TET Germany 2020 Tag 1 Kiel - Flessenow Tag 2 Wismar Tag 3 TET Flessenow-Malchow Tag 4 Plau - Röbel - Waren Tag 5 TET Dobbin bis Penzlin Tag 6 Burg Stargard Tag 7 TET Penzlin bis Templin Tag 8 Gramzow-Boitzenburg Tag 9 TET-Oder-Niederfinow Tag 10 Niederfinow - Userin Tag 11 Userin - Malliß Tag 12 Malliß - Kiel
Heimreise und Fazit
Leise, ganz leise, kaum mehr als angehaltener Atem und Zehenspitzen.
In aller Frühe raschelt es fast unhörbar neben dem Zelt. Ninjas? Nein, das ist der Brötchenservice, denn als ich etwas später den Kopf aus dem Zelt stecke, steht eine Tüte frischer Brötchen auf dem Tisch unterm Sonnenschirm.
Jeder Betrieb sucht nach einem Alleinstellungsmerkmal, das ihn besonders macht und von anderen unterscheidet. Der Wiesengrund hat es. Wer nie morgens aus dem Zelt gekrabbelt ist und eine Tüte frischer Brötchen vorgefunden hat, weiß nicht wie schön das ist. Das gab es bisher nirgendwo sonst.
Minuten später sitze ich eingekuschelt in meinem Schlafsack im offenen Zelt beim Frühstück. Der Kaffee ist heiß und stark, die Brötchen knusprig und mit Käse überbacken.
Zelte scheinen natürliche Verstärker für Genüsse aller Art zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass löslicher Kaffee aus der Blechtasse mundet wie im feinsten Café, ein Brötchen mit Butter wie ein Frühstück im Ritz und unser Lager aus Isomatte und Schlafsack wie bester Federkern?
Nach dem Frühstück und einer mehr als oberflächlichen Morgentoilette: „wir sind ja heute Abend wieder zu Hause und dann “, breche ich ein letztes Mal in diesem Jahr das Lager ab. Das wars dann für lange Zeit.
Trotz guter Belüftung sind die Zeltwände nass von Kondenswasser. Es ist der 10. September, der Herbst naht. Bevor ich das Zelt einrolle und in den Beutel stecke, lasse ich es eine Weile in der Sonne trocknen.
Ich verabschiede mich herzlich aus Malliß und biege auf die Landstraße ein. Wir haben den ganzen Tag Zeit für die 200 km bis nach Kiel. Niemand treibt uns und ich bin fest entschlossen, jeden Kilometer der Heimreise zu genießen, denn danach ist lange Monate nichts. Kein Zelt, keine Reise, kein Köpper und kein Körsch-Eis.
Ein John Deere Traktor zieht einsam seine Bahn vor einem 7-Schar Wendepflug. Das Gegengewicht am Traktor ist schwarz-rot-gold lackiert. Die sind wirklich etwas speziell hier in der Gegend.
Was mir bereits die gesamte Reise über ins Auge sticht, ist die Sauberkeit im Osten, die Abwesenheit von Müll und Unrat. Abfall wird fein säuberlich in die dafür vorgesehenen Behälter geworfen, nicht daneben. Und es kommt auch keiner, der aus Jux den Boden heraustritt, so dass sich der gesamte Müll auf die Straße ergießt. Kann ich in Kiel jeden Montagmorgen an mindetens einer Bushaltestelle bewundern. Was ist hier anders? Ein Mangel an Phantasie? Oder sowas wie Anstand? Was immer es ist, das gefällt mir.
An der Dorfstraße durch Redefin steht ein Konsum, ein Supermarkt aus alten DDR Zeiten. Den kannte ich bis jetzt nur aus Erzählungen. Ich halte an und mache ein Foto. Die fertige Aufnahme wirkt wie ein Wimmelbild dörflicher Idylle, der kleine Laden mit dem gelben Postkasten vor der Tür, auf dem Dach die Sirene der freiwilligen Feuerwehr, auf dem Parkplatz der Wagen des Landmaschinenschlossers und im Hintergrund die Dorfkirche. Hier könnte ich mich wohlfühlen.
Kurz vor Gudow überqueren wir die Grenze nach Schleswig-Holstein. Mein Bundesland. Hier bin ich geboren, hier arbeite ich, hier lebe ich. Schleswig-Holstein fand ich stets etwas öde, flach, viele Wiesen und noch mehr Kühe. Jede Menge nichts zu sehen. Aber immer, wenn ich nach Hause komme, spüre ich, dass dies meine Heimat ist. Hier verstehe ich die Menschen und kapiere, wie sie ticken.
Ich bin so gerne in der Welt unterwegs, Frankreich gehört meine Liebe, Schweden Norwegen und Island, Polen und Tschechien, Österreich, Irland, England und Schottland. Überall interessant, fremd und neu. Aber ich brauche eine Heimat, um die Fremde zu genießen. Meinen abstrakten Plan, im Alter nach Frankreich zu ziehen, habe ich schon vor Jahren als Unsinn verworfen. Meine Reisen starten und enden in Kiel.
Auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Bad Oldesloe habe ich meinen Ich-werde-erkannt-Moment: „Bist du Svendura?“ Michael fährt eine Aprilia Pegaso und hat von uns gelesen. Ich gebe mir Mühe, nicht völlig aus dem Häuschen vor Freude zu wirken, aber tatsächlich finde ich es umwerfend, wenn jemand mich unterwegs erkennt. Obwohl die einzige Frage oft lautet: „Wo ist Pieps?“
Irgendwann am Nachmittag rolle ich durch das Tor runter in die Tiefgarage, „Hallo Greeny, wir sind wieder da!“ und stelle die Honda vor Smartie ab.
Claudia kommt in die Tiefgarage und wir begrüßen uns, wie zwei alte Tanten sich eben begrüßen, tränenreich und mit Umarmung.
In meinem Zimmer wartet eine Rose, eine Flasche Blanchet und zwei Gläser. Wir sind wieder zu Hause, Pieps und ich.
Fazit:
Elf Nächte und etwa 1.700 km entlang des TET, des Trans Euro Trail durch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Eine Reise, geboren aus der Pandemie. Und trotzdem war sie interessant und auch schön. Der Osten Deutschlands ist anders als der Westen. Wenn man aufmerksam ist, bemerkt man selbst 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch die Unterschiede.
Ich frage mich, was schiefgelaufen ist.
Als Deutschland nach dem Krieg geteilt wurde, war es überall ungefähr gleich hübsch, gleich hässlich, gleich kaputt.
Dann waren 40 Jahre DDR
und als man endlich die Mauer geöffnet und mal nachgesehen hat, stellt man fest, dass der eine Mieter seine Doppelhaushälfte stark verwohnt hat, während die andere Hälfte aussieht wie aus "Schöner Wohnen".
Wie kommt das? Wie erklärt sich das? Einfach nur, weil man eine Seite an einen Ami vermietet hat und die andere Hälfte an einen Russen? Ist das so einfach? Ich kenne die Antwort nicht, dazu fehlt mir das Wissen, doch was immer die Erklärung ist, man kann die Unterschiede kaum übersehen. Ich müsste meinen alten Geschichtslehrer, Herrn Treichel fragen, der wusste sowas, aber ein Reisebericht ist kein Geschichtsaufsatz und deshalb zurück zum Endurowandern auf dem TET durch Deutschland.
Ist der TET auch für Enduro Anfänger geeignet?
Ja! Die Strecke dürfte niemanden vor besondere Schwierigkeiten stellen.
Braucht man spezielle Reifen?
Nein! Die kann man auch mit Straßenreifen fahren, obwohl ein bisschen Stolle mitunter hilfreich ist, besonders auf nassem Gras. Ich bin diesmal mit Heidenau K60 gefahren.
Auch mit der Groß-Enduro?
Ja! Selbst mit der bekannten Reiseenduro, Seitenkoffern und Klapphelm wird der TET MeVo und Brandenburg Spaß machen. Kein Problem. Dazu ist die Strecke herrlich einsam.
Ist das alles auch legal?
Ja! Ich bin keine einzige verbotene Strecke gefahren. Man sollte sich aber stets den aktuellen Verlauf des TET herunterladen bei transeurotrail.org.
Während der Reise habe ich ab und zu die Kamera mitlaufen lassen und daraus einen Film geschnitten. Im Grunde nur eine langweilige Aneinanderreihung von Fahraufnahmen, aber wer vorhat, den Trail selbst zu fahren, bekommt einen Eindruck davon, was ihn erwartet und auch von den kleinen Überraschungen, die unterwegs lauern können.
Übrigens: Sollte auch 2021 noch Staycation angesagt sein, dann kann ich mir vorstellen, den TET noch einmal zu fahren. Diesmal aber in beiden Richtungen.
So schlecht kann es also nicht gewesen sein.