Tag 17 - Peebles - Osmotherley
Es ist kalt heute morgen. Zum Glück habe ich daran gedacht, meinen BH über Nacht mit in den Schlafsack zu nehmen. Einmal habe ich das vergessen und beim Anziehen sofort die Schnappatmung bekommen. Es ist erstaunlich, wie kalt die Biester über Nacht im Zelt werden.
Auf dem Weg zum Waschhaus entdecke ich, dass jemand in der Nacht das Zelt meines Nachbarn ausgeräumt und sein ganzes Essen geklaut hat. Die Reste liegen verstreut auf dem Rasen herum, während aus dem Zelt leises Schnarchen zu hören ist.Kopfschüttelnd gehe ich weiter und frage mich, welcher Blindfisch sich im Schlaf das Essen klauen lässt, ohne was zu merken.
Der Waschraum in der Burg ist mollig warm. Ein kleiner elektrischer Heizlüfter arbeitet dort rund um die Uhr auf höchster Stufe. Sein Stromverbrauch in einer Saison dürfte ungefähr dem des Saarlandes entsprechen. Wow, hier lohnt sich die Anreise schon zum Duschen. Bevor ich losfahre, ziehe ich meine Regenkombi an. Ein Blick zum Himmel sagt mir, dass ich sie bald brauchen werde. Auf der Landkarte habe ich mir eine Nebenstrecke herausgesucht, die einsam durch grüne Täler führt. Ich liebe diese Verlassenheit und im Nu ist die doofe Autobahnfahrt von gestern vergessen. Die Grenze nach England überquere ich im strömenden Regen und traue mich kaum, die Kamera aus dem Tankrucksack zu nehmen. Mit nassen Handschuhen gelingt mir ein eiliger Schnappschuss vom Grenzstein, bevor ich das Visier herunterklappe und weiterfahre. Der Regen stört mich heute nicht im Geringsten, nur zum Fotografieren ist er doof. Gegen Mittag komme ich an einer Tankstelle vorbei, der ein Tearoom angeschlossen ist. Ich halte zum Tanken und schiebe das Motorrad anschließend hinüber auf den Parkplatz des Tearooms.
Nachdem ich die Regenkombi ausgezogen habe, setze ich mich in den Riverside Tearoom und bestelle ein Full English Breakfast. Das Frühstück ist echt klasse, nur der Black Pudding trifft heute nicht meinen Geschmack, weil er wie ganz normale Blutwurst schmeckt und zu wenig Graupen drin sind.
Meine Güte, war das lecker. Das ist kein Vergleich zu der bekannten Pausenkombi aus Tankstelle und McDonalds, wie ich sie aus Deutschland kenne. Zufrieden fahre ich weiter und die Regenkombi lasse ich im Gepäck. Nur wenige Meilen weiter treffe ich auf den Hadrianswall, den ich mir schon vor zwei Wochen ansehen wollte, es aber zu sehr geregnet hat. Heute nutze ich die Chance und parke die Green Cow am Zugang zum Brunton Turret, einem der alten Wachtürme des berühmten Römerwalls, der von der UNESCO sogar zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Als ich zehn Minuten später, die Stiefel voller Schafscheiße, über die kleine Holztreppe zurück zum Parkplatz steige, habe ich jeden Respekt vor der UNESCO verloren. Kurz darauf ist die Pleite mit dem Hadrianswall vergessen, denn ich fahre durch Blanchland, einen verzauberten kleinen Ort aus dem Mittelalter. Hätte ich nicht erst vor kurzem so gut gegessen, dann würde ich mich jetzt in den White Monk Tearooms setzen, der aussieht, als wenn der Sheriff von Nottingham dort regelmäßig zum Essen einkehrt. Inzwischen habe ich schon lange keinen Campingplatz mehr gesehen, ich weiß aber, dass es im North York Moors National Park einen gibt. Das kleine Dorf in der Nähe heißt Osmotherley. Das ist allerdings auch der einzige Zeltplatz im weiten Umkreis.
Mit nur einmal Verfahren finde ich den Cote Ghyll Caravan Park, der herrlich abgelegen mitten in der Pampa liegt.
Dummerweise ist heute Freitag und in der kleinen Rezeption drängen sich schon ein halbes Dutzend Urlauber, die fürs Wochenende einchecken möchten.
Englische Familien fahren gerne übers Wochenende zum Campen, so dass die Plätze Freitags oft ausgebucht sind und man auch deutlich mehr für die Übernachtung zahlen muss. Aber das erfahre ich erst in fünf Minuten...
Endlich bin ich an der Reihe und ein netter Typ in einem grünen Cote Ghyll Shirt fragt nach meinen Wünschen:
"So, how many persons?"
"Just me, the motorbike and a small tent."
"That's 20 pounds then."
"What...?!", rufe ich eine Spur zu laut, so dass auch andere Gäste auf unser Gespräch aufmerksam werden.
"Wow, that's brave. I'm on my way through England and Scotland for nearly three weeks now and I hardly ever paid more than eight pounds."
Ich bin aufgebracht und genieße inzwischen die ungeteilte Aufmerksamkeit der Neuankömmlinge in der Schlange hinter mir, die interessiert zuhören.
Wie ich später im Fettnäpfchenführer Großbritannien lese, ist mein Verhalten absolut daneben. In England bringt man seine Beschwerde nicht aggressiv und direkt vor, sondern formuliert sie zurückhaltend höflich und streut so oft es nur geht "Excuse me, but..." ein. Vielleicht hat mein kleiner Auftritt aber gerade deshalb solchen Erfolg, denn zum Ausgleich bekomme ich die Internet Flatrate für das WiFi geschenkt. Sie kostet sonst 3 £ pro Tag.
Der Platz ist fast ausgebucht und ich ergattere mit Pitch B17 die letzte freie Parzelle inmitten lauter Familien mit noch lauter lärmenden Kindern. Ich bin total genervt und baue ohne hochzugucken mein Lager auf.
Der letzte Hering steckt noch nicht im Boden, als es wieder zu regnen anfängt, aber jetzt kommt mir das gerade recht, um mich in mein Zelt zu verkriechen und den Reißverschluss von innen zuzumachen.
Es regnet den ganzen Abend über und ich mache es mir im Zelt gemütlich. Die Beine im Vorzelt, sitze ich auf meiner Therm-A-Rest und brate ein richtig tolles Abendessen aus Rumpsteaks vom Schaf und einem Entrecote.
Als gegen 22:30 Uhr die letzten Kinder in den Zelten verschwunden sind und auf dem Platz endlich Ruhe einkehrt, lege auch ich mich endlich schlafen.
Der teuerste Campingplatz meiner Reise ist zugleich der ätzendste und ich bin froh, wenn ich morgen früh hier weg bin. Aber wenigstens habe ich den Hadrianswall gesehen...
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