Nach Moissac
Die neue Isomatte ist ausgezeichnet. Sie wäre sogar noch ausgezeichneter, wenn sie nicht zu kurz und zu schmal für mich wäre und nicht ständig ein Körperteil von der Matte fiele, was bei einer so dicken Matratze unangenehm ist. Abgesehen davon ein guter Kauf.
Die Frau ist Engländerin. Die machen sowas. Der einzige andere Kaffee, der Pieps und mir einmal ans Zelt gebracht wurde, war ein Tee. Ebenfalls aus der Hand einer Britin. Das war in Nordirland am Giant's Causweway. Es hatte so stark geregnet, dass unser Zelt die letzte trockene Insel inmitten einer überschwemmten Wiese war. Damals wie heute rührt mich die liebe Geste. Die Irlandreise wird dennoch als grässlichste Reise von allen in meiner Erinnerung bleiben. Wir haben mehr Wasser abbekommen als die $§%&% Titanic.
Während Pieps sich über das Croissant hermacht, komme ich mit der Frau ins Gespräch. Sie weiß einiges zu erzählen über die verschiedenen Typen von Campern und ich merke, dass ihre liebsten Gäste nicht unbedingt die in den teuren Wohnmobilen sind.
Von denen gab es einige miese Bewertungen, weil der Fernsehempfang im Camp schlecht war. Hohe Bäume schirmen die Sicht zum Satelitten ab. Letztlich wurde die komplette Reihe alter Bäume gefällt. Hauptsache, die Kochshow, das Glücksrad und Dschungelcamp laufen. Das bestätigt mein Bild, das ich von dieser Kategorie der „Abenteurer" habe.
Dafür werden im Camp La Mise A L'eau Zeltcamper nicht wie hässliche Verwandte der weißen Ware behandelt. Die besten Plätze unmittelbar am Ufer des Tarn sind sogar den Zelten vorbehalten: „I know it's a lifestyle and comes from a decision not from poorness“, sagt die Campchefin. Ich bin entzückt und notiere den Satz in meinem Moleskine. Den werde ich später im Reisebericht verwenden. Vielleicht lasse ich ihn übersetzen und tue so, als sei er mir selbst eingefallen.
Zehn Kilometer weiter bleibe ich in Buzet-sur-Tarn erneut auf einer Brücke stehen. Der Tarn wälzt sich gelb und schlammig dahin. Kurz zuvor ist das Wasser des Agout als Nebenfluss dazu gekommen. Vielleicht hat der die schlammige Brühe in den Tarn getragen? Man weiß es nicht.
Die drei Blüten sind eine Auszeichnung des Conseil national des villes et villages fleuris, des Nationalen Komitees zur Beblumung Frankreichs. Eine weitere touristische Kategorie französischer Orte. Die höchstmögliche Auszeichnung, die vergeben werden kann sind übrigens vier Blüten.
Das Camp Le Moulin de Bidounet liegt noch im Mittagsschlaf, als ich mit der Enduro auf den Parkplatz vor der Rezeption rolle. Es ist schwülwarm und schwitzig heiß. Ich gehe zum Eingang und warte. In zwanzig Minuten sollen sie wieder öffnen.
Sie kommt aus York in North Yorkshire. „I've been there!“, stelle ich aufgeregt fest. Unsere große Reise 2011. Greeny war fast neu, Pieps noch ein Baby und ich erst süße Neunundvierzig. An jenem Tag sind wir von York zum berühmten Hardknott Pass gefahren. Welch ein Abenteuer!
Sie und ihr Mann sind seit drei Monaten im Wohnmobil unterwegs. Wir unterhalten uns über dies und das und kommen schließlich auf die Länge der Tagesetappen zu sprechen. Wie viele Kilometer pro Tag? Ohne zu zögern antwortet sie: „A hundred Miles a Day. Not more!“
Ein weiterer Satz, den ich in meinem Reisebericht verwenden werde, denn auch mir erscheinen inzwischen Tagesetappen von deutlich unter 200 km erstrebenswert und sinnvoll, damit es nicht wieder heißt: „Viel gefahren, wenig gesehen, nix erlebt.“
Inzwischen hat die Rezeption geöffnet. Ich gehe hinein und melde uns an. Es ist einer jener Campingplätze, wo einem der Stellplatz bei der Anmeldung fest zugewiesen wird. Ich liebe das nicht.
Der Stellplatz, den sie uns zugewiesen haben liegt neben dem Klohaus, der Untergrund mehr Dreck als Gras. Doch zumindest haben wir Schatten, was in Südfrankreich mitunter mehr wert ist als die malerische Aussicht.
Ich kippe den Inhalt des Zeltsacks ins Gras und halte mich fest an dem Gedanken, dass aus dem nassen Bündel in wenigen Minuten ein gemütliches und trockenes Zuhause werden wird. Man braucht allerdings ein wenig Fantasie, um das zu glauben.
„Blödsinn! Ich bin beunruhigt, weil Pieps heute dran ist mit Haarewaschen. Und das wird nicht lustig, kann ich dir sagen.“
Dann erkenne ich einzelne Worte. Es ist eine Unterart von Deutsch, ein komplizierter Dialekt und schwer zu deuten, aber ich erkenne ein Muster: Der Buchstaben „N" wird weggelassen oder durch ein „D" ersetzt. Das „W" wird durch ein „M" ersetzt. „Mir fahred esse“, bedeutet „Wir fahren zum essen.“ Das „S" wird, nach einer Gesetzmäßigkeit, die ich noch nicht erkenne, durch ein „Sch" ersetzt. „Isch gloi ferdisch.“, „Ist gleich fertig.“
Mein Gott, jetzt hab ich's. Im Grunde ganz einfach, wenn man es einmal kapiert hat. Ich höre aufmerksam zu und versuche simultan zu übersetzen.
„Kann i a no a bissle Käs?“
„Pieps, lass den Unsinn!“
Kinder schnappen jeden Blödsinn auf, umso mehr, wenn sie merken, wie sehr sie einem damit auf die Nerven gehen können, und Pieps ist eine Meisterin ihres Fachs.
Der Blick über den Fluss hinüber nach Moissac auf das Drei-Sterne-Hotel Le Moulin De Moissac ist malerisch anzusehen. Von hier lässt sich Moissac besuchen, aber auch die Mündung des Tarn in die Garonne. Aber die sehen wir uns morgen an, wenn wir weiterfahren in die Dordogne.
Fazit zum Tarn
Im Grunde lohnt sich der zweite Abschnitt des Tarn von Millau bis Moissac nicht mehr so recht, wenn man zuvor durch die wunderbare Tarnschlucht gefahren ist. Mein Tipp: In Moissac beginnen, den Tarn flussaufwärts fahren und sich ab Millau daran ergötzen, wie jeder Kilometer immer schöner und schöner wird. So werde ich künftig alle meine Flussreisen machen, von der Mündung zur Quelle, nicht umgekehrt.
zum nächsten Tag...
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