Inhaltsverzeichnis
Frankreich 2023
Tag 1 Kiel - Bad Pyrmont
Tag 2 Bad Pyrmont - Dausenau
Tag 3 Dausenau - Wingen-s/Moder
Tag 4 Wingen - Camp Hautoreille
Tag 5 Jokertag im Camp Hautoreille
Tag 6 Parc Morvan, Camp Le Paroy
Tage 7/8 Jokertage im Camp
Tag 9 In die Auvergne
Tage 10/11 Auvergne-Tarnschlucht
Tag 12 Zur Quelle des Tarn
Tag 13 Gorges du Tarn bis Ambialet
Tag 14 Tarn bis Moissac
Tag 15 Moissac - Périgord
Tag 16 Jumilhac-le-Grand
Tag 17 Am Canal de Berry
Tag 18 Nevers - Accolay
Tag 19 Tonnerre - Froncles
Tag 20-23 Heimreise
Platzhalter Frankreich Miniskizze
Platzhalter Frankreich Miniskizze
Platzhalter Frankreichreise
Platzhalter

Frankreichtour


Platzhalter


Murol

Bevor wir morgen weiterreisen, nehmen wir heute noch einen freien Tag und sehen uns die Gegend an. Die Auvergne ist zu schön, um nur kurz durch­zu­fliegen, das Zelt aufzubauen und die Heringe schon am nächsten Morgen wieder aus dem Boden zu reißen.

Motorradtour nach Frankreich

Es ist der 30. Mai und der Baguetteservice im Camp Serrette liegt noch im Winterschlaf. Zum Einkaufen müssen wir ein Stück fahren. In Murol ist ein SPAR-Markt, der einzige Supermarkt weit und breit. Nach zwei Bechern Jacobs Krönung klettere ich aus dem Zelt und sattele die Honda.

Schon nach wenigen Kilometern ein ROUTE BARRÉE, Straße gesperrt. Eine Umleitung gibt es nicht, nur dieses gelbe "Hier gehts nicht weiter!" Wie ich das nicht liebe.

Ich ignoriere das Schild und fahre durch bis zur Baustelle, Ich will mit eigenen Augen sehen, ob es wirklich nicht weitergeht, oder ob ich mich irgendwie durchmogeln kann. Immerhin sind wir Enduro.

Es geht tatsächlich nicht weiter. Die Straße ist komplett aufgerissen und ein Bagger zertrümmert mit einem Hydraulikmeißel gerade den letzten Asphalt. Da ist kein Durchkommen mehr.

Zuhause in Kiel würde ich einfach eine andere Strecke nehmen, an der Ostseehalle vorbei, runter zum Hafen und an der Kiellinie entlang zum Nord-Ostsee-Kanal. Zack, schon wäre ich da, wo ich hin will.

Motorradtour nach Frankreich

Doch hier im Gebirge ist alles kompliziert, besonders dann, wenn man sich nicht auskennt. Die Auswahl an Strecken um und über den Berg sind begrenzt und es gibt kaum ein blinderes Huhn sie zu finden, als mich. Wohlgemut drehe ich am Gas und biege auf eine Straße ab, von der ich es für denkbar halte, dass sie nach Murol führt.

Motorradtour nach Frankreich

Durch meinen speziellen Orientierungssinn finde ich allerdings immer wieder Strecken und Orte, die ich nicht gesucht habe. So entdecke ich unverhofft einen malerischen Wasserfall und einen weiteren grandiosen Aussichtspunkt in den Parc des Volcans d'Auvergne.

Motorradtour nach Frankreich

Schließlich finde ich doch noch nach Murol. Mit Schwung rausche ich auf den Parkplatz bei SPAR und steige lässig von der Enduro. Nichts deutet darauf hin, dass ich bis eben noch suchend und fluchend herumgeirrt bin. Souverän stiefele ich hinüber zum Eingang. Es ist eine Gabe, den Instinkt eines Zugvogels für Navigation zu haben.

Motorradtour nach Frankreich

SPAR in Murol ist ein kleines Wunder. Draußen vor der Tür drehen sich in einem Open-Air Waschsalon leise surrend Waschmaschine und Trockner. Drinnen gibt es buchstäblich Alles. Angelruten, -haken und Köder, eine drei Meter breite Spielzeugab­teilung, anderthalb Meter Baumarkt, zwei Meter Kinderbücher, etwas Fahrrad­zubehör und sogar eine Campingab­teilung auf einem Meter Breite.

Sie haben sämtliche Kartuschen von Campingaz und sogar den Kocher, mit dem ich selbst seit 20 Jahren unterwegs bin, den Bleuet Micro Plus. Der kostet hier bloß 25,35 €.

Motorradtour nach Frankreich

Deswegen sind wir aber nicht hier. Den Kocher haben wir schon, was wir brauchen ist was zu essen. Ich lege eine Wildschwein Salami und ein Entrecôte in den Korb. Die Wurst ist knorrig und mit weißem Edelschimmel besetzt. Am liebsten würde ich gleich reinbeißen, aber die ist für morgen, wenn wir auf dem Weg nach Süden unser traditionelles Picknick machen.

Ich verstaue den Einkauf im Tankrucksack und klemme das Baguette hinten auf den Gepäckträger. Es ist zu lang für vorne. Jetzt wird es höchste Zeit fürs Frühstück. Ohne weitere Umwege heize ich zurück zum Camp.

Motorradtour nach Frankreich

Der unfreiwillige Umweg durch die Hügel der Auvergne begeistert mich. Der Blick geht weit und die Landschaft ist mehr lieblich als schroff, eher Weserbergland als Alpen. Hier mag ich sein.

Morgen fahren wir weiter nach Süden, dem eigentlichen Ziel unserer Reise entgegen. Und davon erzähle ich euch jetzt …



Sainte-Enimie

Meine Güte, ist das frisch. Das Thermometer zeigt 8° C, als ich am Morgen den Reißverschluss aufziehe und aus dem Zelt linse. Im Grunde macht das nichts, aber diesmal habe ich gnadenlos konsequent für Heiß gepackt, den leichten Sommerschlafsack und kein Inlet. Besser eine Nacht frösteln, als zu viel Gepäck an Bord.

Motorradtour nach Frankreich

Voller Vorfreude starte ich die Enduro und rolle vom Camp auf die Straße. Die Schranke öffnen automatisch, wenn man entschlossen darauf zu fährt. Ich setze den Blinker rechts und biege auf die Straße ein. Außer mir hat hier vermutlich noch nie einer geblinkt.

Motorradtour nach Frankreich

Der Motor ist noch kalt und ich drehe die ersten Kilometer nur behutsam am Gas. Die D36 nach Mont-Dore über den Col de la Croix Saint-Robert ist eine geniale Motorradstrecke. Die Kurven haben die perfekten Radien und der Asphalt ist tiefschwarz und griffig, so dass selbst die reichlich abgefahrenen Michelin Anakee Wild meiner Enduro Halt finden.

Motorradtour nach Frankreich

Gegen Mittag erreichen wir Blesle, ein Les Plus Beaux Villages de France, ein schönstes Dorf Frankreichs. Es gibt ein Auswahlverfahren, in dem seit 1991 die hübschesten Dörfer gekürt werden. Blesle ist eines davon.

Mitten im Dorf gibt es einen Picknicktisch, überdacht mit Schatten. In der Sonne wäre es nicht auszuhalten. Der Platz ist frei. Ich stelle die Honda daneben ab und fange an, den Tisch zu decken.

Vorm Haus gegenüber stehen ein Renaul R4 und ein Citroen 2CV, eine Ente. Aus einem Fenster schallt eine junge, aufgebrachte Frauenstimme. Ich verstehe nicht, was sie ihrem Gegenüber an den Kopf wirft, aber der Tonfall ist international und ich kann es mir denken.

Motorradtour nach Frankreich

Wir haben alles dabei für ein wunderbares Picknick, ein frisches Baguette aus der Boulangerie, die Wildschweinsalami, einen guten Käse und eine Handvoll knuspriger Schweineschwarten vom Boucher aus Murol.

Pieps liebt diese Schwarten, aber ich achte darauf, dass sie nicht zu viel davon isst. „Weil die schlecht sind für ihre Gesundheit?“ „Nein, weil sonst keine mehr für mich übrig sind!“

Motorradtour nach Frankreich

Ein älterer Mann kommt auf einem Rennrad angesirrt, so filigran und leicht, dass es nicht aus dem Baumarkt ist. Er hält an, nimmt seine Trinkflasche und setzt sich neben uns auf die Bank. Ich lade ihn herzlich ein, mit uns zu essen, aber er möchte nicht und lehnt freundlich ab. Die Erleichterung in Pieps Augen ist unübersehbar.

Der Mann will gleich über mehrere Pässe fahren und vorher nichts essen. Ich kapiers nicht. Da geht es schweinemäßig bergauf. Das muss doch irre anstrengend sein. Für sowas schlägt man doch keine Einladung zu Käse, Wurst und Schwarten aus! Was treibt solche Typen?

Pieps und ich sehen ihm kopfschüttelnd nach, als er auf sein Fahrrad steigt und mit einem kurzen Gruß zum Abschied die Straße aus Blesle raus, hoch zum ersten Pass radelt.

Ich bin mit dem Radfahrer gerade durch, da kommt ein älteres Ehepaar zu Fuß die Straße runter. Die Frau sieht sich das Kennzeichen der Honda an: „Das ist aber weit von Kiel bis hierher.“ Ein Ehepaar aus Hannover, die hier Urlaub machen. Wir wechseln ein paar Worte, verabschieden uns herzlich, da erwartet mich bereits die nächste Begegnung.

Ein Taxi hält mitten auf der Straße und aussteigt: Che Guevara. Zumindest trägt der Fahrer die Frisur, den Bart und sogar die Mütze mit dem roten Stern. Nur ein wenig runder um die Mitte ist er geworden. Er hat gesehen, wie ich den Tour de guet du Massadou fotografiert habe, einen Turm aus dem 13. Jahrhundert.

Motorradtour nach Frankreich

In einer bunten Mischung aus Französisch und Englisch erklärt er mir die besten Fotospots im Dorf und wie ich dort hinkomme. Wir stehen auf der Straße neben seinem Taxi mit offener Fahrertür. Wenn ein Auto kommt, zirkelt es um uns herum, keiner hupt, einige grüßen den Taximann. Man kennt sich im Département Haute-Loire.

Motorradtour nach Frankreich

Unser Picknickplatz ist wohl der Treffpunkt im Dorf. Ich verabschiede mich von dem Taxifahrer mit dem roten Stern auf der Mütze und fahre weiter. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Auf den kleinen und aller­kleinsten Nebenstraßen, die ich für uns mit kurviger.de geplant habe, geht es nur gemächlich voran.

Motorradtour nach Frankreich

Wir erreichen Saint-Chély-d'Apcher, dort gibt es einen Intermarché Super. Ich parke die Honda dekorativ vorm Haupteingang und gehe mit Pieps in den Laden. Wir sind beide entzückt von der reichen Auswahl, nur dass ich mich besser im Griff habe. Ich kaufe für uns drei Hammelkoteletts, die sehen aus wie Lamm, sind aber deutlich größer und fetter.

Motorradtour nach Frankreich

Von Mende, dem Sitz der Präfektur, ist es nicht mehr weit bis an den Tarn. Kurz darauf ist bereits Saint-Enimie ausgeschildert, das Dorf zu dem unser Campingplatz des Tages gehört. In Serpentinen schrauben wir uns auf der D986 hinunter ins Tal.

Motorradtour nach Frankreich

Saint-Enimie liegt in der Tarnschlucht direkt über dem Fluss, wie angeklebt an die Felswand. Das Dorf mit seinen 500 Einwohnern gehört ebenfalls zu den Plus beaux villages de France. Das mittelalterliche Stadtbild sehen wir uns morgen an, denn es fängt just an zu nieseln und ich will rasch ins Camp und unser Lager aufschlagen.

Motorradtour nach Frankreich

Aus Gründen, die man hinterher nicht versteht, habe ich es verpennt, in Mende zu tanken. Die Reserve­leuchte strahlt schon eine Weile gleißend hell auf meinen Frontallappen, genau auf die Stelle, wo das schlechte Gewissen sitzt. Möglichst vorsichtig und benzinsparend tuckere ich nur noch langsam dahin.

In Saint-Enimie soll es eine Tankstelle geben, aber als ich die vergilbten Preistafeln entdecke, habe ich keine Hoffnung, dass noch Leben in den Schläuchen ist. Es wirkt so, als sei der letzte Liter Benzin noch verbleit aus dem Zapfhahn geflossen.

Motorradtour nach Frankreich

Ich halte an und steige ab. An der Wand steht ein Automat, der angeblich fließend VISA spricht. Ob der noch funktioniert? Ich ramme die Karte in den Schlitz des Automaten, tippe die PIN und drücke Enter. Kurz darauf perlt frisches, kühles Super in den Tank der Honda. Jetzt kann ich die Gänge wieder frei ausdrehen. Shice auf Benzinsparen!

Camping Nature et Rivière gehört zur Yelloh! Village Kette und liegt nur wenige Kilometer hinter Saint-Enimie. Die Rezeption mit Bar steht oben an der Straße, das Camp liegt unten am Tarn. Der Empfang ist professionell und super freundlich. Ich fühle mich auf Anhieb willkommen.

Motorradtour nach Frankreich

Ohne Buchung dürfte es in der Hauptsaison schwierig sein, einen freien Platz zu finden, aber heute ist erst der 31. Mai und die Saison hat noch nicht begonnen. Ich habe dennoch gebucht und darf unseren Stellplatz frei aussuchen. So mag ich es.

Motorradtour nach Frankreich

Im Schritttempo tuckere ich durchs Camp und suche uns einen Platz. Die Schlucht ist so steil, dass hier unten kaum Sonne hinkommt, und mit 17° ist es dazu ungewöhnlich kühl. Das hatte ich ganz anders befürchtet. Ich schlage unser Zelt auf einem der wenigen Flecken auf, die nachmittags etwas Sonne bekommen. Schön ist es hier.

Motorradtour nach Frankreich

Elf Jahre ist es her, dass ich zuletzt am Tarn war und einen Abschnitt durch die Schlucht gefahren bin. Diesmal ist der Plan, den kompletten Flusslauf von der Quelle bis zur Mündung entlangzufahren.

Doch davon erzähle ich euch morgen. Pieps und ich wollen essen und ihr solltet jetzt nach Hause gehen. Es ist schon schwer genug, drei Hammel­koteletts durch zwei zu teilen. „Tschüss Leute, bis morgen …“

zum nächsten Tag...

zurück nach oben


Platzhalter
Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.