Inhaltsverzeichnis Dalarna 2024 Tag 1 Kiel - Oslo Tag 2 Oslo - Schweden Tag 3 Värmland - Dalarna Tag 4 Vansbro und ein Knytkalas Tag 5 Nås - Näs Bruk Tag 6 Avesta Tag 7 Tällberg am Siljansee Tag 8 Outback Dalarna Tag 9 Fäbod Fryksås Tag 10 Älvdalen Tag 11 Lofsdalen - Grövelsjön Tag 12 Femundsee, Norwegen Tag 13 Idre, Särna, Offroadcamp Tage 14-17 Heimreise und Fazit
Tag 14 - Noch in Schweden
Als ich am nächsten Morgen auf die Terrasse des Camp Restaurants komme, sitzen die ersten schon beim Frühstück. Für Pieps und mich habe ich ein Vildmarks Breakfast gebucht, Brötchen, Waffeln, Rührei, Rentier-, Elch- und Bärenwurst, Blaubeermarmelade, Saft und eine Kanne Kaffee. Es sieht köstlich aus.
In jeder Salami steckt ein Zahnstocher mit handgeschriebenem Fähnchen: Elk, Ren, Bär. Es ist ein herrlicher Morgen, das Frühstück premium, wir sitzen in der Morgensonne, erzählen, mampfen und lachen, Kinder spielen um uns herum, und ich muss zugeben, ab und zu, nur selten, von Zeit zu Zeit, ist es gar nicht schlecht, mal unter Menschen zu sein.
Es wird Zeit aufzubrechen.
Unser Lager hatte ich schon vorm Frühstück abgebrochen und die Africa Single steht startbereit neben der Zeltwiese. „Tschüss Offroadcamp“, rufe ich aus meinem Helm zu niemandem im Speziellen, während ich aus dem Camp hinausrolle.
Die Piste nach Särna verläuft schnurgerade durch den Wald. Schon von weitem entdecke ich einen Grader, der uns im Schritttempo auf dem Weg entgegenkommt.
Unsere Seite der Straße ist noch fest und rumpelig, aber da, wo der große Erdhobel schon war, sieht der Weg aus wie neu. Ich bin froh, dass unsere Seite noch unbeackert ist, denn auf dem frischen Belag fährt sich die Enduro wie durch Schwemmsand.
Die Tagesetappe bis ins nächste Camp führt am Västerdalälven entlang. Der Fluss windet sich malerisch durch Wälder und Wiesen, ohne dass jemals ein Boot darauf zu sehen wäre. Es könnte Spaß machen, solch eine Campingtour einmal mit dem Kajak zu fahren statt mit der Enduro.
Schon am frühen Nachmittag kommen wir in Björkebo Camping an. Die Frau, mit der ich kurz darauf durch die Luke der Rezeption spreche, ist eine Deutsche, die mit ihrer Familie aus Halle ausgewandert ist und nun gemeinsam das wunderschöne Björkebo Camping betreiben.
Das Gras im Camp hat Parkland-Course-Qualität, weiches Gras unter einem Bestand alter Bäume.
„Ein Motorrad, ein kleines Zelt und eine Person mit Maus für eine Nacht“„Sie sollten lieber eine Hütte nehmen. Für die kommende Nacht und den ganzen nächsten Tag sind schwere Regenfälle vorhergesagt.“
Kurz darauf ziehen Ich-schlaf-oben-Pieps und Svenja in Hütte Nr. 5 ein.
Es ist verblüffend – aber nicht auf die gute Art – wie viel mehr Platz man in einer Hütte für dieselbe Menge Gedönsrat braucht. Im Zelt ist auf etwa 2,20 m x 1,30 m mühelos alles unterzubringen, während ich in der Hütte dafür den kompletten Raum benötige. Egal, wie groß die Bude ist. Am Ende ist alles besetzt, voll und belegt. Darüber sollten sie mal forschen!
Als endlich alles verrräumt ist, schlendere ich mit Pieps hinüber ins Camper Café neben der Rezeption. Kuchen und Torten sind das Spezialgebiet der Oma, die aus Sachsen-Anhalt mit nach Schweden gekommen ist, ebenso wie das feine Porzellan. Meine Güte, ist das hübsch hier.
Pieps und ich mampfen die wohlschmeckendste Kaffee-Sahne-Torte von allen, und ich habe dazu den besten Kaffee der gesamten Reise.
Besser gehts nicht.
Tag 15 - Wassereinbruch
Man versteht es nicht: In einer Hütte dauert es zweimal so lange wie im Zelt, alle seine Sachen zusammenzupacken, dabei habe ich die Hälfte nicht mal ausgepackt. Überall liegt etwas herum, hier eine Haarbürste auf dem Sideboard, dort eine Gabel auf dem Kühlschrank.
Wir sind kaum zwei Kilometer gefahren, als die Regenhölle losbricht.
Alles, was Schweden uns in den vergangenen zwei Wochen erspart hat, kübelt nun mit Zinsen auf uns herab. Ein Gewitterguss der Extraklasse.
Ein klügerer Mensch würde anhalten, sich irgendwo unterstellen und ruhig abwarten, bis das Schlimmste vorbei ist, aber für sowas fehlt mir die Geduld.
Erst in Charlottenberg, als meine Gummistiefel bereits voll Wasser laufen, weil die alte Regenhose nicht mehr ganz dicht ist, rette ich uns unter das Vordach des Charlottenbergs Shoppingcenter. Ich parke die Enduro neben einer Reisegruppe von BMW GS Piloten, die ebenfalls vor dem Wetter geflüchtet sind.
Ich erfahre, dass sie auf dem TET Schweden unterwegs sind und dabei Aufnahmen für den Youtube-Kanal „Teilzeitschafe" machen. In dieser Staffel sind sie auf dem TET Schweden unterwegs, als Pieps und ich ihnen in Charlottenberg zufällig ins Bild fahren.
Ich lasse die Honda stehen und stapfe durch den Regen zum Eingang.
Es ist kein Zufall, dass der Laden so nah an der norwegischen Grenze steht.
Das Preisgefälle zwischen Norwegen und Schweden ist groß und im
Charlottenbergs Shoppingcenter ist das größte Lebensmittelgeschäft Skandinaviens
mit mehreren Millionen Besuchern pro Jahr.
Im ICA-MAXI-Mat mache ich mich auf die Suche nach Surstömming in Dosen. Vielleicht kann ich die jemandem in den Nikolausstiefel tun, jemanden, den ich nicht leiden kann.
„Excuse me, please. Where have you got fish in cans?“„Right over there, but if you are looking for that stinky fish Surströmming, it's sold out for month now.“„Oh...“„Yes, I think that's due to some social media hype around it.“
Wir verlassen das Shopping Center ohne eine Dose Surströmming. Als ich später danach suche, finde ich eine schier endlose Zahl von Videos zur Surströmming Challenge.
Eine Reihe von Gesichtern grimmassiert dazu in die Kamera, wie es seit einiger Zeit auf YouTube Mode ist. Ich kann da kaum hingucken.
Als wir schließlich wieder on-the-road sind und die Grenze nach Norwegen passiert haben, stellen die ersten Autofahrer gerade ihre Scheibenwischer von Stufe II auf Normal zurück.
Eine Stunde vor Oslo machen wir Station bei einem Bauern, der einen Teil seines Grunds für Zelte zur Verfügung stellt und auch Hütten vermietet. Das Unwetter hat sich mittlerweile verzogen, aber ich muss dringend das Untergeschoss und den Keller trockenlegen, und das geht in einer Hütte besser als im Zelt.
Die letzte Nacht in Norwegen verbringen wir feudal in unserem Ferienhaus mit eigener Terrasse. Ich stelle die Elektroheizung auf 5 und drappiere die Opfer des Wassereinbruchs um den Heizkörper herum.
Zuhause muss ich dringend eine neue Regenhose kaufen.
Tag 16 - Nach Oslo
Unter einem strahlend blauen Himmel reiten wir im morgendlichen Berufsverkehr nach Oslo hinein. Auf der Stadtautobahn ist das Fährterminal der Color Line bereits ausgeschildert.
Die Autobahn ist der übliche Weg durch Oslo und ein großer Teil verläuft unter Tage. Ich fahre extrem vorsichtig und defensiv, denn das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, dass mich hier irgendeine Senfnase im Tunnel vom Motorrad schubst.
Direkt an der Ausfahrt zum Fährhafen tauche ich wieder aus dem Tunnel auf, Blinker rechts, und kurz darauf rolle ich schon zum Hafen, gerade als die Color Fantasy einläuft.
„Bist du nicht Svenja?“, spricht mich ein Biker aus Köln an.
Ich würde es niemals offen zugeben, weil es peinlich ist, aber innerlich platze ich jedesmal vor Stolz, wenn ich irgendwo erkannt werde. Wir unterhalten uns sehr nett über das Reisen und über seine Arbeit beim Technischen Hilfswerk THW, was tatsächlich ziemlich spannend ist.
Als schließlich alle Fahrzeuge von Bord sind, das Schiff leer ist und sie einmal feucht durchgewischt haben, sind wir dran. Etwas energetischer, als es vielleicht angebracht ist, heize ich die stählerne Rampe ins obere Fahrzeugdeck empor.
Das Donnern der Motoren, das Brüllen, Grummeln und Knattern erfüllt das gesamte Deck. Der Sound ist atemberaubend und ich mag ihn. Hier passt er her, der Proletenauspuff an meiner Honda 250 Rally, The Africa Single, und auf einmal finde ich ihn überhaupt nicht mehr zu laut.
Den Abend verbringe ich im Donkey Pub. Ich stelle mich an die Bar und bestelle ein Glas Weißwein zum Preis einer Kiste Blanchet, während Pieps im selben Wert Bar-Snacks vertilgt. Alle!
Mit jedem Schluck feiere ich den Ausklang der schönen Reise nach Dalarna.
Am Nebentisch sitzt eine Gruppe angesoffener Typen in ihren Sechzigern, gucken rüber, flüstern, lachen heiser brüllend los. Männer!
Sie tun das, wenn sie sich stark fühlen. Und sicher.
Kerle wie diese sind mir ein Mysterium, sehen aus wie Aufbackbrötchen, haben nicht das Geringste zu bieten, – aber ein Ego wie The Rock.
Dabei ist es so einfach. Ein Tipp, von dem ich wünschte, dass ich ihn in meinem ersten Leben schon gekannt hätte:
Wenn man jemanden ansprechen möchte, sind Gröhlen, Lachen, Frotzeln nicht der beste Weg.
Einfach hingehen, ein offenes, freundliches Gesicht zeigen und sagen: „Hallo, hast du Lust, ein Glas Wein mit mir/uns zu trinken? Du bist auch eingeladen. Ich bin übrigens Dieter.“
(PS: Niemals DER Dieter, einfach Dieter. Ich bin ja auch nicht DIE Svenja. Obwohl )
Das sollte häufiger als nicht gut funktionieren. Und falls man eine Abfuhr bekommt: „Schade, dann wünsch ich dir noch einen schönen Abend.“
PS: Ich hätte nicht gedacht, dass ich auf Svendura mal Beziehungstipps geben müsste, aber das hier ist aus der Not gebohren.
Entschuldigung dafür
Tag 17 - Heimkehr
Als ich nach dem Aufwachen sofort den Bordfernseher anstelle, fahren wir gerade an Langeland vorbei. Ein paar Zentimeter weiter unten steht schon Kiel.
Das große Frühstücksbuffet im Grand Buffet lassen wir heute aus. Genug gemenschelt, mein Sozialakku ist voll. Der muss dringend vom Netz.
Stattdessen setze ich mich mit Pieps an die Bar des Oriental Café. Obwohl es mitten auf der Promenade liegt, ist hier morgens nie jemand an der Bar.
Dabei gibt es hier warme Croissants frisch aus der Bordbäckerei und einen gut zu ertragenden Filterkaffee. Wir haben von jedem drei.
Pünktlich um 10 Uhr legen wir an und kurz darauf rolle ich gemeinsam mit allen anderen von Bord. Ein paar Minuten später brumme ich auf der Honda in die Tiefgarage unterm Haus.
– ENDE –
Fazit
Bei der Planung hatte ich – wie immer – eine kurze Präambel geschrieben, in der ich festgehalten habe, was für eine Reise das werden soll und worauf ich mich besonders freue.
Auf dieser Reise habe ich Schweden wieder lieben gelernt.
Das Wetter war prima, so, wie es nach der Statistik für Mittelschweden sein sollte: Sonnig und regenarm.
Bemerkenswert war, um wieviel besser die Campingplätze geworden sind.
Alle von mir als gut empfundenen Plätze wurden von Holländern oder Deutschen geführt.
Nicht von Schweden.
Ich habe nachgefragt und eine Erklärung erhalten, die ich für wahr halte: Schweden betreiben ihre Campingplätze nicht im Hauptamt, sondern vermieten nebenher einen Teil ihrer Wiese am See. Dort stehen ein Klo, eine Dusche, ein paar Mülleimer und es gibt Strom.
Am Abend nach der Arbeit kommt der Eigentümer, er kassiert, leert die Mülleimer, hängt frische Lokusrollen hin und fährt nach Hause in den Feierabend. Leben tut er davon nicht.
Ganz anders die Einwanderer.
Das sind Hauptamtler mit Vollzeitstelle.
Kein Home-Office! Keine 4-Tage-Woche!
Der Campingplatz ist die neue Existenz.
Sie arbeiten sich buchstäblich den Arsch ab. Jeden Tag 16 Stunden und mehr, 7 Tage die Woche.
Selbstausbeutung funkioniert:
Für uns Camper gibt es morgens Brötchen und bei einigen auch Pizza, Eis und Bier.
Sie leben davon und machen alles so gut, wie sie nur können. Die geben sich richtig Mühe und das merkt man. Inzwischen bin ich ein Fan schwedischer Campingplätze und wünschte mir, dass es diese Entwicklung auch nach Norwegen schafft, wo es Brötchen nur auf einem Platz am Beginn des Jotunheimvegens gab, im Camp von Frau Huber aus Bayern.
Dalarna ist unbedingt eine Reise wert. Viel Natur, große Verlassenheit, wunderbare Schotterpisten über hunderte Kilometer, genügend Camps und auch eine Handvoll Sehenswürdigkeiten.
Wer aber viel besichtigen möchte, Kultur genießen, etwas erleben will, der wird vielleicht enttäuscht sein oder muss gründlich und genau vorplanen.
Letztlich frage ich mich: Würde ich wieder nach Schweden fahren?
Ja! Und ich möchte dieselbe Tour gerne einmal im September fahren, wie es der nette Mann im Porphyrmuseum in Älvdalen empfohlen hat:
„From 20th of August on is the absolut best Time for Dalarna, when the Colours bloom and the Mosquitoes are mostly gone.“„But September isn't that the rainy Month?“„Oh no! That's October. September is fine.“
Wir werden ihn beim Wort nehmen, den Museumswächter aus Älvdalen.
Und ihr so? Was sagt ihr zu Schweden?
Wart ihr da schon oder wollt mal hin?
Oder Schweden auf keinen Fall?
Ich bin neugierig.