Von Møn nach Ærø
Bis auf einen dummen, kleinen Zwischenfall mitten in der Nacht, der ebenso unnötig wie vermeidbar gewesen wäre, ist es ruhig geblieben im Camp.
Auf der E47 halte ich Greeny bei etwa 100 km/h. Es ist wenig Verkehr und ich hänge ungestört meinen Gedanken nach. Ich denke hierhin, dorthin, ringsherum, nichts bestimmtes und in diesem Moment fällt mir siedend heiß ein:
Ich habe vergessen zu bezahlen!
Møns Klint ist eines der wenigen Camps, wo man erst hinterher bezahlt, beim Auschecken, aber ich habe nicht ausgecheckt und nicht bezahlt. Sogar die Duschkarte habe ich noch in der Tasche. Ich bin abgehauen, geflohen, getürmt, hab 'n Schuh gemacht und die Zeche geprellt. Ich war eindeutig zu lange von Verbrechern umgeben.
Wie konnte mir das passieren? Sowie wir am Fähranleger für Langeland angekommen sind, zücke ich mein Handy, rufe auf dem Campingplatz an und erstatte Selbstanzeige: „I'm so embarrassed. What can I do?“
Die Dame am anderen Ende kann sich das Lachen kaum verkneifen. Es geschieht wohl nicht selten, dass Gäste abhauen ohne zu bezahlen. Nicht alle sind Verbrecher: „Send us an email and we'll send you a link to pay online. No worries, take your time and pay when you are home again.“
„And the shower card?“
„Just throw it away. We've got plenty“
Die Lässigkeit im Møns Klint Camping Resort ist echt. All you need is Love war nicht nur gespielt. Erleichterter könnte ich nicht sein.
Es ist wichtig, dass wir jetzt möglichst schnell von Bord kommen. Um die Fähre nach Ærø zu erreichen, bleiben uns nur zwanzig Minuten. Wir müssen einmal quer durch Langeland fahren und noch ein Ticket kaufen. Schaffen wir das?
Ich halte Greeny knapp unter 90 km/h und schalte nervös hin und her, was völlig sinnlos ist, aber mir zumindest das Gefühl gibt, alles getan zu haben, um das Schiff zu erreichen, und wenn es bloß Schalten ist.
Als ich mit Greeny in Rudkøbing auf den Anleger heize, liegt die Fähre schon abfahrbereit am Kai. Alle Fahrzeuge sind bereits verladen und ein stattlicher Mann im weißen Uniformhemd will gerade die Klappe schließen. Als er uns sieht, hält er inne und lässt uns als Letzte noch an Bord rollen: „Danke schön, Kapitän! Where can I buy a ticket?“ „On board.“
Die Sonne scheint, die See ist ruhig und der „Gebühr, Gebühr!“ Mann geht von einem Fahrgast zum nächsten und kassiert den Fahrpreis. Er hat eine knappe Stunde Zeit, bevor wir auf Ærø anlegen werden.
Früher hatten die immer einen Lederbeutel mit Münzspender umgehängt und man bekam ein kleines Billet aus derbem Papier, grün oder rot, das von der Rolle abgerissen wurde, aber heute ist das alles digital und man bezahlt mit Handy oder Karte.
P I E E E E E E E E E E P - P I E E E E E E E E E E P !
Ein ohrenbetäubender Alarm. Nicht auszuhalten. Welche Gefahr droht? Piraten? Kollisionskurs? Pest an Bord? Was ist los?
Der Alarm dauert etwa eine Minute, verstummt und springt nach einer Weile erneut an. Was zum Henker? Dann entdecke ich die Ursache: Ein nagelneuer VW Bus mit Berliner Kennzeichen. Immer wenn ein Windstoß das Schiff erschüttert, kreischt der Alarm des Bully los.
Etwas abgesetzt die stolzen Besitzer. Bei jedem erneuten Alarm fummelt Er, Typ Oberstudienrat, Deutsch und Erdkunde, den Autoschlüssel aus der Hosentasche, „piep, piep“ und schaltet den Alarm wieder ab.
„Sag mal! Wozu machst du den überhaupt erst scharf?“, ranze ich ihn an. Seine Else guckt sofort pikiert in die andere Richtung. „Der ist mir schon mal geklaut worden“, verteidigt sich der Pauker kleinlaut. Er hat Glück: Ich will meine Bewährung nicht aufs Spiel setzen und lasse ihn in Ruhe.
Die haben 'ne Meise, die Berliner. Oder, wie die Wiener sagen: „Piefkes!“ Nicht mal die Navy Seals mit zwei Sikorsky Hubschraubern könnten den Bulli von Deck klauen aus der Mitte aller Autos, ohne vorher das Oberdeck abzusprengen.
Kurz darauf erneuter Alarm, aber diesmal ist es das Schiff selbst, das mit seinem Typhoon einen Freizeitskipper aus der Fahrrinne hustet, der da absolut nichts zu suchen hat. Das Fahrwasser für die Berufsschifffahrt ist deutlich gekennzeichnet, rot für Backbord und grün für die andere Seite. Unnötig zu sagen, dass schwarz-rot-gold von der Reling weht.
zum nächsten Tag...
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