Inhaltsverzeichnis Frankreich 2023 Tag 1 Kiel - Bad Pyrmont Tag 2 Bad Pyrmont - Dausenau Tag 3 Dausenau - Wingen-s/Moder Tag 4 Wingen - Camp Hautoreille Tag 5 Jokertag im Camp Hautoreille Tag 6 Parc Morvan, Camp Le Paroy Tage 7/8 Jokertage im Camp Tag 9 In die Auvergne Tage 10/11 Auvergne-Tarnschlucht Tag 12 Zur Quelle des Tarn Tag 13 Gorges du Tarn bis Ambialet Tag 14 Tarn bis Moissac Tag 15 Moissac - Périgord Tag 16 Jumilhac-le-Grand Tag 17 Am Canal de Berry Tag 18 Nevers - Accolay Tag 19 Tonnerre - Froncles Tag 20-23 Heimreise
Am Canal de Berry
Ich werde Jumilhac-le-Grand vermissen, das wunderbare Camp mit seinen exotischen Pflanzen, so bunt, so fremdartig.
Das exotischste, was bei uns in Schleswig-Holstein wächst ist Wirsingkohl. Und Sprotten.
Mit Bedauern sehe ich die bunten Blumenkübel aus dem Rückspiegel verschwinden. Auf schmalen Straßen geht es durch eine verlassene Gegend. Kühe, Insekten und ein angejahrter Peugeot sind die einzigen, die uns begegnen.
An einem Aussichtspunkt bremse ich ab und bleibe mit laufendem Motor am Straßenrand stehen. Was ist hier zu sehen? Nur der Blick ins Land, aber ich mache trotzdem ein Foto, weil das Schild so gut ins Bild passt.
Der Turm von Masseret ist schon von weitem zu sehen.
Sieht alt aus, ist er aber nicht. Der ist kaum acht Jahre älter als ich.
Er wirkt verloren, wie er da so allein auf seiner Anhöhe steht und man versteht den Sinn nicht. Hübsch anzusehen ist er trotzdem und ich mache ein Foto. Solche Bilder tun einem Reisebericht immer gut.
Viel mehr interessiert mich der Metzgerladen in der Straße zum Turm.
Auch wenn es noch zu früh ist, um ans Abendessen zu denken, nutzen Pieps und ich den Zugriff bei günstiger Gelegenheit. Was bei Drogentypen funktioniert, klappt sicher auch beim Metzger.
Der Metzger, ein Riese von einem Mann sieht aus, als könne er einen Ochsen mit bloßen Händen niederringen, aber sein freundliches Gesicht macht den brutalen Eindruck mehr als wett.
Doch er ist auch ein Schlitzohr.
Ich bestelle Hammelkoteletts und er legt nur die mageren aufs Papier. Die mit der fetten Schwarte behält er schön für sich.
„No, no, no Monsieur“ protestiere ich und deute energisch auf die richtigen.
Der Riese sieht mich zweifelnd an, rückt dann aber doch drei besonders fette Hammelkoteletts der Premiumklasse raus. Meine Güte, sehen die gut aus. So fette kriegt man nur selten.
Kilometer um Kilometer geht es weiter durch süßes Nichts. Die Fahrt auf diesen Straßen ohne weiße Markierung und ohne Begrenzungspfähle ist wunderbar. Für diese Strecken ist im Grunde eine 125er das passende Motorrad, alles darüber ist purer Luxus, und mit den 24 PS der Honda Africa Single sind Pieps und ich schon fett übermotorisiert.
Der Trick bei der Planung einer Route durch Frankreich sind die kleinen Straßen, die bei Kurviger und Maps erst aufploppen, wenn man weit genug reinzoomt.
So kommen wir auch heute Morgen wieder an allen möglichen Kühen, Holzstapeln und Bauernhöfen vorbei. Ich genieße jeden Kilometer.
In Felletin erwartet uns aufs Neue eines der gefürchteten Schilder, Route Barrée, Straße gesperrt. Schade, wir wollten durch das malerische Dorf fahren, aber diesmal gibt es zumindest eine Umleitung. Wir gewinnen sogar etwas Zeit, die wir später noch gut gebrauchen können, aber das kann ich jetzt noch nicht wissen.
Kurz nach Mittag wird es Zeit für unser Picknick. Wir haben Baguette, Butter und Speck im Tankrucksack. Ich halte Ausschau nach einem geeigneten Platz.
Am Ufer eines Bachs liegt ein völlig zugewachsener Rastplatz, aber mit der Enduro kommt man mühelos bis ans Ufer heran. Ich bleibe unter den Bäumen stehen und stelle den Motor ab.
Mit der karierten Decke wird unser Zeltsack zum Picknicktisch. Ein knuspriges Brot, etwas Butter und eine gute Wurst dazu. Zufrieden mampfen Pieps und ich das kleine Roadside Buffet in uns hinein.
Inzwischen hat die Departement Straße wieder einen Mittelstreifen bekommen, aber man kann deshalb noch nicht von einer Schnellstraße sprechen. Ein alter International Harvester Traktor wartet geduldig bis wir vorbei sind, damit er sein Güllefass nach Hause ziehen kann. Die Uhren ticken langsam im ländlichen Frankreich. Ich mag das sehr.
Jetzt ist es nicht mehr weit zum Campingplatz.
Das Camp Municipal in Vallon-en-Sully soll malerisch auf einer schmalen Insel zwischen dem Le Cher und dem Canal de Berry liegen.
Ich schalte zwei Gänge runter und halte erwartungsvoll vor der Schranke des Camps. Es ist malerisch, es liegt auf einer Insel und es ist geschlossen. Ein Schild am Eingang verkündet, dass der Platz nur im Juli und August unter Dampf ist, den französischen Sommerferien.
Das nächste Camp ist geöffnet, sieht aber nicht sonderlich einladend aus.
Auf einem Zettel, der mit Heftzwecken an ein Brett geheftet ist steht, dass am Abend der „Manager" kommt und bar kassiert. Eine Rezeption hat das Camp nicht.
An der Einfahrt lungern drei junge Araber herum. Sie stehen um zwei schwarze 3er BMWs, tiefergelegt, fiese Kilometerleichen, aber mit einer fetten Soundanlage. Aus den offenen Türen dröhnt Musik.
Nein, hier wollen wir nicht schlafen, Pieps und ich. Wenn man im Zelt liegt und schläft, ist man so erschütternd hilflos, selbst wenn alle Zipper ganz fest zu sind. Wir fahren weiter. Ich lege den ersten Gang ein und lasse die Kupplung kommen.
Da ist diese eine Frage, die mich schon länger umtreibt: Ob solche Typen die Klischees erfüllen, weil sie die einschlägigen Gangster Serien gucken, oder ob die bei Netflix von der Realität abschreiben? Oder beeinflussen sich beide gegenseitig?
Ich denke nur an die Russenmafia im Film.
Wer da als Bandenchef ernst genommen werden will, muss eine schwarze G-Klasse fahren. Punkt. Im Twingo macht er sich lächerlich, egal wie breit die Reifen sind.
Während ich meinen gesellschaftlichen Studien nachhänge, erreichen wir das nächste Camp. Der Platz versprüht zwar den Charme eines nordkoreanischen Ferienlagers, aber zumindest ist er geöffnet und sehr hübsch gelegen am Canal de Berry.
Hier bleiben wir.
Pieps und ich wollen endlich Feierabend machen.
Wir stehen mit dem Zelt in glühender Sonne auf einem Stück verbranntem Rasen, aber in ein bis zwei Stunden dürfte der Schatten der großen Eiche zu uns herumgewandert sein, dann wird es kühler.
Es ist Zeit fürs Abendessen. Ich drehe den Gaskocher auf und lasse die Koteletts zu Wasser. Mit einem sattem Schmatzen gleiten die Biester ins heiße Fett. Im Nu duftet es nach gutem Essen. Und nach Hammelfett
Wir sollten niemals wildzelten, wenn es im Umkreis von 100 km auch nur einen einzigen Bären gibt.
Unser Zelt duftet wie eine Garküche.
Morgen fahren wir weiter in Richtung Norden.
Rückreisen haben etwas Melancholisches an sich. Der Höhepunkt der Reise liegt hinter einem und aus dem Rest der Strecke versucht man das Beste zu machen, damit er nicht als verlorene Zeit erscheint. Mal gelingt das besser, mal weniger gut.
Deshalb mag ich den Autozug so. Der ist wie Pflaster abreißen. In einem Rutsch ist es erledigt und man quält sich nicht endlos mit der Heimfahrt. So aber sind es noch sechs Tage bis nach Kiel.
Ihr müsst jetzt leider nach Haus gehen, unsere Koteletts sind fertig.
„Pieps, kommst du?!“