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Mikroabenteuer Sønderborg

Anderthalb Jahre stand Greeny unbeachtet im Keller unter ihrer Plane, doch heute geht es wieder los. Wir fahren für ein paar Tage nach Dänemark. Ein Mikroabenteuer zu Saisonbeginn. Das erste Mal sind Pieps und ich ohne Zelt unterwegs. Ich habe uns eine Hütte auf dem Campingplatz in Sønderborg reserviert.

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Zelt vs Hütte vs Zimmer. Jede Übernachtungsart hat ihre Vor- und Nachteile. Heute testen wir meine Theorie zum Thema Hütten­über­nachtung. Es ist der letzte Montag im April und ich tuckere mit Greeny und Pieps über das Kopfsteinpflaster unserer Straße in Richtung Mikroabenteuer. Ich freu mich wie verrückt auf unsere Tage in Dänemark.

Beschreibung Eigens für diese Tour und um meine - unzwei­felhaft brillante - Hüttentheorie zu beweisen, habe ich eine kleinere Gepäckrolle besorgt, ein Ortlieb Rack-Pack M mit 31 Litern Volumen. Und tatsächlich: Die Tasche ist nicht einmal ganz voll, obwohl ich einen Schlafsack dabei habe.
Platzhalter Der blaue Beutel oben drauf ist für Nass & Dreckig. Darin liegen meine Regensachen, ein Paar warme Handschuhe und das Kettenspray.

Auf der Nebenstrecke fahre ich von Kiel in Richtung Kappeln. Ich mag die kleine Hafenstadt an der Schlei. Kappeln ist mein Geheimtipp, wenn man gut und einfach Fisch essen will. Beides ist häufig dasselbe.

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"Fietes Fisch & Bier", steht draußen an einer Bude. Kein Fischer würde so einen Blödsinn hinschreiben wie "Aus Neptuns Reich", oder "Fisch und mee(h)r". Auf sowas stehen die hier nicht. Einfach Fisch. Nur manchmal, wenn sie angeben wollen, betrunken sind, oder beides, dann schreiben sie Fische, Plural.

Beschreibung Die besten Heringe gibts in dieser kleinen Imbiss­bude unter der Klappbrücke am Hafen. Eine Mörderportion Bratkartoffeln, Speck und Zwiebeln für 6,50 Euro. Dafür gibts bei Starbucks gerade mal einen Frappuccino Strawberry Cream.

Ich stell mir Fiete vor, wie sie versuchen, ihm einen Pott Kaffee für sechs Euro zu verkaufen. Ich schätze, so viel Action gabs zuletzt, als Fiete an Silvester besoffen mit seinem Trecker in die Eingangstür vom Puff gedonnert ist. Aber das ist eine andere Geschichte. Wir müssen weiter. Auf uns wartet eine Hütte.

Mir ist kalt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren fahre ich wieder in einer Lederjacke, in einer total coolen, mit Nieten und Tattoos. Trotzdem ist mir kalt. Ein steifer Nordostwind bläst und es sind nur 10 ˚C.

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Durch Mehlby und Sörup fahre ich weiter über Gammelbyholz bis nach Flensburg. Ich mag unsere sachlichen Schleswig-Holsteiner Ortsnamen. Die sind nicht so albern wie Unterafiesl, Niederbumberg, oder Ober-Pabneukirchen.

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In Flensburg fahre ich die Straße Norderhofenden am Hafen entlang bis zum Grenzübergang Kupfermühle. Seit die Dänen ihre Grenzkontrollen wieder aufgenommen haben, scheinen sie selbst jedes Jahr weniger Freude daran zu haben. Im ersten Jahr musste ich noch kurz anhalten, im zweiten wurde ich schon durchgewunken und heute sitzt ein junger Grenzer sichtlich gelangweilt auf einem Camping­stuhl und schaut nicht einmal hoch, als ich im ersten Gang über den Speedbumper an seiner Kontrollstelle hoppele. Wir sind in Dänemark.

In Kruså halte ich am Geldautomaten der Sydbank und ziehe 700 dänische Kronen aus der Wand, etwa 95 €. Noch weiß ich nicht, dass ich 600 davon wieder mit nach Hause bringen werde. In Dänemark braucht man kein Bargeld. Jede kleinste Summe lässt sich berührungs­los mit der Kreditkarte zahlen, ohne dass man schief angesehen wird. Ich stell mir gerade vor, wie ich im Kiosk in Kiel sage: "Mit VISA-Karte, bitte". Den Stunt versucht man nur einmal.

An der größten - und einzigen - Kreuzung in Kruså biege ich auf die Landstraße nach Sønderborg ab. Sofort umfängt mich diese eigentümliche dänische Stimmung, die abseits der großen Städte das ganze Land wie Watte umgibt. Die Uhren scheinen langsamer zu ticken, die Menschen sind ruhiger, bedächtiger, und besonders die Autofahrer verhalten sich anders, rücksichtsvoller und verant­wortungs­bewusster, als säße ständig ein unsichtbarer Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz.

Dabei können sie einem aber auch den letzten Nerv rauben. In Dänemark darf man 80 km/h auf Landstraßen fahren und trotzdem läuft man nach kurzer Zeit auf einen Dänen auf, der auf einer endlosen Geraden bis zum Horizont nur 68 fährt: "Nein, nein, das lohnt sich nicht. Da kommt eine Kurve in 3 km und da will ich nicht rausfliegen." Diese Kurve ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen, weil sie sich nahtlos in die Erdkrümmung einfügt. Oder wenn sie dir an der Landstraße Vorfahrt gewähren. Du bist aber noch zwei Kilometer weg und kriegst so ein schlechtes Gewissen, dass du unwillkürlich Gas gibst, um ihn nicht verschimmeln zu lassen.

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Eines Tages werde ich eine Glosse schreiben mit dem Titel:

"Du weißt, du bist in Dänemark, wenn..." Kurzum: Dänemark ist unglaublich. Hier leben die sympatischsten Menschen, die ich kenne. Nirgends fühle ich mich sicherer und geborgener, als in Dänemark.

Gegen Mittag erreiche ich Sønderborg. Gleich hinter der Kong Christian Brücke biege ich nach rechts ab zur Hafenpromenade. Die Stadt ist wie aus dem Ei gepellt. Eine ganze Reihe fröhlich bunter Jugendstilhäuser blickt mit heiterer Miene aufs Wasser.

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Ich stelle Greeny ab und wandere mit dem Fotoapparat in der Hand die Promenade entlang. Für diese Tour habe ich mir eine fotografische Aufgabe gestellt: "One adventure, one lens", die ganze Fahrt also mit nur einer Linse zu fotografieren, einem 50 mm Normalobjektiv. Ich stehe auf Festbrennweiten. Auf diese Weise muss man mit den Füßen zoomen und das Motiv ins Format tanzen, bis es sitzt. Eine Spielerei, aber es macht einfach Freude, ein Bild auf diese Weise aufzubauen.

Allerdings habe ich zum Testen eine weitere Kamera dabei, eine DJI Osmo Pocket, eine Minikamera mit Gimbal. Ich will ausprobieren, wie gut ich sie auf Reisen gebrauchen kann. Dann entscheide ich, ob sie im Sommer vielleicht mit uns nach Frankreich darf.

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Wenige hundert Meter weiter liegt Sønderborg Camping. Ich stelle Greeny an der Rezeption ab und gehe hinein. Der Campingwart hinterm Tresen ist so freundlich, dass meine ohnehin schon gute Urlaubsstimmung gleich noch um zwei Klicks ansteigt. Pieps ist hingerissen von dem Wald aus Reklameschildern für Eiscreme aller Sorten, Größen und Farben. Wir haben endlich Urlaub.

Ich zahle für vier Nächte im Voraus und bekomme den Schlüssel mit der Nummer 6 für eine "Hyggelig lille hytte til 2 personer". Pieps ist ganz aus dem Häuschen, als ich die Tür auf­schließe und wir einen ersten Blick in unsere gemütliche kleine Holzhütte werfen.

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Das Bett ist im Nu gemacht. Ich hätte Bettwäsche für die vorhandene Decke mitbringen können, aber stattdessen habe ich mich für unseren Schlafsack und einen Kissenbezug entschieden. So haben wir unser vertrautes Bett, als wenn wir im Zelt schlafen würden.
Sicher ist sicher.

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Es gibt zwei schmale Betten, einen runden Bistrotisch mit zwei Stühlen, ein kleines Regal und einen winzigen elektrischen Heizkörper. Viel Platz ist nicht, aber mehr als im Zelt auf jeden Fall und dazu noch urgemütlich.

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Sowie alles eingeräumt ist und Pieps ausgiebig auf den frisch gemachten Betten herumge­hopst ist, schnalle ich den leeren Tankrucksack aufs Motorrad und fahre einkaufen. In Sønderborg gibt es mehrere große Supermärkte, aber ich will zu einem ganz bestimmten, zum SuperBrugsen in Høruphav.

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SuperBrugsen ist ein Købmand auf Steroiden, ein original dänischer Kaufmannsladen im Format eines Supermarktes, und wie so oft im Ausland, beschämt mich die Auswahl auch hier. Während es zuhause eher um ok, aber günstig geht, stehen hier die Qualität und das Besondere im Vordergrund. Allein die Auswahl unterschiedlicher Kartoffelsorten haut einen um. Mit billig wird keine davon beworben.

Ich kaufe zwei Scheiben Entrecôte beeindruckender Größe, die uns aus gelben Fettaugen verführerisch ansehen, dazu eine Handvoll brauner Champignons, ein Glas Sauce Bernaise und ein Sixpack Carlsberg Bier. So schnell es nur geht, heize ich die 8 km zurück zum Camp. Heizen bedeutet in diesem Fall knapp unter 90 km/h.

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Auch wenn wir ohne Zelt auf Tour sind, habe ich trotzdem unsere Bratpfanne, den Kocher und das karierte Tischtuch eingepackt. Ich trage alles rüber in den Aufenthaltsraum und decke uns den Abendbrottisch. Eine Viertelstunde später sitzen Pieps und ich vor dem ersten Entrecôte. Nummer zwei mit Pilzen ist noch in der Pfanne. Nach der üblichen kurzen, aber nicht minder heftig geführten Auseinandersetzung um das erste Fettauge, machen wir uns endlich über das Steak her. Ob es an dem guten Fleisch, oder nur an der Urlaubslaune liegt, weiß ich nicht, aber es schmeckt uns grandios.

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Nach dem Essen sitze ich bei einer Miniflasche Wein und schreibe Tagebuch, während Pieps in einem Pixibuch liest, das sie von ihrer Tante Irina zu Weihnachten bekommen hat. Von Tante Silvia hat sie den weinroten Collegepulli mit dem P darauf bekommen. Den hatte die kleine Maus in irgendeinem Teenyfilm gesehen und sich genau so einen gewünscht, worauf er auf Maß gestrickt werden musste.

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Die Inselrundfahrt

Welch ein schöner Morgen. Die Sonne scheint, die Vöglein singen und es ist schweinekalt. Ich habe prächtig geschlafen. Noch leicht zerknittert wandere ich mit dem Handtuch überm Arm zum Waschhaus. Ich gebe den Türcode ein, der Summer gibt das Schloss frei, und ich stoße die Tür auf. Aus unsichtbaren Laut­sprechern tönt Gute-Laune Popmusik. Ich mag das, auch wenn es heute Nacht um halb drei, als Pieps mal musste, ein wenig überraschend war.

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Sønderborg ist der größte Ort auf Als und heute will ich eine Rundtour um die Insel machen. Das dürften etwa 100 km werden. Mit frisch geputzten Zähnen und einer Minimalausstattung an Makeup im Gesicht setze ich mich auf die Enduro und lasse den Motor an. Es ist immer wieder erstaunlich, wie leise die Maschine läuft. Hopser mit seinem Arrow Titan Auspuff ist dagegen wesentlich rabaukiger.

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Ich ahnte, dass an einem Dienstagmorgen lange vor Saisonbeginn wenig Verkehr sein würde, aber dass die Straßen so verlassen sein würden, erstaunt mich doch. Völlig ungestört ziehe ich meine Bahn über die Insel. Es ist eher ruhiges Dahintuckern, als engagiertes Fahren und passt zu meiner Stimmung.

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Plötzlich und völlig unvermutet endet die Teerdecke und der Weg geht in Schotter über. Die Piste schlängelt sich kurvig, hoch und runter durch einen Buchenwald. Ich gebe Gas und lasse die Enduro in engeren Kurven mit dem Heck ausbrechen. Greeny fehlt die Power für echte HighSpeed Drifts und der TKC80 Stollenreifen hat zuviel Grip, aber den beiläufigen Powerslide in engen Kurven kriegen wir hin.

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Ich biege ab auf den Strandvej. Ich mag es, wenn Straßen sprechende Namen haben. Kurz darauf stehe ich am Strand. Während Pieps im Sand nach Muscheln und toten Krebsen sucht, klingelt mein Handy. Claudia. Sie fährt jetzt in Kiel los und kommt uns besuchen.

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Auf dem Rückweg ins Camp halte ich beim Fischhändler in Höruphav und kaufe eine Markele und etwas Lachs zum Abendbrot. Pieps hat entdeckt, dass sie keinen "Füsch" mag. Es ist zum Verzweifeln, Kinder mögen jeden Tag etwas anderes und dafür etwas anderes nicht mehr. Mit einem Seufzer lasse ich für sie ein paar frisch gebratene Frikadellen aus der heißen Theke einpacken.

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Schon als ich in die Marina Alé zum Campingplatz einbiege, entdecke ich Claudias Twingo. Sie ist in 90 Minuten von Kiel hergeflogen. Hatte ich etwa vergessen, "Fahr schön vorsichtig!" zu sagen? Wäre es dann sogar meine Schuld, wenn sie geblitzt worden wäre?

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Sowie Claudia eingezogen und ihr Bett gemacht ist, gehen wir hinunter zur Marina. Es weht ein eiskalter Nordwind und ich bin froh, dass es nur ein paar Schritte die Straße runter sind. Heute ist Krantag im Sønderborg Lystbådehavn. Die Boote der Freizeitskipper werden mit dem Hafenkran zu Wasser gelassen. Morgen ist 1. Mai und viele deutsche Segler machen rechtzeitig zum Feiertag ihre Boote klar.

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Inzwischen bin ich völlig durchgefroren und hab keine Lust mehr auf am Wasser sein. Wir gehen zurück ins Camp und ich decke uns den Abendbrottisch. Es gibt Rundystykker, wie Brötchen in Dänemark heißen, eine Leberpastete, geräucherte Makrele, Stremellachs und Frikadellen. Bevor noch jemand "Mahlzeit!" sagen kann, macht sich Pieps mit Heißhunger über den edlen Räucherlachs her. Resigniert beiße ich in eine Frikadelle.

Fazit

Das hat Spaß gemacht. Wir verbringen herrliche Tage in Dänemark, spazieren, lesen, spielen stundenlang Rummikub, trinken Kaffee, essen dänische Cremetörtchen, reden uns die Köpfe heiß über Vor- und Nachteile einiger Ausrüstungsgegenständ, braten Entrecôte, sitzen im Café, schweigen, lachen, schlafen, und haben einfach eine gute Zeit.

Als ich am Freitag nachmittag wieder zuhause bin und den Motor abstelle, denke ich, sowas könnte man wirklich häufiger machen, solch ein Mikroabenteuer.

Und ihr so?



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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.