Tag 5 - Eskdale - Carsphairn
In der Nacht hat die nasse Wiese etwas Wasser durch den undichten Zeltboden gedrückt, aber zum Glück liege ich trocken auf meiner neuen Therma-A-Rest Matte.
In Windeseile breche ich das Lager ab, packe die Sachen aufs Motorrad und ziehe auch gleich die Regenkombi über, denn das Wetter sieht gar nicht gut aus.
Es ist erst kurz nach acht, als ich erneut vor der roten Telefonzelle an der Zufahrt zum Hardknott Pass stehe. Ohne abzusteigen schieße ich ein Erinnerungsfoto und fahre sofort weiter. So früh am Sonntagmorgen habe ich die schmale Straße für mich allein.

Früh am Morgen an der Zufahrt zum Hardknott Pass
Nach einer Stunde rolle ich in Windermere wieder auf die SPAR-Tankstelle. Ich tanke die Green Cow und besorge mir selbst ein kleines Frühstück. Für nur 1,99 £ gibt es eine super leckere Bacon Roll, das ist ein großes Brötchen mit gebratenem Speck darin, und einen großen Becher Kaffee. Ich stehe draußen und mampfe mein Frühstück in mich hinein, während Regen einsetzt und auf das Dach der Tankstelle prasselt.
In einer Gasse aus Trockensteinmauern fahre ich von Windermere nach Penrith quer durch die dramatische Landschaft der Cumbrian Mountains.

Straße mit Steinmauern durch die Cumbrian Mountains im Lake District
In den Bergen sind viele Radsportler unterwegs, die kilometerweit nicht überholt werden können und wieder einmal fällt mir die rücksichtsvolle Fahrweise der englischen Autofahrer auf, die geduldig darauf warten, bis sich endlich eine gefahrlose Möglichkeit zum Überholen ergibt. Ich bin beeindruckt und rasiere dafür ein paar von den Radlern haarscharf und mit brüllendem Motor, damit die Senfnasen gleich mal ein Gefühl dafür kriegen, wie gut sie es hier auf ihrer Insel haben.

Einige Grabsteine sind schon 200 Jahre alt und kaum noch zu entziffern
Hinter Hexham gibt es viele Hinweisschilder auf den Hadrianswall, aber inzwischen regnet es so stark, dass ich nicht einmal ein Foto machen kann, weil ich mich nicht traue, die Kamera aus der Regenkombi zu holen. Ich nehme mir vor, den Hadrianswall auf dem Rückweg zu besuchen.

Bei Gretna überquere ich die Grenze nach Schottland, aber im Regen geht mir sogar das irgendwie verloren und ich fahre ohne anzuhalten einfach weiter.
Nachdem ich in Dumfries getankt habe, geht es kurz vor Thornhill zum ersten Mal in die Highlands, die mich hier im Süden noch sehr an Schweden erinnern.
Die Single Track Road ist gut ausgebaut und ich brauche nicht unbedingt eine Ausweichstelle, um den Gegenverkehr zu passieren.

Anfangs fahre ich noch vorsichtig über die Cattle Grids, aber nach einer Weile überquere ich sie im Tiefflug in den Rasten stehend. Der Green Cow macht das nichts aus und mir macht es Spaß.
Die Strecke ist unglaublich einsam, so wie ich es liebe. Nur zweimal sehe ich andere Fahrzeuge, einen Landrover und ein altes Wohnmobil. Inzwischen regnet es nicht mehr und ich halte an, um die Regenkombi auszuziehen und mache ein paar Fotos am Cattle Grid.
Als ich endlich den kleinen Ort Carsphairn erreiche, bin ich schon seit acht Stunden unterwegs und ziemlich erledigt. Es sind nur noch 7° C und als ich ein B&B Schild mit dem Zusatz "Vacancies" (hier: freies Zimmer) entdecke, halte ich spontan an. Heute will ich Bed & Breakfast kennenlernen und bin schon total gespannt darauf, wie das wohl sein wird.

Ich klingele an der Tür, die von einem großen, bärtigen Mann geöffnet wird, der mich freundlich ansieht. Es ist Ian, der zusammen mit seiner Frau Marian das
Kirkholm B&B in Carsphairn betreibt. Das Zimmer kostet nur 27 £ und ich bin begeistert von dem schönen Bett und dem nagelneuen Badezimmer. Auf der Anrichte steht ein Wasserkocher und alles was man braucht, um sich Tee oder Kaffee zu machen. Dieser Service gehört in England und Schottland kostenlos zu jedem Zimmer.

Das Motorrad darf ich nach hinten in den Garten stellen, wo es von den Enten und Hühnern neugierig bestaunt wird. Zuerst will ich heiß duschen und Marian zeigt mir genau, wie die Dusche funktioniert. Es ist ein elektrischer Durchlauferhitzer und man kann sich ebenso schnell verbrühen, wie man einen Kälteschock mit Schnappatmung kriegen kann.

Nachdem ich mir die Haare gewaschen habe, fühle ich mich schon besser, aber irgendwie ist mir noch immer etwas kalt und ich mache mir einen Tee. Und wenn Svenja Tee trinkt, dann geht es ihr wirklich nicht so gut.
Später erzählt Ian mir, dass dieses alte, massive Steinhaus ursprünglich eine Kirche gewesen ist, aber das ist schon mehr als hundert Jahre her.
Am Abend sitze ich im Guest Room vor dem Kamin und schreibe in mein Reisetagebuch. Viel zu berichten gab es heute nicht und ich bin froh, als ich mit meinem Bericht fertig bin und endlich schlafen gehen kann.
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