Tag 10 - Gairloch - Scourie
Brrr...ist das kalt morgens in den Highlands. Zwar verspricht es ein schöner, sonniger Tag zu werden, aber noch sind es erst 7°C, als ich das Motorrad zum ersten Mal anhalte, um ein Foto zu machen.
Heute geht es durch die Western Highlands nach Ullapool und dann weiter nach Norden. Ich bin schon jetzt gespannt, wo ich an diesem Freitagabend meine Steaks braten werde.
Morgens um acht in den Highlands nahe Gairloch
Also Gas weg, runterschalten, 5.4.3.2.1. Gang, wenden, kurzes Stück zurückfahren, wenden, anhalten. Dann gibt es noch die deLuxe Version mit Absteigen und Motor aus, aber meistens bleibe ich auf der Maschine sitzen während ich meine Fotos schieße.
Auf dem Weg nach Ullapool irgendwo am Wester Ross Trail...
Western Highlands: Die Landschaft erinnert mich an Norwegen
Immer wieder lege ich kurze Pausen zum Staunen und Fotografieren ein
Western Highlands Scotland, irgendwo in der Ferne wartet Ullapool
Ich muss tanken und will mich danach auf die Suche nach einem guten Frühstück machen. Die Tankstelle ist kaum zu übersehen. Strahlend gelb leuchtet die Gleaner Filling Station in der Sonne, während darüber blauweiß das Saint Andrew's Cross weht, Schottlands Nationalfahne.
Gute 5 l Unleaded passen diesmal in den Tank der KLX. Gedankenverloren verstaue ich den Kassenbon in meinem Reisetagebuch, als ich plötzlich von hinten angesprochen werde: "Svenja!". Es liegt kein fragender Unterton in der Stimme, sondern klingt sich ihrer Sache sicher.
Ich drehe mich um und sehe, ja wer ist denn das? Kenne ich nicht. Zwei Männer, zwei Frauen und zwei BMW GS mit deutschen Kennzeichen. Wie sich herausstellt, kennen wir uns aus einem Motorradforum im Internet und sie haben die Green Cow erkannt.
Wir unterhalten uns über die weiteren Reisepläne und sind uns sicher, dass wir uns wiedersehen werden, denn wir wollen alle nach Durness. Mir fällt auf, dass die Frauen sich total schön geschminkt haben mit ausdrucksstarken Augen, Lippenstift und etwas Foundation. Endlich normale Menschen, denke ich, denn auch ich würde never ungeschminkt losfahren. Nach dieser unverhofften Begegnung fahre ich auf der Shore Street am Wasser entlang und stelle das Motorrad am Hafen ab. Im Vorbeifahren habe ich ein Schild entdeckt, das sofort meine volle Aufmerksamkeit hat: "The Chippy. Winner best UK take away. BBC Radio 4 Food and Farming Awards."
Das klingt ja super und ich bin gespannt, was mich erwartet. Der Laden ist geradezu klinisch sauber und scheint eben erst geöffnet zu haben, denn es dauert eine ganze Weile, bis jemand kommt und nach meinen Wünschen fragt. Inzwischen hatte ich genügend Zeit, mir in Ruhe etwas Leckeres auszusuchen: "Haggis and Chips, please."
Es scheint sich dabei jedoch nicht um ein klassisches Frühstück zu handeln, jedenfalls wird es morgens noch nicht ausgeschenkt. Stattdessen nehme ich ein Full Breakfast take away und setze mich damit draußen in die Sonne. Das Frühstück ist ok, aber mehr auch nicht. Es macht keinen Spaß, black pudding mit Plastikbesteck aus einer Styroporschale zu gabeln. Satt werde ich trotzdem und es ist ein tolles Gefühl, an diesem schönen Morgen draußen zu sitzen und noch ein paar tausend Kilometer Premiumurlaub vor sich zu haben. Bevor ich in Ullapool losfahre, rufe ich noch kurz in Kiel bei meiner Freundin Claudia an. Sie ist ganz aufgeregt, weil sie auf Google Streetview eine interessante Route entdeckt hat, die sie mir wärmstens ans Herz legt: Ich soll auf dem Weg nach Norden hinter dem Ardvreck Castle nach links auf die A837 fahren, die mich auf Umwegen an der Küste entlang später wieder zurück auf die Hauptstrecke nach Norden führen wird. Nach einer halben Stunde taucht in der Ferne die Ruine von Ardvreck Castle auf. Hier hat der Clan der MacLeod den Marquis of Montrose gefangen gehalten, der in dem Film "Rob Roy" von John Hurt gespielt wurde. Wenn das wirklich so ein fieser Möb war, dann geschah ihm das nur recht, denke ich, auch wenn ich es total gemein finde, dass sie ihn später gevierteilt haben... Ich halte kurz an und bei laufendem Motor überlege ich, ob ich die 51 km lange Strecke über Lochinver fahren soll, oder ob ich einfach weiter der Hauptstrecke nach Scourie folge. Ich rechne kurz nach, ob ich mit dem Benzin hinkomme, denn vor Scourie wird es vermutlich keine Tankstelle geben. Ja, das Benzin wird reichen und für den Notfall habe ich den 1,5 l Reservekanister. Ich fahre zurück auf die Straße und nehme die A837 in Richtung Lochinver.
Auf den ersten Kilometern ist die Single Track Road noch prima ausgebaut und führt durch eine schöne, aber nicht spektakuläre Landschaft.
Man muss bloß höllisch aufpassen, weil immer wieder diese dummen Schafe auf der Straße herumstehen und nur wiederwillig Platz machen.
Nach kurzer Zeit aber wandelt sich das Bild. Bäume und Sträucher verschwinden und der Blick öffnet sich einer felsigen Mondlandschaft. In der Ferne leuchtet zwischen den Bergen azurblau das Meer.
Es macht unglaublich viel Spaß, auf dem verschlungenen Single Track durch diese unwirtliche Landschaft zu fahren. Außerdem ist es ein strahlend sonniger Tag und es sieht weit und breit nicht nach Regenkombi aus. Schließlich erreiche ich die Küste und sehe an einer kleinen Bucht mit schneeweißem Sand sogar einige Badende im azurblauen Wasser herumplantschen. Ich kann kaum glauben, dass ich in Schottland bin.
An der Küstenstraße nahe Clachtoll
In dieser Kirche werden nur noch Schafe auf einer grünen Aue geweidet
Ginster und Fingerhut sind in Schottland häufig zu sehen
Bin ich nicht vor ein paar hundert Metern an einem wunderschön gelegenen Campingplatz am Meer vorbeigefahren? Ich wende erneut und fahre zurück.
Der Scourie Camping Park ist tatsächlich eine Entdeckung: Hier stehen endlich einmal nicht die Wohnmobile, sonder die Zeltcamper auf den schönsten Plätzen direkt am Wasser. Für die Zelte gibt es terrassenförmig angelegte Rasenflächen mit Blick aufs Meer.
Wenige Minuten später zelte ich auf feinstem englischen Rasen und die Green Cow steht gleich daneben.
Ich lege einen Stein unter den Seitenständer der Kawasaki, weil der Rasen so flauschig ist, dass der Ständer sonst einsinkt. Wow, denke ich. Welch ein wunderschöner Zeltplatz das ist.
Man hat von jedem Stellplatz aus freien Blick aufs Meer
Inzwischen scheint längst wieder die Sonne und ich frage mich, ob ich schon Hunger habe. Gegenfrage: Ist der Papst katholisch? Natürlich habe ich Hunger und so baue ich Svenjas kleine Hexenküche in der Apsis auf.
Das Abendessen im Zelt ist für mich immer das Highlight des Tages. Ich brate mir vier verblüffend leckere Steak Burgers, esse eine Dose Heinz Baked Beanz dazu und gönne mir zum Nachtisch eine Tafel Toblerone und eine Dose John Smith's. Dieses cremige Bier wird ab sofort mein neues Lieblingsbier und verdrängt das Fursty Ferret auf Platz 2. Puh, bin ich satt. Welch ein schöner Abend, es ist fast völlig windstill. Ich lasse mich nach hinten auf den Schlafsack sinken, während meine Beine noch aus dem Zelt ragen.
"Nur einen Moment ausruhen.", sage ich zu Pieps, der kleinen Maus, die mich ungläubig ansieht, weil ich alles alleine gegessen habe, aber innerhalb von Sekunden bin ich fest eingeschlafen. Wie gut, dass die schottischen Midges lediglich ein Mythos sind, denn wenn es sie wirklich gäbe, dann hätten sie heute leichtes Spiel gehabt.
Blick von meinem Zelt: Sonnenuntergang in Scourie
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