Inhaltsverzeichnis Dänemark Inselhopping 2023 Tag 1 Kiel - Haderslev Tag 2 Haderslev - Samsø Tag 3 Samsø Nordinsel Tag 4 Samsø Südinsel Tag 5+6 Samsø Der Rest Tag 7 Samsø - Møn Tage 8-11 Auf der Insel Møn Tag 12 Møn - Ærø Tag 13 Ærø Tag 14-15 Ærø und Heimreise
Die Erforschung von Ærø
Mit dem ersten Becher Kaffee in der Hand schlendere ich hinunter zum Strand. Die groben Kiesel knirschen unter den Schuhen. Am Ufer steht eine Seilwinde für Netze.
Eine Gruppe Frühaufsteher badet im Meer, auf dem Steg liegen Handtücher und Badelatschen.
Kiefernduft liegt in der Luft, es duftet nach Hagebutten, Salz, Meer und Brombeersträuchern. Meine Güte, welch ein Ort, welch eine schöne Insel.
Bevor ich vollends weich werde, wandere ich zurück und sattele das Motorrad. Wir sind doch nicht zum Vergnügen hier, schließlich gilt es eine Insel zu entdecken. Ein Eigenauftrag, aber nicht minder verpflichtend.
Kurze Zeit später starten Greeny, Pieps und ich zur offiziellen Erforschung der dänischen Ostseeinsel Ærø. Bisher weiß ich nichts über die Insel im kleinen Belt.
Vom Camp sind es kaum 2 km bis zum Hafen in Søby, eine ausgeprägte Segler-, Fischer- und Werftenstadt, und neben Marstal und Ærøskøbing der dritte Fährhafen der Insel.
Ich fahre mit Greeny bis auf den Kai.
Søby ist Ærøs größter Fischereihafen, was aber mehr über die Kleinheit der Insel aussagt als über die Größe des Fischfangs. Die meisten Trawler sind längst verschwunden. Heute sind es kleine Fischerboote, wie jenes, das just vorüberguffel guffel guffelt.
Es hält Kurs auf die offene See.
Die Grete Fighter, ein alter Saugbagger, liegt zur Überholung in der Werft. Aus dem Innern des Schiffs schallt allerlei klink-klonk zu uns herüber und vom Reparaturkai ist das unverkennbare Zischen eines Schneidbrenners zu hören.
Greeny braucht frisches Benzin. Am Hafen soll eine Tankstelle sein, aber zuerst fahre ich zweimal blind daran vorbei, bevor ich die Tanksäule beim dritten, schon leicht verzweifelten Versuch endlich sehe.
Es gibt nur eine Sorte: 95 Oktan E10. Widerstrebend lasse ich den Sprit mit seinen 10 % Bioethanol in den Tank gluckern. „Entschuldige, Greeny. Zuhause gibt es wieder das gute Super mit 100 Oktan. Verprochen!“
Von der Tankstelle hat man einen prima Blick auf die Ostsee.
Draußen liegt ein Segelschiff vor Anker, ein Dreimaster. Die Silhouette kommt mir vage bekannt vor Ist das nicht die Thor Heyerdahl?
Die liegt sonst am Seefischmarkt zuhause in Kiel. Das ist ihr Heimathafen.
Der alte Dreimastschoner ist berühmt als Klassenzimmer unter Segeln.
Auf einem steht Classroom under Sail.
Schüler der 10./11. Klassenstufe Gymnasium gehen damit auf Seereise. Der Törn dauert ein halbes Jahr und geht bis in die Südsee.
Fünf Lehrer segeln mit und der Unterricht findet an Bord statt. Die nächste Reise beginnt in drei Wochen und am Seefischmarkt findet eine offzielle Verabschiedung statt.
Kein Projekt aus dem Bereich Schule und Bildung begeistert mich so sehr wie die Idee der Thor Heyerdahl. Was die Gorch Fock für Offiziersanwärter der Marine, ist dieses Schiff für Abituranwärter der Gymnasien. Meine Güte, es gibt schöne Sachen auf der Welt und nicht nur Dreck.
Wir sind noch keine Stunde unterwegs und haben schon etwas Tolles gesehen.
Jetzt wollen wir frühstücken. Seefahrt macht hungrig.
Der nette Campingmann hatte mir einen Tipp gegeben: Finn's Bageri, eine gute, altmodische Bäckerei nur wenige Schritte vom Hafen entfernt.
Am Tresen bedient eine alte Frau, klein, rundlich, weißes Haar mit Dutt, der Archetyp einer lieben Omi. Mit der Kundin vor mir spricht sie Deutsch in diesem süßen dänischen Akzent, der so sympathisch klingt. Ich frage:
„Kannst du mir zwei Birkes mit Butter machen, bitte? Und einen Kaffee?“
In Dänemark duzt man sich.
Es dauert kaum eine Minute, da liegen schon vier Brötchenhälften mit Butter vor mir auf einem Teller. „Das ging aber schnell!“
„Ich bin ja auch eine Ninja-Oma!“, antwortet sie lachend und strahlt über beide Backen. „Kaffee musst du am Automaten selber holen. Drück auf Extra stark bis das nicht mehr weitergeht, dann ist er genießbar.“
Unsere Beute trage ich in den Kaffeegarten neben dem Café. Gegenüber liegt ein verwildertes Grundstück. Auf einem kleinen, runden Schild steht "Vild Have. Et lille paradis for insekter fugle og andere smådyr“. Wilder Garten. Ein kleines Paradies für Insekten, Vögel und andere Kleintiere. Man muss Dänemark einfach lieb haben.
Von Søby fahren wir raus zum Voderup Klint. Ein schmales Asphaltband führt durch Vindeballe - Einwohnerzahl 204 - hinaus bis zur Klippe.
Unser nächstes Forschungsobjekt heißt Voderup Klint.
Der Weg endet nur wenige Meter vor der Abbruchkante. Ich stelle Greeny ins Gras, lege den Helm auf den Lenker und wandere den Pfad hinunter auf die Klippe.
Im dänischen Wikipedia heißt es über Voderup Klint:
ist eine 33 Meter hohe und 3,5 km lange Klippe auf Ærø, die aus Erdrutschterrassen besteht, die wie riesige Stufen das Meer und die hohe Insel verbinden.
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Der seltene Laufkäfer Großer Goldlaufkäfer wurde Anfang Mai 1996 auf Voderup Klint beobachtet und ist seitdem eine regelmäßige Art in Dänemark.
(frei nach Google Translate)
Eigentlich hat er hier nichts zu suchen, der grün-goldene Käfer, weil es in Dänemark zu kalt ist, aber dies ist ein Südhang und der Bestand, so heißt die Bevölkerung bei Käfern, wird auf 250 Einwohner geschätzt. Pieps lauscht meinem Vortrag aus der Welt der Käferkunde mit jenem speziellen Desinteresse, wie man es sonst nur von Teenagern kennt.
Wir brechen auf zu unserem nächsten Forschungsziel, nach Ærøskøbing, dem historischen Hauptort der Insel. Historisch bedeutet, früher waren sie mal Inselhauptstadt und wichtig, heute ist es Marstal.
„Pöh “
Ich tuckere mit dem Motorrad durch den alten Ortskern. Die Straßen aus Katzenkopfpflaster sehen mittelalterlich aus. Wer wissen möchte, was das dänische hygge bedeutet, kann ein Foto von Ærøskøbing anschauen, das erklärt schon eine Menge.
Ein Rechtsanwalt hat ein besonders schönes Schild aufgehängt: Advokat. Darauf der Anwalt und ein Stapel Gesetzesbücher mit einer Säge darin.
Ærøskøbing gilt als malerischste Stadt der Insel und darüber hinaus als eine der schönsten Kleinstädte Dänemarks, sagt Wikipedia über den Ort, der auch den Spitznamen Märchenstadt trägt.
Der Tourismus ist heute die Haupteinnahmequelle der Stadt, auch wenn die Einwohnerzahl sinkt, wie überall im ländlichen Dänemark, besonders auf den Inseln. Auf Samsø gab es sogar Reklameschilder, ob man nicht bitte vielleicht gerne auf die Insel ziehen möchte?
Am Hafen steht ein großes, imposantes Haus, das kaum zu übersehen ist:
Das Badehotel Harmonien. Der Bau von 1850 trägt seit einer Renovierung vor ein paar Jahren wieder Rosa.
Die Außenterrasse aus schwarzem Holz bildet einen hübschen Kontrast dazu.
Der Dannebrog auf dem Dach hat die Größe eines Bettlakens.
Vom Harmonien rolle ich mit Greeny 100 m abwärts bis auf die Kaimauer. Im Hafen herrscht reger Betrieb, fast alle Liegeplätze sind belegt mit Booten verschiedener Größen. Der Wind bläst über eine kabbelige See und man hört die Leinen der Segelboote gegen die Masten schlagen.
Von Ærøskøbing geht es die Küste runter nach Marstal, wo wir gestern mit der Fähre von Langeland gekommen sind. Zwei Sehenswürdigkeiten gibt es in Marstal, die ich mir anschauen möchte, die bunten Badehäuschen, für die Ærø berümt ist, und die Heiße Theke bei Superbrugsen.
Die Badehäuser stehen auf Eriks Hale, einer schmalen Landzunge, die von Marstal 400 m ins Meer hinaus reicht. Die Hütten ohne Strom und fließend Wasser wurden in den 1920er Jahren gebaut, als die Badekultur vorsah, dass man sich sittsam am Strand entkleiden konnte, Frauen und Männer getrennt.
Die Hütten unterliegen strengen Regeln, neue dürfen nicht mehr gebaut werden, und wenn eine durch Wind und Wellen zerstört wird, muss sie innerhalb von sechs Monaten wieder aufgebaut werden. Oder nie mehr. Theoretisch darf man darin nicht einmal übernachten.
Das Grundstück um die Hütte darf nicht eingezäunt, keine Gartenmöbel dauerhaft aufgestellt werden, keine Dachrinnen, keine Solarzellen, dafür freie Farbwahl, außer Neonfarben. Das Ufer darf in keiner Weise befestigt werden, nicht mit Steinen und nicht mit Betonplatten.
In sechs Wochen wird das alles keine Rolle mehr spielen, weder die Gartenmöbel, noch die Neonfarben, denn dann kommt eine gewaltige Sturmflut über Ærø, die fast alle bunten Badehusene ins Meer spülen wird. Aber das kann ich jetzt noch nicht wissen.
Später werde ich bedauern, nicht jede einzelne Hütte fotografiert zu haben, das wären jetzt historische Aufnahmen. Zum Trost hat Claudia drei der Badehäuschen gezeichnet, und das sieht auch sehr hübsch aus.
Von Eriks Hale fahre ich auf sandigen Wegen an der Küste entlang zurück in Richtung Søby. Die schmalen Sandwege schlängeln sich malerisch an weiß eingezäunten Pferdekoppeln vorbei durch eine hügelige Landschaft. Man hat einen prima Blick aufs Meer.
Das mag ich so daran, mit Greeny the Field Moped unterwegs zu sein. Mit dem leichten Ackermofa kann ich überall herumstochern, ohne mir groß Gedanken zu machen, wie ich da wieder wegkomme. Notfalls kann ich sie am Dubs fassen und herumwuchten.
Der Conti TKC80 Stollenreifen ist der perfekte Passer für dieses Motorrad, auch wenn diese inzwischen reichlich abgefahren sind, aber für Ærø sind sie noch immer sehr ok.
Von SuperBrugsen in Marstal habe ich uns ein Ribbensteg aus der heißen Theke mitgebracht, das uns buchstäblich ein Loch in die Tasche brennt. Wir haben Hunger. Die Butterbrötchen der Ninja-Oma sind inzwischen auch längst historisch.
Auf dem Rückweg kommen wir wieder am Herrenhaus
Søbygård vorbei, das ringsum von einem Wassergraben inklusive Zugbrücke umgeben ist. Es wurde 1580 von Herzog Hans dem Jüngeren von Schleswig-Holstein-Sønderborg erbaut.
Heute wird Søbygaard für Ausstellungen und Konzerte genutzt.
Wir fahren zurück nach Hause zu unserem Zelt. Ich möchte mein Buch weiterlesen und Pieps möchte ein Eis, ein Kotelett, ein Ribbensteg, ein neues Pixi-Buch, ein Alles. Eben, was sie immer will