Inhaltsverzeichnis
Norwegen 2022
Tag 1 Kiel - Oslo
Tag 2 Oslo - Lillehammer
Tag 3 Peer Gynt Vegen
Tag 4 Jotunheimvegen
Tag 5 Slettefjellvegen
Tag 6 Slådals- u. Einunndalsvegen
Tag 7 Trontoppen u. Gammeldalen
Tag 8 Røros
Tag 9 Aursjøvegen
Tag 10 Trollstigen
Tag 11 Geiranger, Gamle Strynfjell
Tag 13 Stabkirche Urnes
Tag 14 Tindevegen - Snøvegen
Tag 15 Hardangervidda
Tag 16 Vrågåvegen
Tag 18 Vikersund - Oslo - Kiel
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Die Hardangervidda

Heute geht es auf die Hardangervidda! Wir werden auf der E7 an ihrem nördlichen Rand entlangfahren. Wer es wagt, tatsächlich über Norwegens heiligstes Natur­schutz­gebiet zu fahren, wird vermutlich verkloppt und darf mit einem internationalen Haftbefehl rechnen.

Motorradtour nach Norwegen

Ein wenig plagt mich das schlechte Gewissen, als ich von Vang Camping auf die E16 einbiege. Wer immer sich auf die rote Picknickbank setzt, wird danach unwiderstehlich nach Fischfett duften. Meine Güte, hat der Lachs mit Fett gespritzt. Sonst saugt das immer das Innenzelt auf.

Ich bin in Regensachen gestartet und muss deshalb nicht anhalten, als die ersten Tropfen fallen. Pieps ist das Wetter ohnehin egal, solange sie im trockenen Tankrucksack sitzen darf und ich später auf dem Spielplatz die Rutsche abwische.

Motorradtour nach Norwegen

Eine Tafel am Straßenrand kündigt einen Wasserfall an. In Norwegen gibt es so viele davon, dass die beschilderten häufig etwas Besonderes sind. Ich schalte runter und halte an, um zu gucken.

Der Skjervsfossen rauscht und schäumt mächtig. Auf der Website heißt es: Am Fuße des Wasserfalls können die Besucher die Dusche erleben, […] Wie schon der Name verrät, bekommt man hier bei hohem Wasserstand schnell eine Dusche.

Was ist das denn für ein Marketing? Das Letzte, womit Norwegen mich locken kann, ist eine weitere kalte Dusche zusätzlich zu der großen. Wenn es wenigstens warmes Wasser wäre, wie am Geysir in Island. Ich lege den Gang ein, lasse die Kupplung kommen und fahre weiter.

Motorradtour nach Norwegen

Die E13 führt buchstäblich von einem Tunnel in den nächsten. Kaum hab ich mir das Dunkel der einen Röhre aus der Jacke geschüttelt, geht es schon durch das nächste Portal zurück in die Finsternis.

Motorradtour nach Norwegen

Bei dem nassen Wetter ist mir das ganz recht. Wenn ein Tunnel nur lang genug ist, kommt irgendwann ein Abschnitt, wo der Asphalt völlig trocken ist. Das ist meine Liebingsstelle.

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Am nächsten Portal steht Vallaviktunnelen 7,7 km. Dieser Tunnel sah schon bei der Planung besonders aus, denn es gibt unter Tage einen Kreisverkehr. Die Röhre öffnet sich unvermittelt zu einer riesigen Halle, die mit beruhigendem blauen Licht beleuchtet ist. Große Straßenschilder zeigen die Fahrtrichtungen an.

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Gut so, denn mein Garmin nörgelt missmutig, dass es keine Satelliten mehr sehen und mir daher auch nicht raten könne, wo wir lang müssen. Wie denn auch? Über uns liegen 800 m massiver Fels!

Im Kreisel müssen wir rechts raus. Ich folge den beiden holländischen Wohnwagen. Die blinken, bremsen und lenken, als wüssten sie genau, was sie tun.

Plötzlich Tageslicht von vorn, und als ob ein Kreisverkehr im Tunnel noch nicht genug wäre, geht es unvermittelt auf eine gewaltige Hängebrücke. Hardangerbrua 1380 m steht auf dem ersten Brückenpfeiler.

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Hoch über dem Eidfjord rollen wir den Wohnwagen hinterher über die Brücke. Auf dem anderen Ufer geht es von der Brücke zurück in den Berg. Jetzt sind wir auf der E7. Die soll uns bis Geilo über die Hardangervidda führen. Ich bin so gespannt auf die Aussicht.

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18 km hinter Eidfjord kommt das verrückteste Tunnelsystem von allen, Mabøtunnel, Storegjeltunnel und Dalbergtunnel bilden einen Irrgarten aus Wendetunneln von 17 Kilometern unter Tage.

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Ich folge weiter stur meinen Holländern. Ein Wohnwagengespann ist wie eine Wanderbaustelle, aber im Moment ist mir das egal, denn es sind gute Scouts und überholen kann ich hier ohnehin nicht.

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Einige Kilometer weiter steht der erste Hinweis zur Hardangervidda, der größten Hochebene Europas. Ein Paradies zum Wandern, aber leider nicht zum Endurowandern, dabei führt einer der schönsten Radwege von allen übers Fjell: Der Rallarvegen.

Vor vielen Jahren habe ich mich da mit meiner KTM in einer Schneewehe festge­fahren. Eine Meisterleistung der Unvernunft. Das Bergen der Enduro hat dann auch viel weniger Spaß gemacht als das Versenken.



Heute weiß ich, dass man auf dem Rallarvegen nicht Enduro fahren darf. Schweren Herzens bleibe ich brav auf der E7. Auf den kurzen Abschnitten unter freiem Himmel bewundere ich die Landschaft, die an uns vorbeige­zogen wird.

Motorradtour nach Norwegen

Motorradtour nach Norwegen

Inzwischen hat es sich eingeregnet und ein Blick nach oben sagt mir, dass sich das sobald nicht ändern wird. Die Passagen unter Tage werden mehr und mehr zu willkommenen Trockenkellern.

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Am Beginn der Hochebene kommen wir an einer Schranke mit Ampel und Wartespur vorbei. Später finde ich heraus, dass hier die Sammelstelle zum Kolonnekjøring ist, zum Fahren in der Kolonne.

Dabei wird der Verkehr im Winter als Konvoi über die Hardangervidda geführt. Ein Schneepflug fährt vorneweg, ein weiterer bildet die Nachhut. Es dauert Stunden, bis ein Konvoi endlich bereit zur Abfahrt ist.

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Die Querung der Hardangervidda ist trotzdem nicht ungefährlich. Noch im Mai 2007 ist ein Konvoi im Schnee stecken geblieben. Fast 200 Menschen mussten zwei Tage lang ausharren, bevor selbst der große Schneepflug weiterfahren konnte. Ein Artikel darüber steht im Aftenposten

Motorradtour nach Norwegen

Allmählich geht mir das Wetter auf die Nerven. In zwei Wochen Norwegen hatte ich bisher nur zwei Sonnentage. Ich kann das aushalten, aber die Stimmung ist eine gedämpfte. Von der schönen Hardangervidda sehe ich bloß nass und grau, Wind und Wolken.

Auf der E7 herrscht reger Verkehr und ab und zu verpasst mir ein vorbei­rauschender LKW eine kalte Dusche. Ich werde langsam quengelig wie Pieps, wenn sie ins Bett muss.

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In der Ferne zwischen den Schneestangen taucht ein Gebäude auf. Eine Hütte? Kann das schon Dyranut Fjellstova sein? Die legendäre Berghütte, Restaurant, Café, Hotel und Oase in der Einsamkeit der Hardangervidda?
„Oh bitte, lass es das sein.“

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Ja. Sie ist es, die Berghütte Dyranut Fjellstova in 1.245 m Höhe auf der Hardangervidda. Ich stelle die Honda vorm Haus ab und eile durch den Regen zum Eingang.

Hinter der schweren Tür empfängt mich ein Gewirr aus Stimmen, Geschirr­klappern und warmem Kerzenschein. Der Raum ist auf die wunderbarste Weise überheizt, wie alle Hütten im hohen Norden. Mit jeder Faser genieße ich die heimelige Atmosphäre in der Hütte.

Während ich noch schwelge, studiert Pieps bereits die Gerichte, die mit Kreide geschrieben auf der Tafel stehen. Wir haben beide Hunger. Spaghetti Bolognese. Das ist es. Eines von Pieps' schier unzähligen Lieblingsgerichten.

Minuten später sitzen wir vor einem tiefen Teller Spaghetti mit Hackfleisch. Nudeln stehen sonst nicht auf meinem Speiseplan, aber Pieps ist selig und auch ich muss zugegen, dass dies die besten Nudeln sind, die ich je gegessen habe.

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Zufrieden, satt und kugelrund gegessen, steige ich im Vorraum der Hütte wieder in das nasse Regenzeug. Pieps verschwindet im Tankrucksack und ist im selben Moment fest eingeschlafen, glückliche kleine Maus.

Die letzten 55 km auf der Hardangervidda kauere ich mit einge­zogenem Kopf hinter der Scheibe der Africa Single. Es regnet von Horizont zu Horizont und ich glaube nicht, dass es jemals wieder aufhören wird.

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Endlich rollen wir nach Geilo hinein. Ohne anzuhalten fahre ich durch zum Campingplatz. Es sind viele Biker unterwegs und die Zahl der Hütten ist begrenzt. Ich wäre heilfroh, heute nicht noch ein Zelt aufbauen zu müssen.

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Vor uns rollen zwei Wohnwagen auf den Platz und ich muss eine Weile warten, bis ich an der Reihe bin.

„There should be one cabin left ... I think ... let me see...“, sagt der Rezeptionist und starrt mit zusammengekniffenen Augen auf den Monitor. Weiß er es wirklich nicht, oder will er nur die Spannung und damit den Preis erhöhen?

„Ah, there. No 1. The last one left. No water, no shower. I could give it to you for 600.“
Im Netz stand 500, aber das Wetter macht den Preis: „Ok, fine. I'll take it.“

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Geilo Camping ist ein furchtbar hässlicher Platz. Ein Stadtcampingplatz mit vielen Hütten, viel Asphalt und wenig Natur. Doch heute ist mir das völlig einerlei. Ich ziehe die Regenhandschuhe aus und freue mich, überhaupt noch eine Hütte bekommen zu haben. Nach uns wurde eine Gruppe Biker abgewiesen: „Sorry, but we're fully booked.“

In der Hütte stelle ich beide E-Heizungen auf 'Volle Fahrt voraus!' und hänge die Regensachen zum Trocknen auf. Meine Güte, welch ein Tag! Von der dramatisch schönen Hardangervidda Hochebene haben wir nur das Dramatische erlebt, das Schöne hatte heute leider frei.

Pieps und ich machen uns jetzt in unserer Hütte einen gemütlichen Abend im Schlafanzug. „Bis morgen, Welt!“




zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.