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TET von Penzlin bis Templin
„Guten Morgen.“ „Frau Kühnke, richtig?“ „Ja, genau. Zwei Roggenbrötchen. Bezahlt sind sie schon.“ Ich stecke die Brötchentüte unter die Jacke und laufe unter dem Regen hindurch zurück zum Zelt.
Schnell den Reißverschluss zu und wieder in den warmen Schlafsack.
Ein leichter Landregen trommelt leise aufs Zeltdach.
Ich werfe den Kocher an und mache Wasser heiß.
Das Zischen der Gasflamme im Zelt hat etwas Heimeliges.
Es gibt bäckerfrische Brötchen, Butter, ein Tütchen Salz, Kaffee und ich habe sogar Sahne.
Irgendwann ist der letzte Krümel gegessen und es wird Zeit aufzubrechen.
Nicht gerade mein Lieblingsmoment, denn es regnet noch immer.
Zelten im Regen macht nur Spaß, wenn man liegen bleiben kann, Kaffee trinken, lesen oder dösen, aber wir müssen weiter. Der TET wartet.
Als ich vom Campingplatz auf die Straße nach Penzlin einbiege, liegt das Zelt als dreckiger, nasser Sack hinter mir auf dem Gepäckträger. Es ist ein Wunder, wie daraus jeden Abend wieder ein gemütliches Schlaf-, Ess- und Wohnzimmer wird. Dieser Trick verliert nie seine Faszination.
Wir rumpeln durch kleine Dörfer, die auf keinem Globus verzeichnet sind und biegen schon nach wenigen Kilometer auf den TET ein.
Heute fordert mich die Strecke. Es ist düster im Wald, dichtes Blätterdach, Regen, miese Sicht. Steif und unbeweglich wie das Michelin-Frollein sitze ich in meinem Kokon aus Motorrad- und Regensachen auf der Enduro.
Manche weiche Stelle, Matsch oder Sandfeld, bemerke ich erst, als die Honda schon ins Schlingern kommt. Der alte Trick hilft, Gas, Gas, Gas. Trotzdem fühle ich mich unwohl, unbeweglich, der hohe Schwerpunkt, die schlechte Sicht. Bloss nicht stürzen. Das letzte Mal, dass ich eine Enduro abgelegt habe, war 2014 auf dem Weg nach Masuren.
Es ist kniffelig, auf interessante Weise vom TET zu berichten. Was soll man schreiben? Weg ist matschig, jetzt wieder sandig, da ein Schlagloch und nun wieder Schotter? Ein Video wäre besser geeignet, um live vom TET zu berichten, aber das ist nicht mein Medium.
Gegen Mittag öffnet sich der Wald und ich rolle nach Neustrelitz ein.
Ich halte vor EDEKA und bin froh, für eine Weile ins Trockene zu kommen.
Es ist Samstag und ich kaufe gleich für zwei Tage ein.
Heute Abend gibt es Koteletts und für unser Sonntagfrühstück kaufe ich eine Pfeffersalami.
Heute wird mir der Weg lang. Auf dem TET geht es nur langsam voran und ich möchte endlich aus dem Regen raus. Eine letzte Etappe über Kopfstein und ich erreiche Templin.
Mecklenburg-Vorpommern liegt hinter uns. Wir sind in Brandenburg.
Templin hat eine gut erhaltene Stadtmauer mit drei Toren. Ich mache ein Foto vom Berliner Tor und fahre raus zum Campingplatz am Fährsee.
Der Campingplatz hat leider keinen Brötchenservice: „Wegen Corona dürfen wir keine unverpackten Lebensmittel mehr verkaufen. Auflage vom Amt.“ Bis gestern war das noch kein Problem, aber unser Gestern spielte auch in Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt sind wir in Brandenburg und hier gelten andere Bestimmungen.
Ich steige wieder aufs Motorrad und fahre die paar Kilometer zurück nach Templin. Eine Bäckerei hat noch auf und ich kaufe Brötchen für zwei Tage: „Können Sie die mir bitte in eine Plastiktüte packen, damit sie nicht hart werden. Ich will die erst morgen und übermorgen zum Frühstück essen.“
Die Tüte am Lenker baumelnd heize ich zurück ins Camp. Der Platz sieht auf den ersten Blick etwas abgewohnt aus. Auf den zweiten auch. Das Ufer ist fest in den Händen der Dauercamper.
Das ganze Ufer? Nein! Einer unbeugsamen Maus und ihrer Mama gelingt es, einen Platz auf der Liegewiese am Badeplatz zu ergattern. Das Leben ist nicht leicht für die Dauercamper, die als Besatzung am Ufer des Fährsees liegen.
Dauercamper haben es momentan ohnehin nicht leicht. Die Coronakrise hat für sie eine überraschende Nebenwirkung. Seit Jahrzehnten sind Campingplätze auf ihre Dauergäste angewiesen. Zu Jahresbeginn überweisen die im Schnitt etwa 1.000 € im Voraus für die ganze Saison. Das spült dem Platzbetreiber innerhalb von Tagen einen fünfstelligen Betrag in die Kasse.
Seit Beginn der Coronakrise aber ist Camping dermaßen angesagt, dass es lohnender sein kann, an Tagesgäste zu vermieten. Bei 180 Tagen Saison für ca. 35 Euro pro Nacht kommen um die 6.000 € zusammen. Sechsmal mehr, als ein Dauerstellplatz einbringt. Wenn ein Unternehmen solide dasteht und auf die Finanzspritze zu Jahresbeginn verzichten kann, lässt sich eine höhere Rendite erzielen.
Das führt dazu, dass sich auf manchen Plätzen wahre Dramen abspielen, weil Dauercamper nach über 30 Jahren ihre Zäune abreißen, die Gartenzwerge zusammentrommeln und Räder an ihre Wohnwagen schrauben müssen, weil ihr Vertrag nicht verlängert wird.
Für Tagesgäste kann das nur gut sein, denn Dauercamper haben einige recht unangenehme Nebenwirkungen. Dabei hatte ich selbst zwei Sommer lang einen Saisonplatz. Dauercamper besetzen meist die schönsten Plätze und vermitteln mitunter den Eindruck, sie hätten die größeren Rechte. Das rührt durch ihre Vertrautheit mit dem Platz und dem Personal her, aber es gibt keine Privilegien. Jeder Camper hat dasselbe Recht, ob der Wanderer im Minizelt, oder ein Wohnmobilist mit Doppelachse und Slide Out.
Es führt hoffentlich auch dazu, dass vermehrt in die Bedürfnisse von Reisecampern investiert wird, in bessere Stellplätze, die Camperküche und in Picknicktische. Dinge, die Dauercamper nicht benötigen, weil alles dabei haben, aber für Zeltcamper ein Segen. Kurzum: Es tut sich gerade etwas in der Campingszene und ausgerechnet Corona hat das angestoßen.
Am frühen Abend ziehen wir uns ins Zelt zurück und ich mache unser Abendessen. Wir sind beide müde und hungrig von dem langen Tag auf dem Motorrad.
Die Koteletts schmecken vorzüglich. Dazu gibt es ein Töpfchen Tsatsiki, das ein guter Passer zu den fetten Nackenkoteletts ist.
Morgen ist Sonntag und wir dürfen ausschlafen. Ich habe eine Tagestour ausgearbeitet, aber vorher werden wir gemütlich im Bett frühstücken.