Tag 21 - Gt.Carlton - Great Yarmouth
Das Chisitts Deli in Mablethorpe ist so winzig, dass die Kunden draußen sitzen und nur einzeln am Tresen bestellen können. So früh am Morgen ist es aber der einzige Laden mit der Aussicht auf Kaffee.
Der merkwürdige Name der Bar rührt von dem örtlichen Dialekt um Skegness her und ist die Kurzform von "How much is it?", oder kurz: "Chissit?".
"One pound, please.", erwidert die junge Frau, die aus Indien stammen könnte.
"How much?", frage ich nach, weil ich glaube, mich verhört zu haben.
"One pound, please", wiederholt sie freundlich.
Ein Frühstück für 1,11 €. Und da heißt es immer, England sei ein so teures Reiseland, nein, diese Erfahrung mache ich auf meiner Reise nicht. Ich bin so verblüfft über den Preis, dass ich sogar vergesse, Tip zu geben, worüber ich mich hinterher ärgere. Knauserig little Me!
Besonders Mablethorpe muss bessere Tage gesehen haben. Bingohallen, Take Aways und Nagelstudios reihen sich in renovierungsbedürftigen Häusern aneinander und sorgen für Tristesse. Was mag mit diesem Ort geschehen sein?
Die Einrichtung gleicht der anderer Schnellrestaurants: Sachlich, praktisch, sauber und nicht gemütlich. Ich warte hinter dem Eingang an einem Schild darauf, dass ich platziert werde.

"If there's anything I can do for you, Miss, just shout." Sie nennt mich "Miss". Gut für mein Passing aber schlecht für alles sonst.
Die Gerichte auf der Speisekarte sehen vielversprechend aus und ich bestelle ein Steak and Ale Pie für 7,99 £ und Kaffee.
"Instant or ground?" fragt Jade, aber ich weiß nicht, was das bedeutet. "Ground? I don't know what it means. Is it filter coffee?", frage ich nach. Ja, ist es. Der Kaffee wird in einer dieser Selbstdurchdrückmaschinen serviert und schmeckt prima.
Das Essen ist entäuschend. Der Teig der Pastete ist fingerdick, so dass kaum Platz für die Füllung bleibt, eine Art Gulasch in Biersauce. Mein teuerstes Essen in England ist zugleich das schlechteste. Nein, tut mir leid, Jade, wir werden uns hier nicht wiedersehen. Außer ich darf dich abends mal von der Arbeit abholen.
Der Bureside Holiday Park kriegt mich an diesem Tag mit einem ganz andere Trick: Nachdem ich über acht Stunden unterwegs bin, suche ich einen Zeltplatz für die Nacht. Ein Schild "Campsite" an der Hauptstraße kurz vor Great Yarmouth zeigt nach rechts in die Pampa und ich folge ihm. Eine Entfernungsangabe ist nicht dabei. Es geht links und rechts, die Straßen werden immer kleiner. Nach guten zehn Meilen fahre ich über einen staubigen Sandweg zwischen Feldern hindurch und kann nicht glauben, dass ich hier noch richtig bin.
Bin ich aber, denn endlich erreiche ich den Bureside Holiday Park, der in Sachen Gastfreundlichkeit ganz eigene Akzente setzt. Der Platz steht auf einem ehemaligen Fabrikgelände und ist noch nicht ganz fertig gestellt. Dafür ist die Preisliste aber schon fertig und fordert tapfere 15 £ für eine Übernachtung im Zelt. Als ich mich beschwere, grinst der Typ am Tresen mich nur wortlos an. Wir wissen beide, dass ich jetzt nicht 16 km zur Hauptstraße zurückfahren werde, um mir einen anderen Platz zu suchen.
Schräg gegenüber zelten vier Typen, die den ganzen Abend Bierdosen öffnen, sich laut unterhalten und doof zu mir rüberglotzen. Nee, Freunde, auf euch hab ich nun gar keinen Bock. Als ich an ihnen vorbei zum Waschhaus gehe, mache ich mich noch ein paar Zentimeter größer als ich bin und habe vorsichtshalber sowieso meine Motorradklamotten angelassen. Es kommen aber keine dummen Sprüche und ich höre heraus, dass es Typen vom Militär sind, die hier ein Buddy Weekend verbringen und ganz in Ordnung sind.
Gute Nacht, Welt...
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