Von Skottek zum Bolmen
Ich sitze in der Storgatan 19 und kann es kaum glauben. Nur 55 Kronen hat es gekostet, mich in das leckere Frühstücksbuffet bei Fiket einzukaufen, einem gemütlichen Café im Ortskern von Tranemo. Das sind gerade einmal 6 Euro.
Als erstes probiere ich den Fisch. Ich glaube, es ist geräucherter Hering. Dann ein Frühstücksei, die Mettwurst, den Schinken und immer wieder Butter. Aus reiner Höflichkeit nehme ich auch ein paar frische Brötchen aus dem Korb. Ich will nicht gierig wirken, indem ich nur Aufschnitt esse.Volker hat sich gegen das Buffet entschieden und kauft ein paar der belegten Brötchen, die in Cellophan verpackt in der Vitrine liegen, wo sie Mitleid heischend auf einen Käufer warten. Solche Menschen befreien auch kranke Kätzchen aus Tierheimen. Ein wenig bewundere ich Volker dafür, besonders weil sein Minifrühstück sogar mehr kostet als mein Buffet. Nach dem dritten Becher Kaffee lehne ich mich satt und zufrieden zurück. Habe ich nicht gleich gesagt, dass man in Schweden überall die schönsten Frühstücksbistros findet? Von Tranemo aus fahren wir auf Nebenstraßen und über abenteuerliche Waldwege zum Bolmen, einem großen See mit 365 Inseln darin. In Löckna soll es einen besonders schönen Campingplatz geben, wo man sein Zelt direkt am Seeufer aufbauen kann. Den Tipp haben wir von Eggi und Ela bekommen, die auch schon mit ihren Enduros hier waren. Die Beschilderung zum Campingplatz führt uns quer über einen Bauernhof, wo ein Mann damit beschäftigt ist, einen alten Traktor zu reparieren, während ein kleiner schwarzweißer Hund ihm neugierig zusieht. Sie beachten uns kaum, als wir langsam und respektvoll an ihnen vorbeituckern. Wenn an einem Gatter nicht dieses kleines Schild mit der Aufschrift "Camping" stünde, wäre ich mir sicher, dass wir uns verfahren haben.
Der Sandweg endet nach einem Kilometer auf Löckna Camping und wir sind auf Anhieb begeistert von der wunderschönen Lage am See. Danke für den tollen Tipp, ihr Beiden. Die Saison ist vorrüber und wir haben den Platz fast für uns allein, aber eben nur beinahe: Ausgerechnet auf der kleinen Wiese, die für Zeltcamper reserviert ist, steht mittendrin ein Wohnmobil, obwohl alle ihre Stellplätze frei sind. Ich bin echt sauer.
Ich mag Wohnmobile, aber inzwischen sind sie zur Pest des 21. Jahrhunderts geworden. Das Problem sind nicht die Fahrzeuge selbst, sondern ihre schiere Anzahl. Kein schöner Platz, an dem nicht bereits ein weißer Fiat Ducato mit deutschem Kennzeichen steht, hinten dran zwei Fahrräder, während ein Lehrerehepaar in Outdoorsandalen an einem Klapptisch sitzt, Blasentee trinkt und mit verklärtem Blick in die Gegend glotzt. Wir stellen die Motorräder neben dem Wohnmobil ab und bauen unser Lager auf. Mit einem Lächeln, das ein wenig in den Mundwinkeln kneift und eher höflich als freundlich ist, nicke ich dem Lehrerehepaar zu.
Wir nehmen uns viel Zeit, um die Zelte aufzustellen. Zupfen hier, prüfen dort und spannen die Leinen nach, während die Schlafsäcke zum Lüften in der Sonne liegen. Es macht großen Spaß, das Lager in Ruhe aufzustellen, wenn weit und breit keine Regenwolke in Sicht ist. Wir sind noch keine zehn Minuten am Bolmen, als ich bereits die ersten fünf Mückenstiche habe. Alle im Gesicht, drei davon auf der Stirn. Vorsichtig betaste ich die Stiche und ahne, wie es sich anfühlt, ein Warzenschwein zu streicheln. So schlimm wie in diesem Jahr, habe ich die Mücken hier in Schweden lange nicht erlebt.
Es war ein schöner, sonniger Tag, aber schon jetzt, am späten Nachmittag, spüre ich, wie es rasch kälter wird und ziehe meine Motorradsachen wieder an.
Wir haben das Lager direkt neben einem der großen Picknicktische errichtet, wo wir unsere Küche aufbauen und uns mit Landkarten, Tagebuch und Volkers Navi ausbreiten.
Zum Abendessen gibt es eine sehr preiswerte Schachtel Kebab, ein paar Bratwürste und einen Becher Coleslaw. Von dem teuren Entrecote, das hier nicht einmal schmeckt, haben wir beide die Nase ziemlich voll.
Wir sind total überrascht, als sich ausgerechnet das billigste Essen der Reise auch als das beste herausstellt. Wobei der Titel "Bestes Essen der Schwedentour" nicht überzubewerten ist. Er ist nicht mehr wert, als "Bester Skispringer Somalias".
Nach dem Essen sitzen wir noch eine Weile zusammen am Tisch. Ich schreibe in mein Reisetagebuch und Volker beschäftigt sich mit seinem Navi. Es ist wunderschön hier und die nächste asphaltierte Straße viele Kilometer entfernt. Der See liegt glatt wie ein Spiegel und das Lehrerehepaar dämmert gütig vor sich hin. Es könnte so friedlich sein.
Wenn nicht 50 m weiter dieses blöde Ehepaar neben seinem Wohnwagen der Marke Hobby säße und sich ausdauernd und lautstark streiten würde. Was treibt diese Menschen? Seit einer guten Stunde hackt sie auf ihm herum, keift, schimpft, zetert und nervt. In diesem Moment weiß ich genau, warum ich lieber Single bin.
Der Wohnwagen hat das Kennzeichen "L" und ich habe keine Ahnung, wofür das steht, aber sie spricht das "A" wie ein "O" und die Sätze klingen wie: "Räächn wermer griechn". Schließlich wird es aber doch still am See. Der Mond ist aufgegangen und das Ehepaar aus L hat sich, des Streitens müde, in seinen Wohnwagen verzogen. Volker gelingt ein tolles Foto vom Mond über dem Bolmen, aber da liege ich längst mit Pieps im warmen Schlafsack und lese noch eine Weile im Schein der Stirnlampe. Morgen ist unser letzter Tag in Schweden, dann geht es schon wieder auf die Fähre nach Travemünde.
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