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Episode 3 - Auf dem TET
„Guten Morgen.“ „Guten Morgen.“
Wieder sind Pieps und ich unterwegs Brötchen holen. Jeder grüßt höflich und wir grüßen fröhlich zurück. Nur eine aparte Frau um die vierzig in schicken Designer Jeans mit Handtasche stolziert stumm an uns vorbei. „Das bestümmt ne Westpocke, näh?!“
„So etwas sagt man nicht“, ermahne ich die Maus pflichtschuldig, aber innerlich muss ich grinsen und bin ziemlich sicher, dass Pieps recht hat. Erstaunlich, wie rasch man die Seiten wechselt, wenn man sich drüben wohlfühlt.
Heute fahren wir den ersten Abschnitt des TET vom Schweriner See über Dobbertin bis kurz vor Malchow. Ich hab noch überhaupt keine Vorstellung von der Strecke. Feldwege? Waldwege? Sand? Schwierig? Anspruchsvoll oder öde? Wieviel Asphalt?
Hoffentlich ist es ein schöner Trail. Das Wetter ist jedenfalls famos und ich habe total Lust auf Endurowandern. Die Tagesetappen sind extra kurz, damit genug Zeit bleibt zum Genießen, Filmen und Fotografieren.
Nach ein paar Kilometern geht es zum ersten Mal von der Straße runter auf einen Feldweg. Ein gut gepflegter Sandweg führt zwischen Feldern hindurch über weites Land. Mecklenburg ist schön.
Am Rand eines Rapsfeldes plötzlich eine sandige Etappe, aber die ist nicht schwierig. Mit etwas Gas ziehen die Heidenau K60 problemlos durch.
Nach ein paar Kilometern sind wir wieder auf Asphalt. Selbst die Etappen auf der Straße sind premium. Versteckte Nebenstrecken durch kleinste Dörfer. Die hätte ich ohne den TET nicht gefunden. Man kann schließlich nicht jede Straße selbst ausprobieren, um herauszufinden, ob es eine lohnenswerte Motorradstrecke ist.
Auf einer Tafel am Wegesrand steht etwas über ein Gutshaus Schönlage. Das Foto zeigt ein Gutshaus aus roten Ziegeln mit einem imposanten Treppengiebel. Ich sehe mich um. Wo ist das Haus. Ich sehe es nicht. Kommt eine alte Dame mit Hund den Weg entlang.
„Entschuldigen Sie bitte. Wo ist denn dieses Gutshaus?“ „Da vorne“, und deutet vage in eine Richtung. „Es war einmal wunderschön, aber seit 1998 steht es leer und verfällt.“
Der Treppengiebel und die Ornamente auf der Fassade sind noch immer schön, aber ansonsten ist es eine Ruine. Die Scheiben eingeschmissen, das Grundstück überwuchert. Lost Places. Ich mache ein paar Fotos und fahre weiter.
Zwischen Wiesen und Wäldern fahre ich weiter nach Osten. Immer wieder stehen Hochsitze in der Landschaft. Gemütlich tuckere ich am Waldrand entlang und genieße den sonnigen Tag und die schöne Strecke.
Kurz hinter Demen verschwindet der Weg im Wald. Die Sonne scheint durch das Laubdach und malt helle Flecken auf den Boden. So mag ich Endurowandern: Gutes Wetter, ein interessanter Trail, aber nicht so anspruchsvoll, dass man pausenlos kämpfen muss. Vor allem nicht mit vollem Urlaubsgepäck. Die K60 sind die perfekten Reifen dafür.
Wir sind im Sternberger Seenland und der Abschnitt des TET zwischen Venzkow und Demen ist besonders schön zum Endurowandern.
Je weiter nach Osten man kommt, desto größer werden die Traktoren. „Meine Güte, du bist aber ein großer Junge“, denke ich anerkennend, als mir dieser Monstertrecker in einer Biegung entgegen kommt.
„Mal sehen wer zuerst ausweicht“, kreische ich in einem Anfall von Irrsinn in meinen Helm, aber in diesem Fall bin ich es, die hastig runterbremst und auf den Grünstreifen fährt. Das ist ein Fendt 900 Vario. Man sollte nur die Schlachten schlagen, die man auch gewinnen kann.
Kurz darauf rolle ich nach Dabel ein. Häuser, Menschen und sogar Geschäfte. Wenn man auf dem Transeurotrail unterwegs ist, fährt man an allem vorbei, an Tankstellen, Supermärkten und Sehenswürdigkeiten. Dafür hat man den Trail. Wenn dann doch einmal eine Ortschaft auf dem Weg liegt, ist es ein regelrechtes Ereignis und das Kuhdorf wird zur Metropole. Auf dieselbe Weise wurde Dawson City am Klondike einst zum "Paris des Nordens". Man schraubt die Ansprüche runter, wenn sonst nichts ist.
Es gibt Schilder, die nimmt man kaum wahr, und dann gibt es solche, die haben sofort meine volle Aufmerksamkeit:
Hackbraten mit Butterbohnen und Salzkartoffeln. Portion 4.90 €.
Die Kreidetafel steht vor Fredy's Supermarkt, täglich frische Qualität.
Es ist 12 Uhr mittags. Zeit für Hackbraten mit Butterbohnen.
Ich stelle das Motorrad ab, will gerade in den Laden gehen, da fällt mir die Maske ein. Um ein Haar hätte ich sie wieder vergessen. Pieps hat ihre schon auf und sieht mich vorwurfsvoll an. „Ja, ja, ich weiß. Meine Güte, wie mir das auf die Nerven geht mit Corona.“ Dabei weisen gleich mehrere Schilder auf den Seuchenschutz hin.
!Achtung! Aufgrund der neuen Verordnungen ist Essen nur noch außer Haus möglich. Wir bitten um Ihr Verständnis. Bleiben Sie gesund!!!
und darunter
ACHTUNG Maskenpflicht
Es ist die Zeit der Schilder und der Ausrufezeichen. Zur Bekräftigung drei hintereinander am Ende eines Satzes!!!
Wir treten ein. Rechts kleiner Supermarkt, eine Art Tante Emma Laden auf Speed, und auf der anderen Seite ein Imbissrestaurant, so wie ich es mag: Handgemalte Schilder, klassische Imbissgerichte, günstige Preise, Schnitzel mit Pommes, 4,90 €, Kaffee 1 €, und vermutlich auch gute Portionen. Wir sind auf dem Dorf und Sattwerden ist hier Ehrensache.
Ich bestelle das Tagesgericht. Der Chef steht selbst hinter dem Herd und entschuldigt sich immer wieder, dass ich nicht an einem der Tische essen darf, sondern es nur noch zum Mitnehmen gibt.
„Für die Stammgäste ist das richtig schlimm. Das sind viele Alte, die jeden Tag hier zum Essen kommen. Aber ich kann nicht anders. Das Ordnungsamt fährt rum und kontrolliert. Sie können aber runter an den Dabeler See fahren. Vielleicht 200m von hier. Da ist so ne schöne Sitzgelegenheit. Da können Sie in Ruhe sitzen und essen.“
„Danke für den Tipp. Das mach ich. Ach ja: Und ich nehm noch einen Gurkensalat dazu, bitte.“ Der kostet nur 1 € extra und sieht lecker aus.
„Gerne.“
Fredy gehört zu den freundlichsten Menschen, die ich je getroffen habe. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist, aber: Sind die Menschen im Osten tatsächlich höflicher, freundlicher und zugewandter als bei uns im Westen? Oder war das eine Zufallsaufnahme?
Ich fahre mit Pieps runter an den See und finde dort den versprochenen Picknickplatz, wo wir uns in Ruhe ausbreiten können.
Fredy hat uns eine große Scheibe Hackbraten abgesäbelt und darauf eine ansehnliche Portion Kartoffeln geschaufelt. Richtig gute Hausmannskost. Meine Güte, wie lange habe ich keinen Hackbraten gegessen? Das letzte Mal vermutlich in Eutin in der Küche der Polizeikaserne. Das wäre dann 1982 gewesen.
Heimlicher Star des Essens ist der Gurkensalat. Mit Essig und Öl, Dill und Petersilie und einem Spritzer Zitrone. Wie ihn meine Oma Gerda gemacht hat. Sogar Pieps mag den.
Satt und zufrieden fahren wir weiter. Das Wetter ist perfekt und allmählich bekomme ich ein Gefühl für die Mecklenburger Landschaft. Weitläufig, verlassen, fruchtbar, sandig, Wälder, Wiesen, Äcker und Felder.
800 Jahre Klosterdorf Dobbertin steht auf einer blumengeschmückten Tafel. Ganz Dobbertin hat sich herausgeputzt. Das möchte ich mir näher ansehen und biege in die Zufahrt zum Kloster Dobbertin ein.
Kurz darauf geht es nicht weiter.
Halt!
Corona-Infektions Gefahr!
Betreten und Befahren der gesamten
Klosteranlage strengstens verboten!
Bei Zuwiderhandlung erfolgt strafrechtliche
Verfolgung!
Jeder Satz mit einem Ausrufezeichen und zur Abschreckung noch drei rote Verbotsschilder. Selbst die Kirche igelt sich ein in Zeiten von Corona. Ich mache ein Foto, wende und fahre zurück zur Hauptstraße.
Der Campingplatz für die nächsten beiden Nächte liegt am Plauer See bei Malchow, aber bevor wir unser Zelt aufschlagen können, fahre ich in den Ort zu EDEKA. Den Laden habe ich bei der Planung fein säuberlich in die Route eingebaut.
Heute soll es Entrecôte geben, aber als ich sehe, wie ansehnlich fett die Schweinekoteletts sind, entscheide ich mich im allerletzten Moment um: „Zwei von denen bitte. Mit viel Fett.“
Ich verstaue den Einkauf und fahre zum Camp. Naturcamping Malchow ist ein großer Platz am Ufer des Plauer Sees mit etwa 450 Stellplätzen. Es brummt. Das ist nicht zu übersehen. In der Check-In Reihe stehen zwei Wohnmobile und ein Wohnwagen-Gespann. Vor der Rezeption hat sich eine kleine Schlange gebildet. Es dürfen nur drei Leute gleichzeitig hinein.
Es ist der 1. September, aber selbst jetzt ist der große Platz noch komplett ausgebucht. Wer keine Reservierung hat, wird wieder weggeschickt.
Wir bekommen Parzelle 206. Kein sonderlich hübscher Stellplatz, aber wenigstens wächst darauf noch etwas grüner Rasen. In diesen schrägen Zeiten muss man froh sein, überhaupt einen Platz zu bekommen, ob mit oder ohne Golfrasen.
Es ist ein goldener Spätsommertag. Als das Zelt steht, gehe ich mit Pieps auf eine Platzrunde. Meine Güte, ist das voll hier. Die Camper stehen dicht an dicht, Holzkohlenrauch liegt in der Luft, es duftet nach Grillfleisch.
Wir wandern im großen Bogen zurück zur Rezeption. Ich habe vergessen, Brötchen für morgen früh zu bestellen. Wir bekommen einen Zettel mit der #33 und dürfen sie morgen ab 8 Uhr abholen.
Die Sommerreise im Juni ist komplett ausgefallen und ich bin geradezu ausgehungert nach Motorradfahren, Rumbummeln, Fotografieren, Zelten und unserer guten Outdoor-Küche. Was ist es nur, das ich daran so liebe? Das Gefühl von Abenteuer? Die Unabhängigkeit? Das einfache Leben? Keine Ahnung, aber ich mochte das schon immer.
Das Abendessen fällt zur allgemeinen Zufriedenheit aus. Die Koteletts sind saftig, fett und lecker, bloß leider eines zu wenig.
Morgen machen wir eine Tagestour in die Umgebung und besuchen einige bekannte Orte der Mecklenburger Seenplatte, Röbel, Waren und Malchow.