TET Dobbin bis Penzlin
Wir checken aus. Die Honda steht schon reisefertig vor der Rezeption. Ich lege den Gang ein und wende rechts herum am Lenkanschlag. Weicher Sand. Das Vorderrad gräbt sich ein. Wir kippen. „Oh neiiiin!“ Gleich liegen wir unter dem Gejohle der Kaffeegäste im Dreck.
Ein unbedarftes Pärchen in den Sechzigern hingegen, die nebenan beim Kaffee saßen, wird folgendes aussagen: „Die Frau stieg auf ihr Motorrad, fuhr erst langsam an und hat dann plötzlich wie irre Gas gegeben und mit dem Hinterrad ganz viel Sand zu uns rüber geschleudert. Hans-Werner meint, die könnte vom Film gewesen sein. Eine Stuntpilotin vielleicht. Auf jeden Fall eine Angeberin und recht unangenehme Person.“
Ich bin froh, dass man dem netten Pärchen aus der Kukident Werbung wohl eher Glauben schenken wird, als dem klugshicerischen GS-Piloten. Tatsächlich rette ich das fallende Bike nämlich nur mit einem glücklichen Gasstoß. Der versehentliche Drift hat mich am meisten überrascht.
Ohne noch einmal zurückzublicken heize ich wie eine Gestörte davon, als sei die ganze Showeinlage Absicht gewesen.
PS: „ und das mit dem Sand auf der Butter tut mir leid.“
Aber dass sie ohne jede Furcht stets mit vollem Einsatz ihres Lebens unterwegs sind, das kapiere ich nicht. Es sind doch schließlich keine Motorradfahrer.
Jedenfalls komme ich um eine Kurve und direkt vor mir auf der Straße Familie Gänseklein mit Frau und Kind, Oma, Opa und Hund, alle fröhlich nebeneinander. Die müssen mich doch gehört haben? Der Titanauspuff der Honda ist so laut, den hört man sogar auf Google Earth. Ich bremse und warte bis die Gänsekleins sich sortiert haben. Radfahrer und ich, das wird nicht mehr die ganz große Liebe werden.
„Andauernd halten hier Leute an und fotografieren das Haus.“
Wie antworte ich? Höflich? „Es ist einfach so wunderschön anzusehen“, oder ehrlich: „Weil hier sonst absolut nix ist, wo es sich lohnt die Linse draufzuhalten, du Dackel.“
Die Gieskanne sieht schwer aus und ich entscheide mich für Antwort A. Der Kannengießer schüttelt den Kopf, murmelt etwas Unverständliches und wendet sich wieder seinen Petunien zu.
Einige Kilometer danach bin ich wieder im Wald unterwegs. Der Boden ist trocken und die Schwierigkeit gering, so dass man ungestört fotografieren und die Landschaft betrachten kann. Ich bin viel im dritten Gang unterwegs und fahre meist weniger als 50 km/h. Endurowandern.
„Ich versuch mal. Vielleicht könn' Sie den ein' Stamm da wegnehmen?“
Mit dem Gleichmut des geborenen Stoikers hebt er den Stamm, als sei er aus Balsaholz und trägt ihn zur Seite. Jetzt könnte es gehen. Im ersten Gang mit schleifender Kupplung quäle ich mich knapp daran vorbei.
Falsch! In jeder Kleinstadt findet sich auch ein Feinkostladen mit einer Auswahl hochwertiger, frischer Lebensmitteln. Vor allem mit Entrecôte.
„Moin. Krieg ich hier ne heiße Wurst?“
„Bockwurst oder Knacker?“
„Wo ist denn da der Unterschied?“
Ratlosigkeit. Schweigen. Licht ist an, aber keiner Zuhause.
„Dann nehme ich eine von jeder Sorte“, schlage ich den Knoten durch, bevor es peinlich wird.
Wir mögen beide Sorten. So gut Würste vom Autohof eben schmecken. Knacker ist übrigens eine Dunkelrote nach Art einer Kochwurst und die Bock ist eine Wiener mit dicker Haut. Kleinigkeiten, wie die zu dicke Pelle nimmt Pieps nicht einmal wahr, und ich bin zu hungrig um zu meckern.
Unser Camp für die nächsten beiden Nächte ist Naturcamping Seeweide Penzlin. Der Platz ist nagelneu und so ist auch das Einchecken noch ein wenig förmlich. Sagenhafte drei(!) Male schreibe ich das Datum hin, den Ort, meinen Namen und leiste meine Unterschrift. Zuerst auf der Buchung, dann auf der Erklärung, dass ich mich gesund fühle und zu guter Letzt die "Zur Kenntnisnahme der Hygieneregeln".
Die haben einen am Dach, oder? So ungefähr stelle ich mir die Einreise nach Nordkorea vor, wenn man Waffen und Crystal Meth einführen will. Und ungefähr ebenso herzlich.
Es braucht nur eine Flasche Störtebeker Atlantik Ale und ein Jackle & Heidi Schokoeis und wir sind mit der Rezeption wieder versöhnt. So gutes Eis und Bier haben sie in Pjöngjang nämlich nicht.
Die 60.000 Euro, die wir mit Enduro und Zelt gegenüber einem Marco Polo Wohnmobil gespart haben, lege ich in Entrecôte, Bier und Eiscreme an und habe am Ende der Reise vermutlich noch etwas Taschengeld übrig.
Morgen machen wir eine Tagestour in die Sehenswürdigkeiten und geben einmal mehr die Motorrad-Kulturreisenden.
zum nächsten Tag...
zurück nach oben