin ich verzweifelt genug, um es zu probieren.
Ein zackiger, älterer Herr mit einem grauen Bürstenhaarschnitt öffnet die Tür und noch bevor ich mehr als guten Tag sagen kann, zieht er mich bereits in den trockenen Hausflur hinein.
Es ist Tom, der hier in North Ballachulish mit seiner Frau Mairi die ehemaligen Kinderzimmer seiner erwachsenen Söhne als B&B vermietet. Wie sich später herausstellt, ist Tom ein Kollege von mir, der bis zu seiner Pensionierung bei der Polizei in Glasgow gearbeitet hat.
"Glasgow? That surely was a rough area, wasn't it?" "Yes, but we were rougher.", erwidert Tom nicht ohne Stolz. Und so wie er es sagt, glaube ich ihm jedes Wort. Wir unterhalten uns später im Wintergarten noch lange über unsere Arbeit, was ich sonst immer tunlichst vermeide.
Durch den überraschenden Wetterumschwung habe ich mir nichts mehr zum Abendessen kaufen können, aber Mairi ist so lieb und macht mir einen großen Teller mit Käse, Butter und Crackers. Zum ersten Mal lerne ich dabei den fetten, gelben Cheddar Käse kennen und bin begeistert. Auch den werde ich mir zuhause in Kiel besorgen.
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