Restarbeiten
Was uns auf Reisen am besten gefällt? Nicht allein das Motorradfahren und das Unterwegs-sein, sondern das Leben im Camp mit Schlafsack, Zelt und Bratpfanne, Speck, Ei und Krümelkaffee, mit Pieps und Körscheis. Morgens im Zelt aufzuwachen ist ein Erlebnis, Auge in Auge mit der Natur. Besonders mit Ohrenkneifern.
Vom Camp führt ein Schotterweg die Küste entlang nach Søby. Vielleicht ist es nicht immer so, aber zumindest heute, an einem neunten September herrscht hier der blanke Undertourism. Es ist schlicht keiner da.
Vorm Supermarkt steht ein Pickup mit FRISKE FISK. Eiswasser tropft von der Ladefläche auf den Parkplatz. Eine Kundin, Typ Gutemine steht in Verhandlung mit dem Fischhöker: „Ist dieser Fisch auch wirklich frisch?“
„Aber ja doch! Das ist bester Fisch frisch aus dem Meer.“
Während ich Verleihnix dabei zusehe, wie er den Fisch in einen grünen Plastikbeutel steckt und ihn mit geübtem Griff verknotet, tutet ein Schiff. Die Fähre aus Fynshav läuft ein. Mit der geht es morgen aufs Festland. Das ist eine prima Gelegenheit, sich vorab die Verladung anzusehen.
Das Schiff legt an und die Fahrzeuge rollen von Bord. Gleich das zweite ist ein Trecker mit Frontlader. „Schöner Trecker“, sagt Pieps mit Kennermiene, „Fendt Farmer mit Frontlader“, und nickt anerkennend.
Wir lieben Trecker und Baumaschinen. Unsere Lieblinge sind die Fendt Vario der schwarzen Serie und der Cat D11 Kettendozer mit dem 1000 PS Diesel, der Tyrannosaurus Rex der Baumaschinen. Im Winter sitzen wir stundenlang im Ohrensessel und gucken in einträchtigem Schweigen Awesome Earthmovers auf YouTube. Unser Lieblingsvideo ist eines auf LetsDig18, wo Chris einen Bagger aus dem Sumpf befreit. Das haben wir öfter gesehen als Fluch der Karibik.
Inzwischen sind alle von Bord und die Verladung beginnt. Der Lademeister sieht am Nummernschild, wer ein Ticket hat und wer aufs Prinzip Hoffnung setzt. Jeder Wagen wird handverlesen einzeln zur Rampe befohlen. Als die drei Spuren verladen sind, wird klar, dass heute nicht alle mitkommen werden. Der süße Duft von Panik liegt in der Luft. Ein Tagestourist aus Hamburg: „Aber ich muss morgen unbedingt zum Dienst.“
Greeny, Pieps und ich bleiben gelassen. Wir haben zwar auch kein Ticket, aber wir wollen erst morgen mit. Weniger gelassen sind die zwei Dutzend Radfahrer, die in einer wirren Traube aus Plastikhelmen, Anhängern, Draht und Speichen darauf warten, an Bord zu dürfen.
Am Schluss stapeln sie die Fahrräder übereinander, kurz bevor sich die Bugklappe schließt und die Fähre ablegt. „Gute Überfahrt, Leute. Und nächstes Mal nicht vergessen vorzubuchen!“, sagt eine, die selbst noch kein Ticket hat.
Im Grunde sind wir fertig. Wir haben geforscht, besichtigt und gelästert, gegessen, getrunken und geschlafen. Nur der Leuchtturm Skjoldnæs Fyr an der Nordspitze fehlt uns noch. Den machen wir jetzt, dann können wir die Arbeit abgeben. Es sind bloß 5 km bis zum Turm. Ich lege den Gang ein und lasse die Kupplung kommen.
Der Leuchtturm von Skjoldnæs steht nicht nur an der Nordspitze der Insel, sondern auch mitten auf dem 18-Loch Golfplatz des Ærø Golf Club. Die Golftypen haben den Turm schanghait und ihr Clubhaus in der ehemaligen Dienstwohnung des Leuchtturmwärters eingerichtet.
"Die Umwandlung des Leuchtturms in einen Golfclub ist ein Beispiel dafür, wie alte Gebäude und Infrastrukturen neuen Zwecken zugeführt werden können. Es ist auch ein Zeichen für die Beliebtheit des Golfsports in Dänemark." Es ist Wochenende und auf der Anlage herrscht Betrieb. Vorm Clubhaus sitzen Golfer, einige sogar in der klassischen Uniform der Oberschicht: Blassgelbes Poloshirt, helle Leinenhosen und Bootsschuhe ohne Socken. Ich mag es, wenn meine Vorurteile bestätigt werden. Dann hab ich ein weniger schlechtes Gewissen, sie zu haben.
„Komm Pieps, wir fahren zurück ins Camp. Ich hab Kohldampf. Beim Købmand liegt ein knuspriges Stück Ribbensteg, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Das besorg ich uns und dann machen wir uns einen gemütlichen Abend im Zelt.“
Wie schwer kann das sein?
Nach dem gemeinsamen Essen und meinem alleinigen Abwaschen liegen wir einträchtig im Zelt und teilen uns eine Tafel Schokolade. Ich lese einen Krimi aus Dänemark, und Pieps blättert in ihrem neuesten Pixie-Buch.
Es ist gerade neun, als ich das Kindle weglege, der schlafenden Maus behutsam das Pixie-Buch aus der Hand nehme und mich bis zur Nasenspitze in den Schlafsack verkrieche.
„Gute Nacht, Welt. Morgen ist ein neuer Tag.“
Heimreise
Greeny parkt reisefertig vor Finn's Bageri in Søby. Ich habe früh das Lager abgebrochen und alles sorgsam verstaut. Bevor es aufs Schiff geht, wollen wir hier frühstücken. Ich stiefele zum Eingang, aber der ist verschlossen. Lukket Mandag, steht an der Tür.
Ich trage unsere Beute an einen Tisch in Sichtweite des Fähranlegers, und Pieps kümmert sich hingebungsvoll um die gerechte Aufteilung der Beute. Diese Maus wäre ebenso ein guter Pirat geworden.
Das war schön bei dir.“
Fazit
Zwei Wochen und 1.250 km Inseln und Schiffe, Meer, Sand und Wind, Rundstykker und Pølser. Eine Fortsetzung Schleswig-Holsteins mit anderen Mitteln, mit noch mehr Gelassenheit und noch mehr wenig Menschen. Meine Güte, wie ich dieses Land und die freundlichen Dänen ins Herz geschlossen habe.
Alexander Zorniger, ein deutscher Fußballtrainer hat nach seiner Zeit bei Brønby IF gesagt: „Die Dänen gehen besser mit ihrem Leben um“. Das ist auch mein Eindruck.
Und dennoch: Bei der Planung habe ich vorher ständig das nagende Gefühl einer zweitklassigen Reise im Hinterkopf. So, als wenn mir bloß nichts Besseres eingefallen wäre.
Hinterher steht unter meinen Notizen: Dänemark war wieder super. Da fühle ich mich rundherum wohl. Samsø und Ærø sind tolle Neuentdeckung und Møn liebe ich jedes Jahr mehr. Da will ich wieder hin
PS: Wir haben die Ærø Bryggeri vergessen, die Brauerei! Das Schild hab ich erst auf dem Schiff fotografiert. Wir müssen sofort umkehren. Volle Fahrt zurück!
zurück nach oben