Inhaltsverzeichnis
Frankreich 2023
Tag 1 Kiel - Bad Pyrmont
Tag 2 Bad Pyrmont - Dausenau
Tag 3 Dausenau - Wingen-s/Moder
Tag 4 Wingen - Camp Hautoreille
Tag 5 Jokertag im Camp Hautoreille
Tag 6 Parc Morvan, Camp Le Paroy
Tage 7/8 Jokertage im Camp
Tag 9 In die Auvergne
Tage 10/11 Auvergne-Tarnschlucht
Tag 12 Zur Quelle des Tarn
Tag 13 Gorges du Tarn bis Ambialet
Tag 14 Tarn bis Moissac
Tag 15 Moissac - Périgord
Tag 16 Jumilhac-le-Grand
Tag 17 Am Canal de Berry
Tag 18 Nevers - Accolay
Tag 19 Tonnerre - Froncles
Tag 20-23 Heimreise
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Ins Périgord

Wenn wir heute Abend das Zelt aufstellen, pieke ich die Heringe schon in den fruchtbaren Boden der Dordogne, doch bevor es so weit ist, will ich noch die Mündung des Tarn in die Garonne ansehen. Mit mehr Krawumm, als nötig wäre, lenke ich die Africa Single durch den engen Krawalltunnel der Mühle.

Motorradtour nach Frankreich

Wer kennt sie nicht, diese kindischen Typen, halbstarke Motorradfahrer, die in jedem Tunnel hupen und extra am Gas drehen. Ich bin eine davon. Nur aufs Hupen verzichte ich heute Morgen.

In Frankreich liebt man große, klingende Namen. Die Brücke, auf der ich über den Tarn fahre, heißt Pont Napoléon de Moissac, Napoleonbrücke. Darunter tun sie's hier nicht. Ich mag das.

Motorradtour nach Frankreich

Auf der anderen Seite der Brücke steht das Hotel Pont Napoléon, das durch einen Wald von Flaggen auf dem Dach beeindruckt. Ein Zimmer gibt es ab 96 Euro. Nicht zu viel für ein Hotel mit solch einem Auftritt.

„Wo habt ihr denn geschlafen?“
„Rabes Hotel in Kiel. Unten am Bahnhof. Ihr?“
„Wir sind im Pont Napoléon in Moissac abgestiegen.“

Heute liegt eine Tagesetappe von etwa 250 km vor uns. Vermutlich ist die auch der Grund für meine Besichtigungsunlust. Bei nur 100 Meilen pro Tag, wie die Frau aus York meinte, bleiben zwei bis drei Stunden mehr und ich bin gleich geduldiger und unternehmungslustiger.

Motorradtour nach Frankreich

Allein die Hausboote im Kanal sehe ich mir an, schon weil ich dafür nicht absteigen muss. Sie erinnern mich an die Narrow Boats in England, die mir so gefallen haben.

Vom Camp sind es 5 km bis zur Mündung des Tarn. Eine schmale Brücke, zu schmal für Gegenverkehr führt über die Garonne.

Motorradtour nach Frankreich

Ich versuche einen Blick auf die Tarnmündung zu erhaschen, aber man sieht bloß eine große, weite Wasserfläche ohne Struktur. Das ist sie nun, die Tarnmündung. Nicht sonderlich sehenswert. Die letzten Kilometer auf dem Weg zur Quelle des Flusses waren schöner.

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Am Ende der Brücke wende ich die Honda und fahre zurück. Wir sind in Okzitanien, der südlichsten der 13 Regionen Frankreichs. Wir reisen durch das Département Tarn-et-Garonne weiter in Richtung Norden.

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Auf einem Hügel in der Ferne liegt ein Dorf. Das müsste Lauzerte sein. Das Dorf gehört ebenfalls zum Club der Schönsten Frankreichs. Davor wiegt sich ein Weizenfeld malerisch im Wind.

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Kurz darauf rolle ich schon nach Lauzerte hinein, und die erste Sehens­würdig­keit ist die Metzgerei des Dorfes. Das ist auch so eine Sache, die ich an Frankreich liebe. Selbst Dörfer haben eine Metzgerei und einen Bäcker. Manche sogar mehrere. Zuhause in Schleswig-Holstein gibt es das schon lange nicht mehr: „Fahren Sie doch in die Stadt!“

Die Metzgerei von François ist gut besucht an diesem Sonntagmorgen. Vier Leute stehen in dem winzigen Verkaufsraum an, und wie ich deren Körperhaltung deute, warten die schon länger.

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Der Grund ist eine junge Frau, die seit einer ganzen Weile bedient wird. Neben ihr eine Kühltasche, die sich nur quälend langsam füllt. Sie möchte eines von dem und zwei von dem, hundert Gramm davon und zwei Scheiben von jenem.

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Endlich geht es zur Kasse und die Dame bezahlt. Während sie nach dem Geld kramt, fällt ihr plötzlich noch etwas ein: Jambon cuit, Kochschinken. Nun gut, denke ich. Wie lange kann es dauern, zwei Scheiben Schinken abzusäbeln und einzupacken?

Lange. Die Bedienung, vermutlich François selbst, verschwindet hinten im Kühlraum und kommt nach einer Weile mit einem riesigen Koch­schinken zurück. Der wiegt sicher vier Kilo. Dieser muss erst noch ausgepackt und angeschnitten werden, einige Scheiben abgesäbelt, verpackt und bezahlt werden.

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Vor mir warten drei weitere Kunden, zwei davon ebenfalls mit Kühltasche. Die Maus und ich verlieren die Geduld. Ich drehe mich wortlos um, Pieps wortreich, und wir verlassen den Laden. Im Tresen liegen ohnehin nur noch drei Scheiben Entrecôte.

Zwei Querstraßen weiter entdecken wir eine Bäckerei. Das Geschäft im Souterrain ist so schraddelig, heruntergekommen und improvisiert, dass ich mich bewusst dafür entscheiden muss, es malerisch zu finden.

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Pieps und ich setzen uns nach draußen unter ein Dach aus Weinlaub und genießen die Sonne. Der Kaffee stammt aus einer Senseo Padmaschine, die noch abgewohnter aussieht als die früher in meinem Büro. Dafür ist das Pain au chocolat wunderbar fett und schokoladig.

Von Lauzerte aus fahren wir weiter nach Norden. Die Strecke ist klasse, verlassene Departementstraßen ohne Verkehr. Nach zwei wunderbaren Stunden auf dem Motorrad sagt ein Schild „Bienvenue en Dordogne".

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Wir sind in der Gegend, in der Bruno, Chef de Police für Recht und Gesetz zuständig ist. Die Bruno Krimis von Martin Walker, einem Schotten, haben mich vor Jahren dazu gebracht, das Périgord zu besuchen. Seitdem komme ich immer wieder gerne her.

Um die Mittagszeit fahren wir in Auriac-du-Périgord an einem öffentlichen Park vorbei. Im tiefen Schatten eines Baumes steht ein Tisch. Ein prima Platz für ein Picknick. Es ist drückend heiß und ich bin froh, für eine Weile aus dem Helm und der Motorradjacke zu kommen.

Als erstes breite ich die Tischdecke aus. In meiner Packliste steht sie als „das karierte Tischtuch für die französische Gemütlichkeit". Das beschreibt sie perfekt. Ich decke auf. Es gibt kaltes Fleisch, Wasser und Baguette.

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Wie wir beide da so bei unserem Picknick sitzen, irgendwo im Périgord, Baguette und kalten Braten mampfen, könnten wir nicht glücklicher sein. Pieps hat Recht, wir haben wirklich ein schönes Leben.

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Unser Lieblingsplatz im Périgord ist Beynac mit seinem sagenhaft schönen Camping Le Capeyrou. Dort waren wir erst vor wenigen Monaten, doch es gibt einen zweiten absoluten Lieblingsplatz im Périgord. Einer, der nicht so bekannt ist und weniger touristisch. Viel weniger.

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Jumilhac-le-Grand ist ein wenig beachtetes Dorf mit einem verträumten Campingplatz am Ufer der Isle. Es liegt im Naturpark Périgord-Limousin und an an der Stelle, wo das Camp La Chatonnière liegt, erscheint auf meinem Computer bei Google Maps ein Herz.

Das Camp liegt einen Kilometer außerhalb des Dorfes in einem Tal. Man kann auf der D79 direkt daran vorbeifahren, ohne zu ahnen, dass dort unten dieser wunderschöne Campingplatz liegt.

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Aus sämtlichen Kübeln, Beeten und Sträuchern sprießt und blüht es und auch die Bananenstauden vor der Rezeption gedeihen prächtig. Seit ich zuletzt hier war sind sie ordentlich gewachsen. Sechs Jahre ist das her. Meine Güte, wie die Zeit vergeht.

Alles sieht noch aus, wie in meiner Erinnerung, aber frischer und neuer. Es hat einen Besitzerwechsel gegeben und der hat dem Camp gut getan. Wie ein Haus, das nach dem Verkauf vom neuen Eigentümer liebevoll renoviert wurde, obwohl es schon vorher gut in Schuss war.

An der Rezeption begrüßt mich eine junge Dame im dunkelblauen Kostüm. Sie spricht fließend Englisch und checkt mich routiniert ein. Ich hatte zwei Nächte auf einem der Belle Vue Premiumplätze gebucht und bezahlt.

Die Reservierung war unnötig. Nur eine Handvoll Gäste sind auf dem Platz, doch ich wollte unbedingt in der ersten Reihe stehen, am liebsten auf „unserem" Platz #5 mit Blick auf den Fluss.

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Etwas später sitze ich im tiefen Schatten der Bäume und gucke aus dem Zelt hinunter auf den Fluss. Behäbig wälzt sich die Isle vorbei. Pieps ist auf dem Spielplatz und solange genieße ich die Ruhe im Camp. Kein Trubel, kein Lärm, nicht einmal die Straße ist zu hören.

Als ich etwas später den Herd anwerfe und die in Knoblauch marinierten Schweinekoteletts ins heiße Fett gleiten lasse, kommt die Maus blitzartig angesaust, so unbeschwert und glücklich, wie es nur Kinder sein können.

Motorradtour nach Frankreich

Bei meinen Reisen verändert sich etwas. Zelten ist für mich längst viel mehr, als bloß eine günstige Übernachtungsform. Ich möchte morgens im Zelt aufwachen ohne den Gedanken, gleich alles wieder einpacken und weiterfahren zu müssen.

Ich möchte im Schlafsack sitzen und Kaffee trinken, eine Tüte Croissants vor mir und den Tag im Nachthemd beginnen. Keine Kilometerfresserei mehr, sondern sorgfältig ausgearbeitete Touren ums Camp herum mit einem kleinen Highlight für jeden Tag. Oder einmal gar nicht fahren und nur faulenzen, fotografieren, lesen oder schlafen.

Ich werde eine Liste meiner schönsten Camps machen und sehen, welche dafür geeignet sind. Inzwischen kenne ich eine ganze Reihe in Frankreich, Dänemark und Schweden, die dafür infrage kommen.

„Ist deine Abenteuerzeit vorbei?“
„Quatsch! Ab und zu müssen es Enduro, Abenteuer und Lagerfeuer sein, aber genauso liebe ich ein Summer Camp mit ohne Matsch und Dreck.“

Und ihr so?

zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.