Tag 14 - Fort Augustus - Ballater
Wenn ich die Übernachtung in der Lodge mit der in einem beliebigen B&B vergleiche, dann sind 25 £ für den Bunkroom echt frech. Das Zimmer ist winzig klein, das Gemeinschaftsbad liegt im Gang und zum Frühstück gibts Hühnerfutter mit H-Milch und Nescafe. Never again...
Ich schütte den halb ausgetrunkenen Pulverkaffee in den Ausguss, spüle die Tasse aus und mache mich endlich auf den Weg.In Fort Augustus setze ich mich in die Scots Kitchen und bestelle frischen Kaffee mit drei Scheiben Toast und Butter. Der Ruhetag in der Lodge war nicht das Richtige für mich. Ich schlafe lieber im Zelt, weil ich mich dort nicht als Gast fühle und immer irgend etwas zu tun ist. Außerdem ist das Essen um Längen besser. Als ich kurz darauf am Ostufer des Loch Ness in Richtung Inverness fahre, bin ich froh, endlich wieder auf dem Motorrad zu sitzen. Die ersten Kilometer lasse ich die Green Cow so richtig fliegen und wir heizen über die Cattle Grids, ohne Gas wegzunehmen. Nur ein lautes "Rrrrmpf" ist zu hören, wenn wir eines der 2 m breiten Gitter überfahren. Nach einer halben Stunde komme ich an einem wunderhübschen Café vorbei. Ich wende die Maschine und fahre zurück. Das Waterfall Café gehört zu Foyers und liegt mitten im Wald. Seinen Namen hat es von den Foyers Falls, die in einer Schlucht gegenüber liegen. Beim Öffnen der hölzernen Eingangstür erklingt ein kleines Glöckchen über meinem Kopf. Der Raum ist mit dunklem Holz geschmackvoll eingerichtet, was durch zwei Kronleuchter an der Decke noch unterstrichen wird.
"Good morning. I'd like to have coffee, please." gebe ich meine Bestellung auf.
"You'd like to have filter coffee?" Erst jetzt fällt mein Blick auf die Kaffeemaschine hinter dem Tresen. Es ist eine ganz gewöhnliche Haushaltskaffeemaschine, aber hier ist sie etwas Besonderes, weil Kaffee sonst häufig Nescafé bedeutet.
Ich mache eine freundliche Bemerkung über das schöne Café und frage, ob ich das Regal mit den Büchern fotografieren darf.
Es ist ein Book Swap, ein Büchertausch, wie ich ihn in England schon mehrfach gesehen habe. Man kann die Bücher tauschen, oder bezahlt 1 £ pro Buch. Der Erlös kommt wohltätigen Zwecken zugute. Sogar in einer Tankstelle habe ich solch ein Book Swap Regal schon entdeckt. Eine tolle Idee!
Nach einem kurzen Smalltalk trage ich das Tablett mit dem Kaffee hinaus auf die Terrasse. Welch ein wunderschönes Gefühl es ist, Urlaub zu haben, an diesem Morgen hier zu sitzen, Kaffee zu trinken und dabei auf den Wald und mein Motorrad zu glotzen. Oh, ich liebe es.
Urwald in Schottland am Loch Ness
Die Packhorse Bridge in Carrbridge
Den Rest besorge ich bei CoOp und verstaue den gesamten Einkauf im Tankrucksack: Zwei RibEyes, eine Dose Baked Beans, ein Bier und einmal Flake Allure von Cadbury. Falls es ein perfektes Dinner für Svenja auf Reisen gibt, dann ist es dieses. Am Ortsrand von Ballater betreibt die örtliche Kreisverwaltung, das Aberdeen Shire Council, einen öffentlichen Campingplatz. Der Ballater Caravan Park liegt am Ufer des River Dee und man kann von dort aus bequem zu Fuß ins Dorf gehen. Als ich mein Zelt aus dem Ortliebsack auf den Rasen schüttele, klatscht es als nasser, bunter Klumpen ins Gras. Da ist noch jede Menge Liquid Sunshine aus Fort Augustus drin, aber sowie ich das Zelt aufgebaut habe, trocknet es innerhalb weniger Minuten in der Sonne.
Inzwischen ist es total warm geworden und ich tausche die Motorradsachen gegen einen Jeansmini, Shirt und Ballerinas. Jetzt will ich Contest weiterlesen. Ich muss unbedingt herauskriegen, welcher von den Außerirdischen den Kampf gewinnt. Das Buch ist gerade so mega spannend.
Kennt ihr das schöne Gefühl, mit einem Buch in der Sonne zu liegen, es mit einem Arm in die Wolken zu halten und dabei zu lesen? Das ist ein absolut perfekter Tag heute.
Gerade als ich an der Stelle bin, wo das Riesenmonster erwacht und der Doktor mit seiner Tochter in den Fahrstuhlschacht flieht, höre ich ein Motorrad. Ausgerechnet jetzt! Aber natürlich bin ich neugierig und gucke.
Ein kleiner zarter Mensch auf einer BMW GS650. Zuerst denke ich an eine Frau, aber nein, es ist Terry aus Sheffield. Terry ist 79 Jahre alt und noch immer auf seiner Enduro mit Zelt und Schlafsack unterwegs. Er ist sofort mein Hero, denn damit ist für mich die Frage beantwortet, wieviele Jahre ich auf diese Art noch reisen kann. Während Terry sein Lager aufstellt, verschwinde ich im Waschhaus um den Renovierungsstau der vergangenen Tage zu beheben. Mein gesamtes Wasch- und Repairzeug und sogar die kleine Tube Haarkur, die ich mir bei Rossmann in Kiel gekauft habe, begleiten mich in die Dusche. "Heute bist du dran, Baby.", denke ich, denn meine Haare sind schon total strohig und trocken. Waschen reicht da nicht, die müssen zur Kur. Nach einer guten Stunde und einer halben schwebe ich in einer Duftwolke von Jil Sander frisch geduscht, gepflegt, enthaart und gecremt zurück zum Zelt. Nach dem Abendessen unterhalte ich mich mit Terry. Er ist wirklich ein feiner Kerl, nur mein Name bereitet ihm einige Schwierigkeiten, weshalb ich für ihn "Svenska, the police lady" bin. Im Übrigen teilt er mein Misstrauen gegen Goretex und bringt es in einem einzigen Satz genial auf den Punkt: "It just delays the time when you get wet."
Etwas später am Abend wird Terry unruhig, weil er unbedingt noch ins Pub will und er fragt mich, ob ich ihn begleite. Nein, heute werde ich passen, was sich am nächsten Morgen als klug herausstellt, weil Terry kaum aus seinem Zelt herausfindet, so verkatert ist er. Typisch Jungs eben...
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