Alte Steine und ein Weltuntergang
Welcher Dödel hat bloß die Klimaanlage ausgestellt? Es ist drückend warm in der engen Kabine, als mein Handy uns um kurz nach fünf mit einem schmissigen Sound unbarmherzig aus dem Tiefschlaf reißt. Ich könnte das Biest an die Wand werfen.
Zum Glück hat mein MakeUp die Nacht prima überstanden und ich brauche nur zwei kleine Stellen auszubessern, die ich beim Schlafen ins Kissen geschmiert habe.
Das Frühstücksbuffet ist eine Klasse für sich. Für 7 € gibt es unbegrenzten Zutritt zum großen FrissDichZuTode Buffet der Trucker. Um uns herum sitzen viele russische Lastwagenfahrer und nur ein, oder zwei Familien.
Es ist erst 05:45 Uhr und ich habe so früh noch keinen rechten Hunger. Lustlos stelle ich mir einen kleinen bunten Teller aus Rührei, gebratenem Speck, Schweinebraten, Pute und etwas Räucherfisch zusammen, während Volker sogar Frikadellen auf seine Portion häuft. Manche Menschen sind einfach maßlos...
Als ich auf dem großen Besucherparkplatz das Schild mit den Hinweis "Ales Stenar 700m" entdecke, hätte ich misstrauisch werden sollen, aber jung und naiv, wie ich nun einmal bin, verspreche ich Volker stattdessen: "Klar komme ich mit."
Wir haben kaum den halben Weg zurückgelegt, als ich meine Entscheidung schon bereue. Unter der Thermowäsche, den dicken Endurosachen mit Goretex und der luftdichten Regenkombi schwitze ich wie in einer Sauna. Volker ist inzwischen schon hundert Meter voraus, während ich fluchend wie ein Rohrspatz hinter ihm her stolpere. Wozu hat man überhaupt eine Enduro, wenn man die blöden Sandwege dann doch zu Fuß hochlatschen muss?!
Hätte ich mich bloß an mein Motto gehalten: Wo Svenja nicht hinfahren darf, das besichtigt sie auch nicht. Die Fleischabteilung im Supermarkt mal ausgenommen...
Selbst an manchen Servicestationen mit Personal und Kassenhäuschen muss man draußen am Automaten mit Karte bezahlen. Lediglich Motoröl, Chips, Cola und was es sonst noch so gibt, können bar an der Kasse bezahlt werden.
Ich werde total sauer und führe einen lautstarken Tanz auf: "Warum kann man in diesem Land nicht ganz normal tanken, wie in richtigen Ländern: Rüssel reinhalten, Sprit laufen lassen, reingehen, noch einen Schokoriegel greifen und beides zusammen mit echtem Geld bar bezahlen. "So eine Shice!", schimpfe ich lautstark vor mich hin, bis die Dame von der Kasse zu mir rausgelaufen kommt und fragt, was denn los sei. Sie erklärt mir, dass die Datenverbindung ins Ausland oft nicht freigeschaltet sei und deshalb nur schwedische Maestro Karten akzeptiert würden.
Was hingegen immer funktioniert, ist das Bezahlen mit der VISA Karte. Anders als in Deutschland, wo man mit seiner Unterschrift bezahlt, braucht man in Schweden aber eine PIN, die ich nicht habe. So ist meine schöne neue VISA-Card völlig wertlos, weil ich keine PIN dazu bekommen habe. MIST!
Die Tankstellenfrau ist aber super freundlich und bezahlt für mich mit einer Kundenkarte des Shops, woraufhin ich ihr das Geld in bar zurückgebe. Puh, ist das schwierig.
Inzwischen sind Volker und ich seit gut fünf Stunden im Regen unterwegs und allmählich ist es Zeit für eine Pause. In einer Tankstelle ziehen wir zwei Kaffee aus dem Automaten und ich besorge uns zwei Zimtschnecken dazu.

Am Boden unserer Kaffeetassen fahren wir weiter in Richtung Hätteboda, wo wir heute abend unser Lager aufschlagen wollen.
Vorher aber müssen wir noch unser Abendessen einkaufen. In einem CoOp-Markt in Degeberga kaufe ich, was ich am liebsten mag: Entrecote, Heinz Baked Beanz, Bier und eine Flasche Sauce Bernaise. Ich bin ganz erstaunt, im Laden Entrecotes zu bekommen, denn in Deutschland gibt es sie eher selten und sogar der Preis ist mit 179,90 SEK pro Kilo auch in Ordnung, denn das sind nur 19,70 €/kg.
Je näher wir an unser Ziel kommen, desto stärker regnet es. Die letzten Kilometer nach Hätteboda fahren wir über eine Schotterpiste durch den Wald. Inzwischen sind wir seit 10 Stunden mit dem Motorrad unterwegs und ich bin frustiert und ziemlich erledigt. Diese Tagesetappe war einfach zu lang für mich.
Meine ganze Aggression stecke ich in meinen Fahrstil und heize den einsamen Waldweg in MotoCross Manier entlang. Auf dem groben Schotter findet das Vorderrad der Green Cow perfekten Halt, so dass ich die Kurven im langgezogenen Drift nehmen kann. Erst als die Pfützen tiefer und tiefer werden, lasse ich die Enduro unter mir wieder langsamer werden. Diesmal ist es Volker, der weit zurückgeblieben ist und damit sind wir wieder quitt... :-)
Inzwischen ist eine gute Stunde vergangen und der Regen macht keine Anstalten, nachzulassen. Langsam fahren wir auf unseren Enduros durch den Wald und suchen einen geeigneten Platz für die Zelte. Auf einer kleinen Anhöhe direkt am Ufer eines Sees entdecken wir einen Platz, der gerade groß genug für unsere beiden Zelte ist.
Wir stellen die Motorräder ab und machen uns daran, den Waldboden von Tannenzapfen, Zweigen und kleinen Steinen zu befreien. Zum ersten Mal stelle ich mein neues Zelt auf, ein Salewa Denali III, das mein altes Vaude Campo ersetzt, mit dem ich in Schottland leider abgesoffen bin.
Als ich endlich das Außenzelt überwerfe und mit vier Heringen im Waldboden fixiere, stehen schon Pfützen im Zelt, weil es in der Zwischenzeit ungehindert hineingeregnet hat. Volker leiht mir einen Mikrofaserlappen und ich wische, so gut es eben geht, den Zeltboden damit trocken, bevor ich meine Therm-a-Rest und den Daunenschlafsack darauf ausbreite.
Die kleine Titanpfanne ist in wenigen Augenblicken glühend heiß und im Nu brutzeln unsere Steaks munter zischend im heißen Fett. In der Zwischenzeit trinken wir einen Schluck Bier aus unseren Metallbechern, aber heute ist sogar das Bier zu kalt. Uns beiden ist eher nach Glühwein zumute. Die Entrecotes sind ok, wenn auch keine Markerschütterer. Das Fleisch ist sehr frisch und nicht genügend abgehangen, wodurch es noch reichlich zäh ist.
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