Tag 13 - Fort Augustus
Am liebsten möchte ich heute morgen in meinem kuscheligen Daunenschlafsack liegen bleiben und gar nicht erst aufstehen. Am Himmel hängen dunkle Wolken, aus denen unablässig ein leichter Regen aufs Dach tropft. Es ist so gemütlich im Zelt.
Ich muss aber langsam hoch, denn inzwischen liege ich mit meiner Therm-a-Rest Matte auf der letzten trockenen Insel im Zelt.

Mein Bunkroom wird die No. 6. Ein winziges Zimmer von vielleicht 6 qm, in dem sich nichts befindet, außer dem Etagenbett, einem winzigen Fenster und zwei Steckdosen.
In der Preisliste am Empfang steht das Bett mit 17 £ pro Nacht, aber ich bezahle 25 £, weil ich das Etagenbett alleine belege. Man darf dafür auch den Aufenthaltsraum nutzen und sich dort morgens früh mit Tee, Müsli und Milch bedienen. B&B ultralight...
Außerdem gibt es eine wackelige WiFi-Verbindung ins Internet. (WiFi-Code siehe rechts)
Ich nehme nur den Tankrucksack und den Helm mit ins Zimmer und lasse das übrige Gepäck über Nacht draußen auf dem Motorrad, das genau unter meinem Fenster steht.
Die automatische Schiebetür hat sich kaum hinter mir geschlossen, als mich schon die erste Kellnerin anspricht: "Good morning. Breakfast, Mam?" "Yes, a full scottish with coffee, please." Ich setze mich an einen freien Tisch und warte auf mein Essen.

"Guten Appetit" zu wünschen ist im Englischen anscheinend nicht üblich. Bestenfalls gibt es ein knappes "Here you go."
Mir kommt das sehr unhöflich vor und auch diesmal bölke ich der Kellnerin laut hinterher: "Thank you very much. How kind of you to serve me breakfast."
Im Stillen nehme ich mir vor, ihr beim Bezahlen ein so unverschämt hohes Trinkgeld zu geben, dass sie ordentlich beschämt ist. Oh, ich kann so böse sein...
Als ich mich aber endlich dem Teller zuwende, geht mir das Herz auf. Mitten auf dem Black Pudding, nur notdürftig von einem Spiegelei bedeckt, liegt ein grauer Kloß. Das ist Haggis und ich bin schon sehr gespannt darauf, wie es schmeckt. Also wird es doch durchaus zum Frühstück serviert.
Haggis ist sehr herzhaft und sein typischer Geschmack erinnert vielleicht am ehesten an eine Mischung aus Grützwurst und Krümelhack mit Graupen. Auf jeden Fall schmeckt es prima.

Auf dem großen Parkplatz neben der Tankstelle steht eine wahre Armada von Reisebussen.
Ich bin erstaunt, wie viele japanische Touristen ich sehe. Das war mir auf der Isle of Skye bereits aufgefallen.
Es sind japanische Schüler, die als fröhlich durcheinander schnatternde Teenager alles und jedes mit ihren Smartphones und Digitalkameras fotografieren.
Fast den ganzen Tag hänge ich an den Schleusen herum. Ich sehe den Booten zu, besichtige das Kanalmuseum und schaue mir jedes Geschäft und alle Souvenirs in den Andenkenläden an. Zwischendurch stelle ich mich immer wieder unter das Dach der Tankstelle, wenn der Regen zu stark wird.
Ein fauler Besichtigungstag wie heute ist ganz ok, aber so richtig glücklich bin ich dabei nicht. Mir fehlt das Motorradfahren. Ich bin viel lieber unterwegs, als an einem Ort festzusitzen.

Direkt am Kanal gibt es einen Laden, der mit seiner bunten Fassade kaum zu übersehen ist. Der Canalside Chip Shop bietet eine große Auswahl verschiedener & Chips Gerichte: Scampi, Haggis, Black Pudding, Chicken, Ribs, Sausages & Chips.
Sogar einige Skipper kommen an Land und gehen die wenigen Schritte vom Kanal zum Chip Shop, um sich Essen zu holen, während ihre Boote in der Schleuse liegen.
Ich bin zwar noch pappsatt vom Frühstück, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen und bestelle mir eine Portion Battered Haddock mit Chips. Für 5,50 £ bekomme ich eine riesige Portion Fish & Chips. Das Essen besteht mühelos jeden Vergleich mit dem besten Kieler Backfisch. Die Portion ist so groß, dass ich kaum mehr als die Hälfte davon schaffe.
Inzwischen habe ich jeden Laden in Fort Augustus mindestens einmal besichtigt und den Tankstellenshop habe ich mir sogar schon zweimal angesehen. Im leichten Nieselregen schlendere ich zurück in die Lodge und setze mich mit meinem Moleskine in den Aufenthaltsraum, wo ich die Erlebnisse des Tage in mein Reisetagebuch schreibe.
In der Leseecke entdecke ich einen total zerlesenen und halb zerfledderten Roman, dem schon das Deckblatt fehlt. Kurze Zeit später entpuppt sich Matthew Rileys Contest als ein super spannender Science Fiction Thriller, der mich die halbe Nacht nicht loslässt.
weiter zu Tag 14
zurück nach oben