Inhaltsverzeichnis Dänemark Inselhopping 2023 Tag 1 Kiel - Haderslev Tag 2 Haderslev - Samsø Tag 3 Samsø Nordinsel Tag 4 Samsø Südinsel Tag 5+6 Samsø Der Rest Tag 7 Samsø - Møn Tage 8-11 Auf der Insel Møn Tag 12 Møn - Ærø Tag 13 Ærø Tag 14-15 Ærø und Heimreise
Motorrad-Kulturreisen
In meinem Lebensplan taucht unter 1.3.3 Lieblingsorte auch das Møns Klint Camping Resort auf. Ich liebe diesen Platz mit seinen bunten Hinweisschildern zur Dark Sky Area, den Camp Vibes, Sunset, The Gardens und der Feststellung All you need is Love.
Wegen Morgen wie diesen zelte ich. Pieps und ich sitzen im offenen Zelt, die Sonne scheint, Vögel zwitschern, es gibt Kaffee zum Frühstück und für Pieps eine denkwürdige Kombination aus Sauce Bernaise mit Marzipanbrötchen.
Lieblingsplätze sind schwer zu finden und ich bin fest entschlossen, jeden einzelnen davon zu verteidigen.
Vermutlich war ich deshalb so garstig zu den armen Vanlifern, die auf meinem Lieblingsplatz aufgebaut hatten. Egoistisches Volk, egoistisches!
Der Fernseher an der Wand im Aufenthaltsraum ist dunkel.
"Out of Order - Let the Children play" steht auf dem Zettel, den jemand mit einem Streifen Tesa auf den Bildschirm geklebt hat. Daneben stehen ein MONOPOLY Spiel und in paar Bücher.
Die sind echt lässig hier, auch wenn das Camp im Hintergrund perfekt organisiert ist. Dass diese Lässigkeit echt und nicht gespielt ist, wird sich in ein paar Tagen beweisen, aber das kann ich jetzt noch nicht wissen.
Heute ist kein Fahrtag, aber etwas Gutes zu Essen brauchen wir trotzdem. Ob es bei SuperBrugsen in Stege noch welche von diesen Entrecôtes gibt, die uns gestern so begeistert haben? Ich sattele Greeny und wir reiten los nach Stege in die Inselhauptstadt.
Welch ein Glück, unsere Steaks sind noch lieferbar.
Das sind nämlich World Steak Challenge - Triple Gold Winners von JN Meat aus Slagelse. Die Firma nennt sich selbst etwas abgehoben The Meat Sommeliers, aber nach dem ersten Bissen kapiert man es.
„Die könnt ich jeden Tag essen.“ „Ich auch, näh?!“ „Aber … ihr esst die jeden Tag.“ „Stümmt“, wie aus einem Munde.
Heute erwarten wir Besuch. Unsere Freunde Angelika und Dietmar, die Motorrad-Kulturreisenden aus Österreich reisen an, um ein paar Tage auf Møn zu verbringen, und ich besorge eine Handvoll nötiger Requisiten für ein würdiges Reenactment unseres Abends in der Tarn Schlucht.
Unsere Beute verstaue ich solange im Kühlschrank der Camperküche.
Inzwischen hat sich der Himmel bezogen, es ist windstill und im Zelt nur trübes Dämmrelicht. Wir legen uns aufs Bett, Pieps mit ihrem neuesten Pixi-Buch und ich mit … bzzZzz … chrrRrrr … bzzZzzzz …
Ich muss eingeschlafen sein, denn eine Stunde später bin ich noch immer auf Seite 127. Meine Freunde sollten nun bald eintreffen, Zeit aufzustehen und zur Rezeption zu wandern. Ich will ihre nagelneuen Honda Transalps in Aktion sehen, wenn sie auf den Platz donnern.
Honda hat die Transalp nach elf Jahren Abwesenheit neu aufgelegt und bisher habe ich noch keine in freier Wildbahn gesehen. In der Gorges du Tarn fuhren sie noch ihre bewährten, alten Transalps, beide mit Laufleistungen, wie man sie sonst nur vom Mercedes 200D Taxi kennt.
Schon höre ich den Sound von Motorrädern. Angelika und Dietmar sind über tausend Kilometer express, Überholspur, Blinker links, „Weg da!“ nach Dänemark gebrannt. Die neuen Maschinen haben diese Power, sind schnell und bequem. Mit Greeny wäre ich eine Woche unterwegs, ob mit oder ohne Blinker.
Sollte ich mir auch eine Honda Transalp zulegen - und es ist nicht so, dass ich darüber nicht nachgedacht hätte - dann ebenfalls in Ross White. Die Dreifarb Lackierung sieht klasse aus und die Enduro spielt in einer Gewichtsklasse mit der legendären Yamaha Ténéré 700.
Die Beiden haben eines der Ferienhäuser im Camp gemietet und ich freue mich, ihren Luxus mit genießen zu dürfen. Pieps ist notgedrungen auch dabei. Alleinlassen kann ich sie nicht und der letzte Babysitter hat seinen Namen geändert und ist weggezogen.
Auf der überdachten Terasse decken wir alles für einen langen Abend mit Rotwein und Käse, Entrecôte, Bier und guten Gesprächen. Wie sagt mein polnischer Freund Krzysztof, wenn er eingeladen hat? „Der Tisch muss reich aussehen.“ Und das tut er.
Im Camp
Einerlei, wann Licht aus war, kurz nach Sonnenaufgang sind wir munter. Pieps mehr als ich, aber sie hatte auch keinen Rotwein. Nicht, dass sie es nicht versucht hätte: „Darf ich ma' von deine Fanta?“„Nein!“
Nach dem Frühstück spazieren wir gemeinsam durchs Camp. "Die Platzrunde" ist ein Ritual. Es macht Spaß, sich einmal jeden Stellplatz (nicht parzelliert), jedes Zelt (wenige), jedes Wohnmobil (viele und viele Reiche) und all die anderen Camper anzusehen.
Camping Møns Klint ist überraschend groß. Die Dark Sky Area grenzt an ein Feld, von dem aus man bis zur Bucht sehen kann. Dark Sky Area ist übrigens kein Scherz. Durch die Lichtverschmutzung sind die Sterne nur noch an ausgewählten Orten gut zu sehen. Sie haben extra Liegestühle hingestellt, damit man einen bequemen Blick nach oben hat.
Daneben stehen zwei Feldstecher auf einem Hauklotz, versehen mit dem Hinweis, man möge die bitte nicht stehlen und auch die Stühle wieder zurückbringen. Dieses Urvertrauen begeistert mich. In Deutschland würde der erste die Feldstecher klauen, der zweite die Stühle in den Kofferraum legen und ein dritter mit dem Anhänger vorfahren und das Holz einladen. In Dänemark machen die das nicht so.
Neben der Stelle fürs Lagerfeuer steht noch ein Hauklotz. Darin steckt eine Auswahl von Schnitzmessern, die man bitte ebenfalls nicht stehlen möge. „Manfred? Ich bins, Herbert. Kannst du noch'ma komm mit dein Anhänger? Wir ha'm hier was übersehen.“
Das Camp hat wunderbare geheime Plätze, secluded spaces, wo man so ungestört ist, als würde man wildcampen. Das wäre auch ein schöner Platz für Greeny, Pieps und mich, nur dass es von hier aus eine Weltreise zum Brötchenholen ist. „Und zu die Eistruhe, näh?! Und zu dein Bier'schen und zu Pizza und zu'n Klohaus und …“ „Pieps? Ist gut. Wir haben es verstanden.“
Ismejeri und Spisestättet
Die Sonne ist heute morgen blass und auch nur halb, aber es verspricht ein herrlicher Tag zu werden. MKR, Motorrad-Kulturreisen und ich wollen gemeinsam über die Insel kreuzen, etwas, dass wir sonst aus tiefster Seele verabscheuen.
Ich hasse es, mit anderen zu fahren. Entweder gucke ich ständig in den Rückspiegel: „Wo bleibt der? Gas ist rechts“, oder es nervt mich das Zuschnellfahren: „Boah, hier ist 80. Weiß der, was das kostet?“
Wer mich vorfahren und scouten lässt, muss damit rechnen, dass wir uns verfahren, „ich dachte echt, hier lang“, und wir von Zeit zu Zeit auf eine Strecke kommen, die entweder streng verboten, oder nur mit einem Moto Crosser zu schaffen ist: „Mein Garmin hat das aber so geroutet …“
Schließlich schaffen wir es doch zur Møn Ismejeri & Gårdbutik, Eismeierei und Hofladen. Wir stellen die Enduros auf dem Parkplatz vorm Kuhstall ab. Die Kühe stehen in einem weit offenen Stall. Von denen kommt auch die Milch für die gute, gesalzene Butter, die wir so mögen.
Das Møn Is soll besonders gut sein. Es wird hier auf dem Hof gemacht. Pieps drückt sich die Nase platt an der Scheibe des Eistresens. Es gelingt mir, sie auf zwei Kugeln runterzuhandeln, jede einzelne allerdings größer als die Maus selbst. Ich bin der Weselsky der Kindererziehung.
Für mich bestelle ich bloß Kaffee, ich mag kein Eis, aber Angelika und Dietmar sind von der sahnigen Qualität begeistert. Angelika vertilgt mehr von dem kalten, süßen Zeug, als ich je live einen Menschen habe vertilgen sehen. Österreicher …
Auf dem Rückweg machen wir einen Abstecher zur SPISESTÄTTET im Hafen von Møn. Sind dänische Bezeichnungen nicht süß und sprechend? Leider hat ein neuer Besitzer den Laden umbenannt in GRILLEN, aber kapiert man immer noch, was gemeint ist.
Seit dem Umbau ist der Imbiss nicht mehr so schraddelig wie früher und jetzt haben sie auch leckeren Fisch auf Brot. Für Pieps und mich nehme ich zwei Fischfilet auf Schwarzbrot und dazu ein eiskaltes 0% Bier.
Von Stege fahren wir raus zum Museumsgård, einem Freilichtmuseum. Der letzte Besucher fährt gerade vom Parkplatz, das Museum schließt, aber wir können trotzdem überall ungestört herumspazieren.
Es gibt sogar eine Zeltwiese mit flauschigem Rasen in Braucht-man-keine-Isomatte Qualität, hübschen Picknicktischen, Sonne und Schatten. Für die Übernachtung soll man 5 € in ein Kästchen aus Holz einwerfen, das mit dem süßesten aller Schlösser gesichert ist: „Ja, Herbert, Manner hier. Bist du noch auf der Insel? Wir müssen hier nochma' ran …“
Sollte unser Platz in Møns Klint beim nächsten Besuch wieder besetzt sein, drehe ich wortlos um und komme hierher. Spätestens, wenn das Museum am Nachmittag schließt, ist man ganz allein. In der Bauernkate ist auch ein Badezimmer, nichts in Hüppe-Duscha Qualität, aber für Pieps und mich völlig in Ordnung, wir sind nicht fuzzy.
Auf dem Rückweg ins Camp decken wir uns bei Slagter Stig in Stege mit Æbleflæsk, Ribbesteg und Kötbullar ein für unseren gemeinsamen Abend in der Hütte mit gutem Essen in guter Gesellschaft.
Es ist stockfinstere Nacht, als ich im Dunkeln - leicht angetrunken - den Weg zu unserem Zelt suche. Meine Güte, ist das finster hier.
Dark-Sky-Area, pöh!
Ausflug nach Nyord
Der Morgentau verdunstet in der aufgehenden Sonne. Aus einem der Wohnwagen ist das leise Rauschen einer Gasheizung zu hören. Der Herbst naht.
Unsere Hinterhof Nachbarn im VW Bulli sind verschwunden. Sie haben ihren Irrtum wohl eingesehen und stehen jetzt auf der Wiese am Klohaus. Nun haben wir unseren Platz wieder für uns allein.
Für heute Morgen haben wir einen gemeinsamen Ausflug zur Insel Nyord verabredet.
Nyord ist ein winziges Anhängsel im Norden von Møn.
Nach einer weiteren Irrfahrt über die Insel unter meiner souveränen Führung - die peinlichen Einzelheiten lest bitte im Original bei Motorrad-Kulturreisen - erreichen wir schließlich den Damm hinüber nach Nyord.
Für Besucher ist die Insel Fußgängerzone. Wir stellen die Enduros auf dem Besucherparkplatz ab und schlendern durch den Ort.
Wir sind alle schon hier gewesen und wandern gelassen hinunter zum Hafen. Das Besondere an Nyord ist vielleicht, dass hier im Grunde nichts Besonderes ist, allein die Ruhe, die hübschen Häuser und eine ungeheure Abgeschiedenheit vom Rest der Welt.
Es gibt sogar eine Herberge, Ragnhilds Gård. Ein altes Bauernhaus in Vier-Flügel-Bauweise, so dass in der Mitte ein geschützter Innenhof bleibt. Sie haben auch Restaurantbetrieb.
Eine gebratene Leber mit Sauce und Kartoffeln und ein alkoholfreies Bier später machen wir uns wieder auf den Weg zurück zum Parkplatz. Vor einiger Zeit hatten wir einen Motorradtausch verabredet, ich darf einmal die neue Transalp fahren, und Geli fährt Greeny, The Field Moped.
Für uns alle ist es eine denkwürdige Fahrt. Ich bin überwältigt von der fulminanten Gewalt der Honda Transalp, Angelika erschüttert von so wenig Motorrad unter sich, und Dietmar besorgt, was er tapfer zu verbergen sucht. Es gelingt ihm nicht besonders gut.
In Stege halten wir und stellen die natürliche Ordnung wieder her. Für mich bleibt der überwältigende Eindruck von Kraft, Komfort und Bequemlichkeit, für Geli ein „Oh, meine Güte“, und für Dietmar der Eindruck von „Nochmal gut gegangen …“
Tatsächlich hat es Riesenspaß gemacht, aber nun bin ich mir sicher, dass Zweizylinder Enduros nicht für mich sind. Das ist nicht der Weg.
Sie sind mir schlicht „too much.“
Gerade deshalb war der Tausch heute so wichtig: Ich weiß, wo ich nicht weitersuchen muss, Honda Transalp, Ténéré 700, Suzuki V-Strom sind alle aus dem Rennen. Ich bleibe bei den Einzylinder-Enduros. Das ist der Weg. (The Mandalorian, 2019)
Es ist unser letzter gemeinsamer Abend in Dänemark. Angelika und Dietmar fahren zurück nach Wien, und wir setzen unser Island-Hopping fort. Das Camp hat eine erstaunlich gute Pizzeria. Wir bestellen dreimal Pizza Take away zum Hieressen mit Rotwein.
Ihr müsst jetzt leider nach Hause gehen. Kann vielleicht einer solange auf Pieps aufpassen? Ich hol sie morgen früh wieder ab. „Gute Nacht Welt. Und danke schön.“
