Inhaltsverzeichnis Dalarna 2024 Tag 1 Kiel - Oslo Tag 2 Oslo - Schweden Tag 3 Värmland - Dalarna Tag 4 Vansbro und ein Knytkalas Tag 5 Nås - Näs Bruk Tag 6 Avesta Tag 7 Tällberg am Siljansee Tag 8 Outback Dalarna Tag 9 Fäbod Fryksås
Fäbod Fryksås
Seit kurz vor vier scheint die Sonne aufs Zelt.
4 Uhr!
Machen die hier nie richtig dunkel?
Um sechs sitze ich mit dem ersten Becher Kaffee im offenen Zelt und genieße die frühmorgendliche Stille im Camp. Nur die Frau aus dem roten Bulli führt schon ihren Hund aus, alle anderen schlafen noch.
„Nur wo is einklich mein orankschener Perlowa noch'ma?“, schalmeit es hinter mir aus dem Zelt. Das war es mit der Stille im Camp.
„Liegt auf dem Tankrucksack. Mach die Augen auf, Schlafmütze!“
Inzwischen wird es Zeit, unsere Brötchen von der Rezeption abzuholen:
„Do you also have coffee?“, frage ich den jungen Mann, der gestern mit Hammer und Kuhfuß meine VISA-Karte gerettet hat.
„Sure. Takes around five minutes.“ „Ok, fine. I'll sit outside.“
Das Camp hat eine Caféterrasse mit Blick auf den See. Der Kaffee ist vorzüglich, das Wienerbrød saftig und das Croissant sogar noch warm. Pieps und ich frühstücken mit Blick auf den Orsasjön und genießen den herrlichen Morgen.
Diesmal hatte ich mir fest vorgenommen, bei miesem Wetter eine Hütte zu nehmen, und nun bin ich froh, es nicht getan zu haben. Das Gewitter hat nur eine Stunde gedauert und jetzt steht unser Zelt wieder malerisch in der Sonne. Die Hütte kommt beim nächsten Regen dran, was in Schweden nie allzu lang dauern sollte.
Nach dem Frühstück mache ich die Honda klar für eine Tagestour in die Umgebung.
Bei der Planung ist ein Begriff aufgetaucht, den ich nicht kenne: Fäbod.
So eine soll es in der Nähe geben.
Wenn ich es richtig kapiere, bedeutet das Alm, wobei ich keine Ahnung habe, was genau das ist. Irgendwas mit Kühen.
Bergweide oder Bergwiese, auf der im Sommer Weidewirtschaft, mitunter auch Gastronomie und Bewirtung betrieben wird. Eine Ansammlung von Gebäuden, die nur im Sommer bewohnt werden mit Sommerweiden und Ställen fürs Vieh.
Was immer sich dahinter verbirgt: Es liegt nur 15 km entfernt. Kurz darauf fahre ich die Straße hinauf zur Fäbod Fryksås. In 470 m Höhe steht eine Siedlung aus Holzhäusern. Hier endet der Asphalt.
In Fryksås stehen alte und neue Holzhäuser, knorrige Blockhütten, die hunderte Jahre alt sind, ebenso wie neu gebaute Ferienhäuser mt WLAN. Ich tuckere an den Hütten entlang und frage mich die ganze Zeit über, wo sie die Kühe aufbewahren. Weit und breit ist kein Vieh zu sehen.
Die letzte Kuh ist längst weggezogen. Fäbod Fryksås ist mittlerweile ein reines Feriendorf für Touristen, aber ein ausgesprochen schönes.
Anstatt der Kuhställe gibt es ein Hotel-Restaurant-Hütten-Café mit Spa
und einem eigenen Parkplatz für Schneemobile.
Leider ist Smidgården geschlossen. Die Hauptsaison liegt im Winter.
Ich stiefele noch eine Weile zwischen den Blockhütten umher und sehe mir alles genau an, aber dann fahre ich wieder los.
Drei Kilometer weiter liegt eine andere Sehenswürdigkeit, Orsa Grönklitt, ein Skigebiet mit Freizeitpark.
Bis 2022 gab es dort einen Bärenpark, aber der ist pleite gegangen und die Bären wohnen jetzt woanders.
Auch ohne den Park gibt es in den ausgedehnten Wäldern um Orsa herum genug Bären, die dort ihren Winterschlaf halten.
Am Fuß des Grönklitt gibt es einen Campingplatz. Für Zeltcamper ist er nicht sonderlich einladend, weil der Boden derber Schotter ist und nicht pflaumenweiches Gras wie in Våmåbadets Camping, wo unser Zelt steht.
Dafür ist es vom Camp nicht weit zu den Skiliften.
An der Spitze des Grönsklitt steht ein Skilift, wo kleine Hollywoodschaukeln an einem Seil befestigt sind, so dass man sich reinsetzen und den Berg hochziehen lassen kann.
Keine Ahnung, ob das Spaß macht. Wintersport ist in meinem Leben bisher völlig an mir vorbeigegangen.
Oben steht auch eine Berghütte mit Café, aber es ist alles geschlossen.
Ich werfe einen letzten Blick ins Tal und drücke auf den roten Knopf am Lenker. Die Honda erwacht und der Proletenauspuff am Heck trompetet unsere Abfahrt runter ins Tal.
Auf dem Rückweg ins Camp mache ich einen kurzen Abstecher nach Orsa zum Tanken, damit wir morgen früh gleich mit vollem Tank starten können.
Våmåbadets Camping liegt da, wie eine Postkarte aus der Sommerfrische. Sagt das heute überhaupt noch irgendwer unter sechzig, Sommerfrische?
Ich mag das Wort, es bedeutet für mich schöne Ferien, nicht bloß Urlaub, Rollkoffer und Sangria.
Die Campingplätze in Schweden haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Zum Vorteil.
Wurden viele Camps vorher von einem muffigen Schweden im Nebenamt betrieben, der bloß abends zum Geldeinsammeln vorbeikam und nach der Kollekte gleich wieder verschwand, werden heute mehr und mehr Camps von Holländern, Belgiern oder Deutschen geführt, die das hauptamtlich machen und einen tollen Service bieten.
Våmåbadets Camping hat einen Bootsverleih, es gibt Frühstück, einen Brötchenservice, Kaffee, kleine Snacks und sogar eine Pizzakarte. Die Preise sind günstig und der Kaffeegarten am See ist wunderschön.
Heute bleibt die Pfanne kalt. Pieps und ich essen im Campingrestaurant. Andächtig stehen wir vor der Speisekarte und sinnieren. Vegetarisch und Margherita scheiden ohnehin aus und Ananas soll auch keine drauf, aber was ist mit Alg?
„Algenpizza? Häh?“
Die Pünktchen auf dem großen A sind kaum zu erkennen: Älg. Die haben hier Elchpizza. Die wollen wir. Nach einer kurzen, aber nicht minder heftig geführten Diskussion darüber, wieso ich bloß eine bestelle, einigen wir uns auf eine einzelne große Elchpizza mit Notausstieg auf eine zweite. Dazu gibt es für mich ein Norrlands Guld.
Meine Güte, haben wir es gut. Wir sitzen in Schweden am See, essen die leckerste Pizza jemals, die Sonne scheint, ich trinke kaltes Bier und Pieps mampft ungeniert den Elch von der Pizza. Könnte schlimmer sein.