Tag 3 - Wisbech - Pocklington
Drei Tage noch bis Schottland, denke ich, als ich morgens früh in Rekordzeit das Lager abbreche, alles auf dem Motorrad verstaue und mich auf den Weg durch Lincolnshire in Richtung York mache.
Heute morgen empfinde ich ganz besonders dieses tolle Gefühl, mit dem Motorrad allein in einem fremden Land unterwegs zu sein und das ist auch gut so, denn die Fahrt durch Lincolnshire wäre sonst grottenlangweilig. Die Grafschaft Lincolnshire ist ein einziger großer Bauernhof mit endlosen Anbauflächen. Riesige Trecker und Erntemaschinen sind auf den Straßen unterwegs und können oft meilenweit nicht überholt werden.
Die Grafschaft Lincolnshire ist ein einziger Bauernhof und erinnert an Schleswig-Holstein
Pocklington hat nicht nur einen prima Sainsbury's Supermarket, sondern mit dem South Lea Caravan Park auch einen erstklassigen Campingplatz. Als ich mit der Green Cow über die riesigen Rasenflächen fahre, bin ich total überwältigt von dem wunderschönen englischen Rasen. Erst ein paar Tage später wird mir klar, dass es für dieses makellose Grün vor allem eines braucht: Viel Regen...
Bei der Anmeldung in South Lea versuche ich meine CCI Camping Card ins Spiel zu bringen, die ich mir vor der Reise beim ADAC besorgt habe. Die 29,90 € hätte ich jedoch besser einem Bettler in den Hut geworfen, denn während der gesamten Reise gelingt es mir kein einziges Mal, dass jemand auch nur einen gelangweilten Blick darauf wirft. Man bezahlt beim Einchecken seine 10 £ und damit ist der Papierkram erledigt.
Es ist brütend heiß und schwitzend baue ich bei 26° C das Lager auf. Ich muss unbedingt raus aus den Motorradklamotten. Als Frau kann ich mich leider nicht mehr so einfach wie früher draußen umziehen, auch wenn das sicher einen gewissen Unterhaltungswert hätte. Ich brauche also Deckung und ziehe mich im glühend heißen Zelt um. Gerade habe ich mein Lager aufgebaut, da kommt eine junge englische Mutter von zwei Zelte weiter zu mir herüber geschlendert und verwickelt mich in einen Small Talk. Sie erzählt mir, dass die Waschräume auf South Lea "spotless" seien. Makellos sauber also.
Gegen Abend mache ich mich auf ins Waschhaus um zu duschen und mir die Haare zu waschen. Und tatsächlich sind die Waschräume spotless sauber.
Das mit dem Haarewaschen ist in England aber gar nicht so einfach, denn englischer Wasserdruck erinnert immer ein bisschen an tropfenden Wasserhahn und deshalb dauert es eine Weile, bis ich das Shampoo aus den Haaren gespült habe.
Bemerkenswert sind auch die Waschbecken mit ihren zwei getrennten Wasserhähnen.
Man muss sich entscheiden: brauche ich heiß, oder eiskalt? Danach drückt man auf den roten oder blauen Knopf und versucht die Hände unter den Wasserstrahl zu bekommen, bevor die Automatik den Strahl wieder unterbricht.
Geschafft habe ich das kein einziges Mal und so habe ich mit einer Hand den Knopf festgehalten, während ich die andere Hand unter Wasser gehalten habe. Etwas umständlich vielleicht, aber durchaus unterhaltsam.
Inzwischen knurrt mein Magen wie verrückt und ich baue vorm Zelt meine Küche auf. Das Braten auf dem kleinen Gaskocher funktioniert viel besser, als diese kleinen Einweggrills. Die Titanpfanne wird nämlich innerhalb von Sekunden glühend heiß und man hat gebraten, gegessen und ist schon vom Abwaschen zurück in einer Zeit, da hatten wir die Einweggrills auf Rømø noch nicht einmal richtig in Gange gebracht.
Ich bereite mir zwei fette 300 g Ribeye Steaks so zu, wie ich sie am liebsten mag: leicht angebrannt und schön mit ohne was dazu.
Zum Nachtisch gibt es noch ein alkoholfreies Bier, einen Schokoriegel und die Seele lacht wieder.
Den Rest des Abends verbringe ich mit dem Fortschreiben meines Reisetagebuchs, mit faulem Herumliegen in der Abendsonne und mit der Vorfreude auf morgen: Da werde ich nämlich den Lake District besuchen, um dort einen der steilsten Straßenpässe der Welt zu fahren, den Hardknott Pass mit seinen unglaublichen 30% Steigung.
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