Dänemark
Was ist das nur mit Dänemark? Keine Berge, die Straßen topfeben und im gesamten Land verteilt kaum ein Dutzend Kurven. Und doch fahre ich immer wieder gerne hin. Wie erklärt man das? Am ehesten vielleicht so: Urlaub in Dänemark ist wie ein Besuch bei Oma. Nicht abenteuerlich und aufregend, aber dafür entspannend und schön. Dort ist es gemütlich, man fühlt sich rundherum wohl und es gibt immer etwas Leckeres zu Essen. Genau die Sorte erholsamer Langeweile, die jeder gerne mag. Ich liebe Dänemark.
Es ist Mittwochmorgen und kaum 10 Minuten hinter meiner Wohnung stehe ich auf der Alten Levensauer Hochbrücke. Vorsichtig lenke ich die Enduro auf den hohen Bordstein und sehe hinunter auf den Kanal. Ich will ein Foto von einem dieser riesigen Containerschiffe machen, die nur knapp unter der 42m hohen Brücke hindurch passen. Ich mache die Kamera scharf und stelle mich ans Geländer.Ich gebe den halbherzigen Versuch von Shipspotting auf und fahre weiter. Bei dem alten Wikingerdorf Haithabu überquere ich die Schlei. Auf dem anderen Ufer liegt Schleswig. Die mächtigen Türme des St.-Petri Doms beherrschen das Stadtbild.
Ich umgehe die Flensburger Innenstadt und düse auf dem wenig befahrenen Ochsenweg in Richtung Norden. Plötzlich taucht vor mir der Grenzübergang auf. Mit ein paar Schildern und Pylonen haben die Dänen eine provisorische Grenzkontrolle eingerichtet. POLITI steht auf einem Streifenwagen und dem daneben geparkten Mannschaftsbus.
So hat das kleine Königreich fast unbemerkt von der übrigen Welt, die mit Wichtigerem beschäftigt war, bei der letzten Parlamentswahl einen veritablen Rechtsruck gemacht. Das sympathische Land verändert sein Gesicht.
Langsam rolle ich an den Posten heran, ein sehniger Typ mit wettergegerbtem Gesicht und weißem Schnauzbart. In seiner militärischen Tarnfleckhose mit dem Barett verwegen schief am Kopf, wirkt er wie ein alter Kämpfer aus dem Algerienkrieg. Erfahren und sicher keiner der zu übereilten Aktionen neigt. Ein Mann, dem man bedenkenlos die Grenze anvertrauen kann, ohne dass man Zwischenfälle befürchten müsste, die Morgen in jeder Zeitung stehen.
Mit ausdrucksloser Miene winkt er mich durch, ohne dass ich anhalten muss. Ich nicke ihm freundlich zu, schalte wieder hoch und fahre weiter nach Padborg. An einem Geldautomaten der Sydbank ziehe ich 900 Kronen aus der Wand, etwa 120 EUR.
Zwischen den roten Beeren hindurch erstrahlt die weiß getünchte Kirche von Højrup. Dieses Land ist von einer eigenen, schlichten Schönheit, die mich jedes Mal aufs Neue berührt.
Eine dänische Spezialität, von der auf dieser Reise noch häufiger die Rede sein wird, ist das Ribbe Sandwich. Ein Hamburger mit einer Scheibe frittiertem Bauchfleisch auf einer Lage Rotkohl. Darauf Gurken, Remoulade, Zwiebeln und Kräuter. Ernährungsphysiologen sind sich noch uneins über den Wert des Ribbe Sandwichs. Die Einen halten es für schädlich, die Anderen schlicht für tödlich, aber Pieps und ich lieben es.
Ich stelle die Kawasaki vor dem Grill ab, wie ein Cowgirl ihr Pferd vorm Salon und stiefele hinein. Die Speisekarte über dem Tresen interessiert nicht. Ich weiß genau, was ich will: "Ein Ribbe Sandwich, bitte."
"Ein groose, oder ein kleine?", fragt das Mädchen hinterm Tresen in ihrem niedlichen dänischen Akzent.
"Wirklich, Baby?", denke ich kopfschüttlend, aber laut sage ich "stor", groß. Sie nimmt eine Scheibe Bauchfleisch und lässt sie unter Zischen und Spritzen in das kochende Fett der Friteuse gleiten. Die wahre Kunst besteht darin, das Fleisch so lange zu frittieren bis es knusprig ist, es aber herauszunehmen, bevor es zum Keks wird.
Während die Friteuse im Hintergrund brodelt, toastet sie ein Brötchen, schneidet es auf und legt eine Lage Rotkohl hinein. Darauf kommt der Schweinebauch, Gurken, Zwiebeln und Remoulade. Obendrauf als Deckel das Oberteil des gerösteten Sesambrötchens.
Bevor wir Ribe verlassen, kaufe ich bei Føtex zwei Entrecotes. Noch vor Jahren habe ich oft verständnislose Blicke geerntet, wenn ich danach gefragt habe, aber inzwischen bekommt man es in jedem Supermarkt, mein leckerstes aller Steaks.
Es ist ein warmer Spätsommertag und der Motor der Kawasaki schnurrt im 6. Gang mit 5.000 Touren spielerisch leicht vor sich hin. Das Cruisen auf der Landstraße bei 80 km/h hat beinahe etwas Meditatives.
In Varde überquere ich das gleichnamige Flüsschen und sehe mir den hübsch renovierten Havnepladsen an. Man hat den Platz am Fluss mit Kopfsteinpflaster, altmodischen Bänken und Laternen in den Zustand einer alten Stadt versetzt. Das sieht sehr hübsch aus.
Nördlich von Esbjerg wird der Straßenverkehr ‐ soweit das überhaupt möglich ist ‐ noch spärlicher. Stoppelfelder und Strohballen beherrschen die Landschaft, große Traktoren sind emsig unterwegs. Dänisch Masuren. Ich fühle mich an eine meiner schönsten Reisen erinnert.
Ich buche einen Platz für zwei Tage und darf mir aussuchen, wo ich mein Lager aufschlagen möchte. Langsam rolle ich über den Platz und suche mir ein Stück Rasen neben einem Picknicktisch im Halbschatten unter Bäumen.
Sowie das Zelt aufgestellt, die Isomatte entrollt und der Daunenschlafsack aufgeplustert ist, gehe ich hinunter zum Havne Kiosken, um Körscheis für Pieps und eiskalten Bölkstoff für mich zu besorgen.
Mit der Kamera in der Hand wandere ich um das kleine Hafenbecken herum und fotografiere im warmen Licht der Abendsonne Fischkutter und andere Dinge, die ich hübsch finde.
Möge es noch eine Weile so bleiben, denke ich, als ich vom Abwaschen zurückkomme und mich vorsichtig ins Zelt schleiche, wo Pieps längst in den Kissen liegt und selig schlummert. Gute Nacht, Welt...
zum nächsten Tag...
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Der erste Reisetag in Dänemark bei herrlichem Spätsommerwetter. Morgen legen wir einen Jokertag ein. ich habe nichts vor, außer einer kleinen Tagestour, viel Bier trinken, essen und schlafen. Die Seele braucht das.