Tagsausflug
Dieser Morgen hat alles, was ich an Camping gut finde. Einen Zeltplatz mit Aussicht, strahlenden Sonnenschein, heißen Kaffee und knusprige Brötchen. Dazu ist Sonntag und wir durften ausschlafen.
Auf dem Weg zu unserer ersten Besichtigung rollen wir mit 50 km/h durch Gerswalde. Auf einmal ein Hinweisschild: Wasserburg Gerswalde. Die war überhaupt nicht eingeplant. Klasse: Zwei Besichtigungen zum Preis von einer. Ich setze den Blinker und biege ab zur Burg.
Kurz hinter Gerswalde verkündet eine Tafel am Rand eines Ackers:
Biosphärenreservat Schorfheide Chorin. Herzlich willkommen!
Inzwischen habe ich übrigens herausgefunden, was eine Schorfheide ist. Eine Schorfheide - auch Große Heide - ist ein überwiegend geschlossenes Waldgebiet im Norden des Landes Brandenburg. Typisch sind die Waldwege mit Kopfsteinpflaster. Gut, dann wissen wir das.
Die Straße nach Meichow ist solch ein Waldweg mit Kopfsteinpflaster, aber so hübsch das Pflaster als Fotomotiv auch ist, beim Drüberfahren klappern einem die Zähne und ohne Urlaubsgepäck ist das ohnehin harte Fahrwerk noch härter. Ich stelle mich in die Rasten und gebe Gas. So oft es geht fahre ich rechts neben der Straße.
„Das Brandenburgische Museum für Klein- und Privatbahnen und Gramzower Museumsbahn ist ein Eisenbahnmuseum, Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen in der Gemeinde Gramzow [ ] im Norden Brandenburgs und wird als Zweckverband betrieben.“
Wer schreibt solche Sätze? Ich sehe ihn förmlich vor mir: männlich, blass, dünnes Haar, hohe Stirn, Cordhose, Oberhemd, ein karierter Pullunder, Brille mit Kassengestell und ist erst mit 42 bei Mama ausgezogen. So stelle ich mir den typischen Wikipedia Autoren vor.
Dass ich Prenzlau nicht mögen würde ahne ich allerdings schon, als ich vor der Stadt an einer Tafel vorbeifahre McDonald’s 5 min. Ich habe nichts gegen McDonald's, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Städte mit einem Speckgürtel aus Baumärkten, Kreisverkehren und Schnellrestaurants mich anöden. Da ist vieles, was ich nicht mag, inklusive zu vieler Menschen, Autos, Baumärkten und Kreisverkehre.
Boitzenburg ist zwar nur ein Dorf in der Uckermark, aber hier steht eines der größten Schlösser Brandenburgs. Ich parke gegenüber beim Marstall Boitzenburg, einem rustikalen Brauhaus mit Kaffeerösterei. In der Grillhütte davor lodert ein offenes Feuer und aus einem unsichtbaren Lautsprecher ertönt Rhinestone Cowboy von Glen Campbell.
Pieps und ich sitzen draußen, mampfen Bratwürste und hören Country. Gerade läuft Good Hearted Woman von Waylon Jennings & Willie Nelson. Ich erinnere mich an alte Zeiten, den fetten Pickup mit der Konföderiertenflagge auf dem Dach. Beides Dinge, die in den Achtzigern cool waren, aber heute nicht mehr gehen, weder der fette V8 noch die Flagge. Ich bin wirklich einen verdammt weiten Weg gekommen bis hierher.
„Ik beschäftige mir ja ooch mit alternative Meinungen, wah?“
„Aha“, denke ich. Jetzt kommts.
„Kennse een, auch nur een, der det hat? Nur een Einzjen?“
„Was hat?“
„Na Corona. Kennse auch nur een?“
„Nicht persönlich, nein.“
„Sehn se! Ik haa jeden jefraacht. Keener kennt een. Keener. Merkste wat?“
Sein Kumpel, ganz offensichtlich vom flacheren Ende des Genpools, nickt zustimmend und nimmt wie zur Bekräftigung einen Schluck aus seiner Bierdose.
„Ik frage mir, ob det nich allet so jewollt is. Von oben jesteuert. Die sind ja ooch alle nich an Corona jestorben, sondern MIT Corona.“
Ich bin sprachlos. Diese Querdenker Typen kannte ich bislang nur aus der Tagesschau. Wenn man sie aber in Freiheit dressiert erlebt, ist es ein klein wenig gruselig. Nirgendwo habe ich schrägere Typen gesehen als in Templin. Außer vielleicht noch in dieser einen Bar auf Mos Eisely.
Die Beiden verzwiebeln sich, als der Eine merkt, dass ich keine Lust habe über Corona zu diskutieren, und der andere, dass sein Bier leer ist.
Es wird Zeit, dass wir weiterkommen. Morgen gehen wir auf den letzten Abschnitt des TET. Ich freu mich schon.
„Gute Nacht, Welt.“
zum nächsten Tag...
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