Inhaltsverzeichnis Dalarna 2024 Tag 1 Kiel - Oslo Tag 2 Oslo - Schweden Tag 3 Värmland - Dalarna Tag 4 Vansbro und ein Knytkalas Tag 5 Nås - Näs Bruk Tag 6 Avesta Tag 7 Tällberg am Siljansee Tag 8 Outback Dalarna Tag 9 Fäbod Fryksås Tag 10 Älvdalen Tag 11 Lofsdalen - Grövelsjön Tag 12 Femundsee, Norwegen Tag 13 Idre, Särna, Offroadcamp Tage 14-17 Heimreise und Fazit
Im Offroadcamp
Heute geht es zum ersten Mal wieder Richtung Süden, die Heimreise beginnt, aber die wird alles andere als langweilig. Für jeden Reisetag habe ich bei der Planung mindestens ein Highlight eingebaut, auf das ich mich hinfreuen kann. Gestern war es ein Tagesausflug nach Norwegen, und heute ist es ein sehr besonderes Camp, wo wir unser Lager aufschlagen wollen.
Die erste Station des Morgens ist Idre, der Ort in der Gemeinde Älvdalen.
Hier entspringt der Österdalälven, der große Fluss, der uns durch Dalarna begleitet, wobei er nicht als Quelle aus einem Fels hervorsprudelt, sondern sich durch den Zusammenfluss von Storån und Sörälven bildet.
Ich parke das Motorrad vor der Ladenzeile des Dorfes und sehe mich um. Der Schnapsladen ist bereits vormittags gut besucht, die Kunden geben sich die - nicht vorhandene Klinke - der Schiebetüren buchstäblich in die Hand. Eine Frau mit Sonnenbrille geht zielstrebig darauf zu, obwohl das Wetter die Notwendigkeit einer dunklen Brille nicht erkennen lässt.
Nach einem raschen Kaffee im ICA-Supermarkt nebenan fahre ich weiter. Bis nach Särna sind es 30 km. Ich tanke noch einmal voll, bevor es vom Länsväg 311 rechts ab in die Prairie geht. Eine frisch geschotterte Piste führt einsam in die Landschaft hinein.
Über viele, viele Kilometer bin ich auf der Enduro allein unterwegs, nur der Proletenauspuff der Honda trompetet verwegen durch die Landschaft.
Die Gewichtsersparnis von 2.8 kg durch den Titan Endtopf kommen zu einem Preis, er ist schlicht zu laut, trotz ABE. Würde ich nicht wieder kaufen, auch wenn die Honda Rally damit echt kernig klingt.
Die Piste führt an einem der vielen Seen entlang, auf einer Landzunge steht eine windschiefe Angelhütte, am gegenüber liegenden Ufer liegt der endlose, dunkle Wald. Typischer kann Schweden nicht sein.
Auf einigen Kilometern ist die Piste frisch aufgeschottert. Die Africa Single schwimmt im losen Untergrund, aber solange man nicht auf einer exakten Linie besteht, ist das kein Problem. Hauptsache, der grobe Kurs stimmt, Südsüdost und innerhalb der Begrenzungen.
Heute nehme ich mir die Zeit für ein Moto-Selfie.
Ein Qualitätsmangel meiner Reiseberichte ist nämlich, dass ich zu wenig davon habe, Fotos von mir selbst auf dem Motorrad in der Landschaft.
An einer geeigneten Stelle halte ich an und stelle das Stativ mit der GoPro am Straßenrand auf. Ich steige wieder auf die Enduro und fahre zweimal durchs Bild. Aus dem Vorbeifahrvideo mache ich zuhause am Mac einen Screenshot, der sich als Foto in die Story einbauen lässt.
Das leichte Reisestativ steht nur 135 cm über Grund, so dass ich mit dem Kopf in den Wolken fahre, aber eigentlich stimmt das ja auch.
Technisch sind die Aufnahmen in Ordnung, aber das gesamte Doing nervt: Anhalten, absteigen, Stativ aufbauen, GoPro aufsetzen, einschalten, Ausschnitt suchen, aufsitzen, wegfahren, wenden, möglichst lässig durchs Bild fahren, wenden, zurückfahren, noch mal lässig durchs Bild, wieder wenden, zurückfahren, abstellen, absteigen, zum Stativ eilen, Aufnahme stoppen, Gopro abnehmen, Stativ zusammenschieben, im Gepäck verstauen, aufsitzen und abrücken.
Vom ersten Gedanken bis zur Weiterfahrt dauert es insgesamt etwa 10 bis 15 Minuten, in denen ich mir ein wenig doof vorkomme, wie jeder ältere Mensch, wenn er ein Selfie von sich macht, ob mit oder ohne Motorrad.
Von DJI gibt es für 199 Euro einen fliegenden Selfie-Stick. Ob ich den für die nächste Reise kaufen soll? Und ist das wirklich weniger Arbeit? Lohnt sich der Aufwand überhaupt, oder lasse ich es bei den peinlich berührten Moto-Selfies vom Stativ?
(Gedanken dazu welcome!)
Als ich das Schild Bear Reserve 4,5km sehe, weiß ich, dass ich richtig bin. Pieps und ich wollen ins berühmte Offroadcamp, berühmt unter Offroadern von der Enduro bis zum 6x6 Truck. Hier sind wir willkommen.
In wie vielen Camps ich schon gewesen bin, weiß ich nicht, aber eines ist sicher: Nirgendwo waren Empfang und Check-In so gut durchdacht und klar angewiesen wie hier: „Lassen Sie Ihr Fahrzeug hier stehen und gehen Sie zu Fuß hoch zur Rezeption. Ihren Hund können Sie mitnehmen, aber er muss an der Leine gehen.“
Man muss Camper erlebt haben, um zu wissen, dass bei denen nichts unmöglich ist. Je neuer und gemieteter das Wohnmobil, desto möglicher.
Ich stelle die Honda unten ab und gehe den Schotterweg hinauf ins Camp. Ein junger Mann, groß, blond, kantiges Kinn, gut aussehend, ist gerade fertig geworden, den Rasen der kleinen Zeltwiese zu mähen. Da will ich zelten!
Die Wiese ist nicht groß und bietet nur Platz für wenige Zelte: „Wie eng muss ich aufbauen? Also, wie viele andere kommen noch?“„Keiner. Das ist jetzt deine Wiese für dich allein. Komplett mit Strom und WiFi.“„Ich will euch nicht die schöne Wiese zerfahren, wo soll ich die Enduro abstellen? “, frage ich, weil Rasen im Norden selten und wertvoll ist.
„Pah! Da stehen sonst die dicksten Allradler drauf, dann darfst du das ja wohl erst recht.“
„Welcome to a special place“, heißt es auf der Website des Offroadcamps.
Nirgendwo hat das bisher so sehr gestimmt wie hier. Martin und Katrina, die ursprünglich aus Deutschland stammen, haben es sich zur Aufgabe gemacht, hier in Dalarna mitten im Bärengebiet einen besonderen Platz für Camper aus der Offroadszene zu schaffen.
Und das ist gelungen.
5 camping pitches on gravel and 4 on lawn.
Es gibt nur wenige Plätze. Wer sicher gehen will, sollte reservieren.
Arrival and registration after 8 p.m. is not possible!
Allein dafür liebe ich euch. Immer wieder erlebe ich Egomanen, die bis in die Dunkelheit hineinfahren und erst im Schein der Autoscheinwerfer ihr Lager errichten. Aber nicht hier!
We ask our guests to keep the night's rest from 10 p.m. to 7 a.m.!
Ich kapier zwar nicht, wieso gleich der halbe Vormittag Ruhezone sein muss, aber kann es akzeptieren. In der Nähe von Braunschweig soll ein pensionierter Lehrer wohnen, Oberstudienrat, Deutsch/Geschichte, der schläft angeblich jeden Tag bis acht! Wegen solcher Typen vielleicht?
Das Offroadcamp bietet auch sechs Hütten an, alle verschieden, alle in einem anderen Thema gehalten. Als echter Petrolhead liebe ich natürlich die Gas Station. Sollte es einmal wie irre regnen, würde ich da drin gerne wohnen. Die Zapfsäule ist übrigens voll funktionstüchtig, habe ich gelernt, nur dass sie keinen Tank darunter haben dürfen. Folklore also, aber eine schöne. In zwanzig Jahren, wenn alle zum veganen Dutt endlich E-Auto und Lastenrad fahren, wird der erste fragen, was das für ein komischer Wandschrank sei, der mit dem Schlauch.
Am Nachmittag geht die Campchefin von Gast zu Gast und fragt nach den Essenswünschen. Jeden Abend gegen 18 Uhr findet im Camp ein gemeinsames Abendessen für die Gäste statt, und wer nicht völlig pleite oder sozialer Legastheniker ist, sollte daran teilnehmen.
Die Speisekarte Today's Special steht auf einem alten Ofenblech.
Es gibt drei Sorten Burger, Elch, Rentier und Bär.
So steht es geschrieben.
„Wie? Sonst gibts nichts? Nur diese fleischigen Burger?“„Doch, auch Eiskrem und Bier. Was sollte ein Mensch sonst essen wollen? Verstehe die Frage nicht.“
Katie, Campchefin und Köchin in einer Person erklärt die Unterschiede:
„Rentier schmeckt nach Wild und ist sehr juicy, Elch ist das bessere Rind, und Bär schmeckt eher mild.“
Ich bestelle für Pieps und mich Rentierburger zum Abendessen, wild und juicy klingen gut, und 250g Burger noch besser.
Als ich am Abend auf die Terrasse des Restaurants komme, sitzen schon einige anderen Gäste dort, ein bunter Mix aus Deutschen und Schweizern mit und ohne Kinder, mit und ohne Allrad, aber alle bester Laune.
Das Abendessen ist wunderbar, jede Dose Norrlands Guld besser als ihre Vorgängerin, und die Burger dick und saftig. Wir sind alle in Urlaubslaune und unterhalten uns bestens, jeder hat etwas beizusteuern, jeder fragt, redet, und hört auch zu. Selten hab ich mich so wohl gefühlt, denn als Introvertierte bin ich im Grunde selbst eine soziale Legasthenikerin.
Aber nicht heute!
Das Offroadcamp ist der coolste Platz, um seine Enduro abzustellen und ein paar Zeltheringe in schwedische Erde zu drücken!