Abenteuer vs. Reisetreue

Vor jeder neuen Motorradsaison sinniere ich, wohin es gehen soll. Wo sind wir noch nicht gewesen? Welche neuen Ziele sind für uns auf dem Motorrad erreichbar? Oder bleiben wir reisetreu und fahren erneut an einen unserer Glücksorte, die wir bereits kennen und lieben?

Am Anfang war es völlig klar: Wo war ich noch nicht? Genau da will ich hin! Auf diese Weise hat sich im Lauf der Reisejahre eine Handvoll magischer Länder, Orte, Camps und Pisten ergeben, wo es so schön ist, dass wir da immer wieder hinwollen. Glücksorte eben. Glücksorte sind Orte zum immer Wiederkehren. Mit jedem neuen Besuch wächst die Verbundenheit und irgendwann fühlt es sich an wie ein zweites Zuhause. So etwas gibt man nicht leichtfertig auf.

In den meisten Ländern, die mich interessieren und mir im Sattel meiner Enduro erreichbar erscheinen bin ich gewesen, von Irland bis Litauen, von Südfrankreich bis Island. Beim ersten Besuch ist alles neu, aufregend und interessant, aber dann kristallisieren sich einige Orte heraus, wo man sehr gerne wieder hin möchte. Und dann wieder. Die Liste hat nur wenige Einträge und ganz selten kommt ein Neuer dazu. An manchen Orten werden wir schon freudig begrüßt. Man kennt uns dort. Vor allem Pieps … Inzwischen wird der Drang nach dem Neuen, dem Unbekannten mehr und mehr von der Freude am Wiedersehen verdrängt und dem warmen Gefühl der Vertrautheit. Es fühlt sich fast an, wie nach Hause zu kommen.

Den Platz, wo ich unser Zelt hinstelle, kenne ich schon. Ich weiß, wo es morgen früh Croissants gibt, wie lange die Dusche läuft, bevor man eine Münze nachwerfen muss, und natürlich wo der Boucher mit den fettesten Entrecôtes wohnt. Pieps weiß, welche Schaukel am höchsten schwingt, wo der beste Platz zum Köpper üben ist und wo es Körscheis auch zum Anschreiben gibt: „Auf Mama ihr'n Deckel! Und noch 'ne Cola extra." Es sind viele Kleinigkeiten, die einen Glücksort ausmachen. Die Strecke dorthin, die Landschaft, das Camp und die Herzlichkeit der Campingwirte, das lokale Bier, der Brötchenservice, alles und nichts spielen eine Rolle.

Manche Plätze sind für Pieps und mich zu Sehnsuchtsorten geworden: „Ich kann es kaum erwarten, nach Møn zu kommen, ins Camp Hautoreille oder nach Beynac im Périgord Noir“, denken wir in der dunklen Jahreszeit zu dreien unseren Glücksorte hin.

Früher habe ich Leute belächelt, die jedes Jahr an denselben Ort reisen, denselben Campingplatz, dasselbe Apartment, denselben ollen Gardasee. Inzwischen verstehe ich. Man möchte so einen Platz nicht aufgeben, will ihn nicht wieder hergeben, will verbunden und bekannt bleiben. Andererseits gibt es noch so viel Neues zu entdecken, neue Länder, Pisten und Orte, wo wir noch nicht gewesen sind, unbekannte TET-Strecken, auf die wir noch keinen Stollen gesetzt haben. Länder, wie Kroatien, Spanien, die Slowakei und viele, viele weitere, die Stoff für interessante Abenteuer und damit auch Geschichten bieten.

Doch dann sind da unsere Glücksorte, wo wir so gerne sind und wo man uns schon kennt. Zumindest an Pieps wird sich der Eismann in Beynac erinnern. Ich glaube, da ist noch ein Deckel offen … Fazit
In meiner Brust schlagen zwei Herzen: Eines möchte Neues erleben, neue Länder, fremde Sprachen, Landschaften, Essen und Kulturen kennenlernen, das andere möchte dahin, wo wir uns wohlfühlen, an einen unserer Glücksorte in Dänemark, Frankreich und Schweden, nach Møn oder zu Monsieur Benjamin ins Camp Hautoreille oder in das Camp im Parc Morvan mit Gérards Bar und Leffe Blonde unterm Strohdach. Es geht letztlich darum, eine Balance zu finden zwischen Reiseabenteuer und Reisetreue.

Was ist euer Weg? Reiseabenteuer oder Reisetreue?

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