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Angeln und Schwansen

„Mit ohne die doofe Pantermie wärn wir jetz schön in Frankreisch und wörden Köpper üben, näh?!“, sinniert Pieps und sieht mich betrübt an. „Na komm, Mäuschen. Wir satteln Greeny und machen eine Tour nach Kappeln zum Heringsessen“

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Eine halbe Stunde später sind wir auf der B76 unterwegs nach Norden. Wir machen eine Tagestour durch Angeln und Schwansen. Der 250 ccm Einzylinder schnurrt wie ein Uhrwerk, die Gänge flutschen, alles läuft leicht und geschmeidig. Auch im elften Jahr fährt Greeny noch immer großartig.

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Kurz hinter Gettorf biege ich ab auf die Nebenstrecke. Wir machen einen Abstecher nach Holtsee in die berühmte Landkäserei. Pieps löchert mich schon ewig, dass wir da endlich mal reinschauen.

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Holtseer Käse kennt in Schleswig-Holstein jedes Kind, auch Pieps, aber wir waren bisher nie dort. Ich biege in die Dorfstraße ein und es wird klar, Holtsee ist die Käserei. Viel mehr als ein paar Bauernhöfe und das Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr gibt es nämlich nicht.

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Gegenüber der Käserei mit ihren großen Kühltürmen aus Edelstahl gibt es einen Werksverkauf, Die Käsekiste. Bevor wir losgefahren sind, hatte Claudia gelacht: „Passt bloß auf, dass ihr überhaupt einen Platz kriegt.“ Auf den Fotos im Internet sah der Laden nämlich völlig tot aus.

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Pustekuchen: Von acht Tischen draußen sind sechs besetzt. Handwerker, Radfahrer, ein Ehepaar mit Wohnmobil und Plastiklatschen.

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Natürlich ist auch hier Maskenball. Ich setze die Mund-Nasen-Maske auf und stelle mich brav mit 1,50 m Abstand in die Reihe. Pieps besetzt solange den vorletzten freien Tisch.

Vor mir stehen schon siebeneinhalb Meter Kunden. Dann bin ich dran. Zwei Landfrauen mit rosigen Bäckchen schmeißen den Laden. Die Beiden sind sichtlich gut gelaunt.

„Moin.“
„Moin.“
„Ich nehm ein Laugenspitz mit Holtseer Jung und ein Pott Kaffee.“
„Schuss Milch?“
„Jo.“
„Hier essen?“
„Jo.“

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Die Jüngere schiebt mir einen Zettel und Kuli über den Tresen. Ich muss Namen und Adresse dalassen. Zur Rückverfolgung der Infektionsketten. Wir leben in seltsamen Zeiten.

Ich trage unsere Beute raus an den freien Tisch. Das Laugenbrötchen ist dick mit Käse belegt und übertrifft alle Erwartungen. Meine Güte, ist das gut, und eine wahre Hauptmahlzeit dazu.

Am Nebentisch sitzen sechs Handwerker und schwatzen. Gerade haben sie die aktuellen Bierpreise am Wickel: „Wenn einer mehr wie elf Euro für ne Kiste Krombacher zahlt, dann macht er erngwas falsch.“

Der Mann am Kopfende schaltet sich zu, ein kleiner Typ mit Schirmmütze: „Neulich hatten sie die Kiste Carslberg im CITTI für elf Euro im Angebot. Dafür brauchs' nich' nach Dänemark fahren.“

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Vor der Käsekiste fährt ein nagelneuer Trecker vor. Ein Massey Ferguson aus der sechstausender Serie. Sogar mit Frontlader. Der Fahrer, ein wahrer Hühne in Latzhose und Gummistiefeln, steigt lässig aus der Kabine. Der Besitzerstolz steht ihm ins Gesicht geschrieben.

„Moin.“
„Moin.“

Sowie er im Laden verschwunden ist, nimmt das Gespräch eine neue Richtung. Der Bierpreis ist vergessen: „Seit wann hat er den denn nun? Was ist denn mit sein Fendt? Der war doch noch gar nicht so alt.“

„Massai Ferkelson, näh?!“, konstatiert Pieps mit Kennerblick. Mit Treckern kennt sie sich aus. Mit Baggern auch. Und mit Piraten, natürlich.

Man könnte stundenlang zuhören, aber wir müssen weiter. Ich stelle das Geschirr auf den Servierwagen, nehme meine Jacke und gehe.

Tschüss.“
Tschüss.“

Ich starte Greeny und setze den Helm auf, während die Enduro im Stand vor sich hintuckert. Zehn Minuten später kommen wir an Gut Altenhof vorbei. Ich bleibe im Schatten der Alleebäume stehen und knipse ein Foto vom Gutshof mit der Scheune und dem Herrenhaus.

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Die Kreisstraße endet an der B76 in Eckernförde. Ich biege links ab. Wir fahren dicht am Stand entlang. Von See weht eine steife Brise. Wir haben Ostwind. Im Sommer sorgt er für schönes Wetter ins Schleswig-Holstein und im Winter bringt er die Russenpeitsche.

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Vor dem Militärstützpunkt Eckernförde liegt Y861, die Kronsort, ein Mehrzweckboot der Schwedeneck-Klasse. Am Strand stehen kreuz und quer verteilt Strandkörbe und daneben ein heller Würfel, der aussieht wie ein Teleporter aus Raumschiff Orion mit Dietmar Schönherr.

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Die Dinger nennen sich Sleeperoo Cubes. Man kann darin Übernachten. Die Würfel sind momentan der letzte Schrei, zumindest wenn man den Medien glauben mag.

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Beim Windebyer Noor biege ich ab nach Schwansen. Die Halbinsel liegt zwischen Eckernförder Bucht und der Schlei. Entlang der Küste liegen die Campingplätze dicht an dicht, einer schöner als der andere.

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Ab und zu sehe ich mir einen dieser Plätze näher an. Für den Fall, dass ich im Alter auf dem Campingplatz wohnen möchte. "Svenja, Pieps und die Dauercamper", ein tolles Thema für einen neuen Blog, aber noch heißt es "Svenja, Pieps und Endurowandern". Und wenn es einmal soweit ist, dann läge mein Sehnsuchtsort vermutlich in Dänemark.

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Ich fahre weiter über Vogelsang-Grünholz, Thumby und Winnemark. Kurz vor Arnis ist zum ersten Mal die Schlei zu sehen. Die Schlei ist kein Fluss und kein Fjord, sondern ein Meeresarm, den wir der Eiszeit verdanken. Gefüllt ist er mit Brackwasser, also süß und salzig gemischt.

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Das Besondere an der Schlei sind aber weder Eiszeit noch Brackwasser, sondern dass die Gegend schlicht schön ist. Malerische Dörfer, Wasser, Wiesen, Kühe und Segelboote. Südlich der Schlei liegt die Halbinsel Schwansen, nördlich davon heißt es Angeln.

Es gibt vier Möglichkeiten, die Schlei zu überqueren, zwei Fähren und zwei Klappbrücken, und alle sind auf ihre Art besonders. Wir nehmen die Fähre in Arnis. Das Schiff ist winzig, aber das muss so sein, denn Arnis ist die kleinste Stadt Deutschlands.

Ich tuckere die Straße hinunter zum Anleger. Die Fähre liegt schon da und bevor ich ein Foto machen kann, winkt uns der Fährmann an Bord.

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Der Decksmann, ein Matrose mit schneeweißer Kapitänsmütze und Zigarillo, lotst uns nach vorne an die Rampe. Ich lasse den Gang drin und stelle den Motor ab. Abzusteigen lohnt sich nicht.

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Ein zweiter Matrose geht mit der Geldtasche rum und kassiert. Für Greeny, Pieps und mich kostet die Überahrt zwei Euro. „Don't pay the Ferryman until he gets you to the other side“, kommt mir in den Sinn, aber das Risiko ist überschaubar und ich zahle bar vor Abfahrt.

Fünf Kilometer weiter liegt Kappeln, mein persönlicher Lieblingsort an der Schlei. Und Pieps', denn hier gibt es die knusprigsten Heringe. Ich stelle Greeny auf dem Bikerparkplatz am Fuß der Klappbrücke ab.

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In diesem Moment schalten oben die Ampeln auf Rot. Ein durchdringendes Signal kündigt das Öffnen der Klappbrücke an. Diese Ampel ist eine der wenigen, die nicht einmal Kampfradler ignorieren. Obwohl ich das zu gerne einmal sehen würde.

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Während ein Dutzend Segelboote endlich weiter Richtung Ostsee fahren kann, wandere ich auf dem Fußweg unter der Brücke durch und ein Stück die Hafenpromenade entlang.

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Vom Wasser weht eine frische Brise, Fahnen knattern im Wind, und man könnte meinen, dass jeden Augenblick der Landarzt um die Ecke kommt.

Ein Fischrestaurant steht neben dem anderen. Von sämtlichen Tellern hat man einen tollen Blick auf die Schlei, doch mir ist heute nicht nach Kellner, Kännchen und Bedient-werden. Ich will zu Jutta.

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Juttas Fischpavillon ist eine Institution in Schleswig-Holstein, gerade weil es keine Institution ist, sondern bloß ein Fischimbiss in Kappeln am Hafen. Viel Fisch, null Schickimicki.

Die kleine Bude ist wie immer gut besucht. Die Gäste bilden zwei Gruppen. Die Einen stehen brav an und warten bis sie an der Reihe sind, und die anderen lungern seitlich vom Eingang und warten, dass ihre Bestellung aufgerufen wird: „Zweima' Heringsteller Bratkartoffeln is' färtich.“

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Pieps und ich nehmen, was wir hier immer nehmen: Drei Schleiheringe mit Bratkartoffeln. Es dauert eine Weile, aber dann schallt es aus der Bude: „Ei'mah die Heringe!“

Ich hole unser Essen und stelle den Teller auf die Kaimauer. Wir essen mit Blick auf die Gotland, einen Traditionssegler, der in Kappeln seinen Heimathafen hat.

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Die Heringe sehen prächtig aus. Ich klappe sie an der Bauchseite vorsichtig auf und ziehe die Mittelgräte inklusive der Schwanzflosse raus. Alles was jetzt noch an Gräten im Fisch ist, kann man getrost mitessen. Die merkt man kaum.

Der Hering ist ein Fettfisch und knusprig gebraten ein Gedicht. Kaum zu glauben, dass dieser Fischteller nur 6 Euro kostet. Dafür gab es in der Schweiz eine Bratwurst und auf Island einen halben Cheeseburger.

Allein die Bratkartoffeln sind anders als sonst. Da fehlt was: Der Speck! Das haben wir vermutlich denselben Typen zu verdanken, die schon den Speck aus dem Schaschlik geklagt und durch Gemüse ersetzt haben.

Welch ein Tag: Motorradfahren, ein paar Bilder machen, Kaffee trinken, fetten Fisch essen, dabei in der Sonne stehen und schwitzen.

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Kappeln ist der nördlichste Punkt unserer Tagestour. Von hier sind es bloß noch 48 km bis Dänemark, aber heute bauen wir kein Zelt auf, sondern drehen um und fahren wieder nach Hause.

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Auf dem Rückweg überqueren wir die Schlei auf der Lindaunisbrücke. Diese Klappbrücke ist ein Unikum. Fast hundert Jahre alt und jeder in Schleswig-Holstein kennt sie. Die Brücke taucht nämlich immer wieder in den Verkehrsmeldungen auf: „Stau vor der Brücke Lindaunis.“

Ich liebe diese alte Brücke. Es ist jedesmal ein Erlebnis, mit dem Motorrad zwischen den Gleisen zu balancieren. Die Lindaunisbrücke spielt nicht nur im Landarzt eine Rolle, sondern auch in Werner – Volles Rooäää!!!.

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Leider soll sie bald abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Vielleicht bin ich heute zum letzten Mal über die Brücke geheizt, immer mit dem misstrauischen Blick, ob nicht doch mal ein Zug von vorne kommt. „Wer zuerst ausweicht ist ein Weichlappen, ätsch!“

Die letzten Kilometer durch Schwansen fahre ich auf der Nebenstrecke der Nebenstrecke, Stubbe, Rieseby, Barkelsby, Eckernförde.

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Schleswig-Holstein ist schön. Besonders die Schlei, Angeln und Schwansen sind wahre Filetstücke, auch wenn ich inzwischen fast jeden Kilometer zu oft gefahren bin und nur noch selten Tagesausflüge mache.

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Ich rangiere die KLX in ihre Box in der Tiefgarage und ziehe den Schlüssel ab. Das hat Spaß gemacht. Die erste Tour mit Greeny seit dem Ausflug nach Sønderborg vor einem Jahr. Lieber wäre ich jetzt in Frankreich unterwegs, in Norwegen, Dänemark, oder Schweden, aber solange noch fast überall Covid-19 Abstands- und Maskenball ist, bleiben wir im Lande, Greeny, Pieps und ich.

Und bei euch so?



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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.