Nørre Lyngvig Fyr
Die Sonne hängt noch ganz flach überm Horizont und malt hübsche Muster in die Welt, als ich im Nachthemd hinüber zum Waschhaus wandere. Frühmorgens auf dem Campingplatz und keine Sorge außer der, wo ich den ersten Kaffee bekomme. Der Inbegriff von Urlaub.
Ich schneide die Mohnbrötchen auf und schmiere dick Leberpastete hinein. Die Brötchen sind ganz frisch und die Pastete wunderbar aromatisch dazu. Ich hab nie verstanden, warum Leute Marmelade essen. Zucker ist doch so schädlich.
Ich räume den Frühstückstisch ab, ziehe die Motorradsachen an und schnalle den Tankrucksack mit dem Fotoapparat aufs Motorrad. Kurz darauf rolle ich vom Campingplatz hinunter und fahre den kalten Motor auf den ersten Kilometern behutsam warm. Stoppelfelder leuchten golden in der Herbstsonne.
Abelines Gaard, ist ein Hof im typischen Baustil Jütlands. Darin untergebracht ist ein Museum, das ich mir eigentlich ansehen sollte, aber heute schwänze ich und halte bloß lange genug an, um ein Foto zu machen.
*Häufig verlinke ich auf Texte in fremden Sprachen. Im Chrome Browser werden sie automatisch übersetzt, wenn ihr die Erweiterung Google Übersetzer einbindet. Dann lest ihr alles auf Deutsch. Menü: Fenster -> Erweiterungen.
Häfen faszinieren mich und gerade Fischereihäfen haben eine besondere Anziehungskraft. Es gibt immer etwas zu sehen und zu fotografieren und die Seemöwen lieben es auch, weil immer etwas für sie abfällt.
Mein nächstes Ziel ist der Leuchtturm Lyngvig Fyr etwa 7 km nördlich von Hvide Sande. Mit 53m Feuerhöhe ist er der höchste Leuchtturm Dänemarks, aber ich glaube, sie mogeln ein wenig, denn der Turm selbst ist 38m hoch, aber er steht auf einer 17m hohen Düne und kommt so auf seine Feuerhöhe. Auf jeden Fall aber ist er wunderhübsch anzusehen.
In den Ferien sind wir mit dem Gespann kreuz und quer durch Europa gedüst und sonst stand der Wohnwagen auf seinem Saisonplatz in Nørre Lyngvig Camping. Die Wochenenden haben wir im Camp verbracht und mehr als einmal sind wir bei schönem Wetter quer durch die Dünen zum Leuchtturm gewandert, haben am Kiosk Eis gekauft und sind die 228 Stufen hinauf in den Turm gestiegen.
Ich stelle das Motorrad am Fuß der Düne ab und wandere hinüber zum Kassenhäuschen. 50 Dänische Kronen kostet der Zutritt zum Turm, knapp 7 EUR. Ich löse ein Billet und steige die hölzerne Treppe empor auf die Düne.
Oben angekommen sind es nur wenige Schritte bis zum Leuchtturm. Die Wendeltreppe im Turm ist steil und sehr schmal. Wenn jemand entgegenkommt, steige ich in eine der Fensternischen, um ihn vorbeizulassen.
Ich hänge mir die Kamera um den Hals, so dass sie auf dem Rücken baumelt und klettere die senkrechte Stiege empor. Oben führt eine lächerlich kleine Luke ins Freie. Auf Händen und Knien krabbele ich hindurch nach draußen.
Gedankenverloren schaue ich hinunter zum Campingplatz, als sich eine junge Else durch die Luke nach draußen zwängt. Sie ist nicht ganz schlank, aber doppelt hübsch und sommerlich angezogen: Trägertop, Jeansmini, knielange Leggings. Doch irgend etwas an ihr stimmt nicht. Zuerst komme ich nicht drauf, aber dann trifft es mich wie der Blitz: Die ist nicht tätowiert!
Misstrauisch betrachte ich ihre porzellanweiße Haut, scanne Schultern und Haxen nach den bekannten Symbolen, aber nichts: Keine Rose, kein Einhorn, kein Schmetterling, nicht einmal das Schriftzeichen No.17 im Nacken: Gebratener Reis mit Hühnerfleisch.
Wofür hält die sich? Für was Besseres? Ich hänge die Kamera um und zwänge mich wieder durch die Luke nach unten. Missvergnügt stelle ich fest, dass ich selbst nicht ganz ohne Probleme durch diese blöde Luke passe.
Ich klettere sämtliche 228 Stufen wieder herunter und gehe zurück zum Parkplatz. Meinen Helm und sogar die Jacke hatte ich auf dem Motorrad gelassen. Eines Jahres wird mir sicher etwas geklaut werden, aber nicht heute.
Als ich mit dem Korb in der Hand durch die Gänge schlendere, überkommt mich einmal mehr der Eindruck, wie langweilig unsere Märkte zuhause sind. Bei meinem SKY-Markt in Kiel geht es in erster Linie um Billig. Billig können sie. Jedes Prospekt schreit: Wir sind die Billigsten.
Warum heißt es nie: Wir sind die Besten! Wir haben die leckersten und die ausgefallensten Sachen? Die müssen sich wirklich bald etwas einfallen lassen. Ich brauche kein Entrecote für 19,90 pro Kilo, dass zäh wie Suppenfleisch ist, sondern ich will Black Angus Beef und Koteletts vom Iberico Schwein. Das bin ich mir wert. Dafür fahre ich ein lächerlich billiges Motorrad, einen winzigen Smart und wohne in einem möblierten Zimmer. Mein Geld gebe ich aus für Klamotten, Essen, Wein und Bücher. Und Schuhe natürlich...
Zum Mittagessen hole ich uns etwas aus der heißen Theke. Der Blick durch die Scheibe ist wie Kino. Wenn sie nicht so heiß wäre, würde ich mir die Nase daran plattdrücken. Pieps und ich müssen keine Sekunde lang überlegen: "Ein Ribbensteg bitte. Das da in der Mitte, das knusprige."
Zufrieden packe ich die Thermotüte mit dem heißen Braten in unseren Korb und wandere weiter zum Frischetresen. Für heute Abend kaufe ich uns eingelegte Svinekoteletter und dazu für mich einen halben Liter Rotwein. Für Pieps hole ich Nussecken vom Bäcker.
Den Braten essen wir draußen auf dem Parkplatz gleich aus der Tüte. So gut es geht, schneide ich mit dem Messer kleine Stücke davon ab. Eine Gabel haben wir nicht und es wird eine riesige Schweinerei, aber eine schöne. Das muss ich zuhause unbedingt nachkochen. Pieps und ich sind rundherum zufrieden, als wir aufs Motorrad steigen und weiterfahren.
Im Zentrum von Ringkøbing halte ich an einer SHELL-Station und lasse das gute V-Power 99 einlaufen. Ich sage zwar nichts dazu, aber die Smørrebrøds sollen nicht denken, ich hätte das eine fehlende Oktan nicht bemerkt. Wehe da klopft was, oder die Ventile klingeln.
Fünf Stunden waren wir von Zuhause weg, als ich den Motor abstelle und die Enduro neben dem Zelt auf den Seitenständer stelle. Ich verstaue die Einkäufe im Zelt, nehme Pieps an die Hand und mache mich auf zum Købmand, Kaffee und Nussecken holen.
Mit einem Becher Kaffee und einer Tüte Nussecken schlendere ich hinunter zum Hafen und setze mich vor der Hütte des Hafenmeisters auf eine Bank. Der Kaffee ist ein bisschen dünn, aber die Nussecken sind wirklich klasse.
Zufrieden blicke ich aufs Wasser. Ein winziger blauweißer Fischkutter läuft mit tuckerndem Motor in den Hafen ein und an einem Steg direkt vor mir macht ein Fischer sein Boot zum Auslaufen fertig.
Was macht man eigentlich mit Telefonnummern von Verstorbenen? Ich meine, was ist die empfohlene Vorgenensweise? Löscht man sie sang- und klanglos aus dem Adressbuch, oder lässt man sie drin? Ruft man vieleicht nach einem Jahr dort an, um zu hören, wer jetzt unter dieser Nummer zu erreichen ist?
Den Nachmittag verbringe ich lesend, schreibend und dösend am Zelt, während Pieps auf dem Spielplatz ist und dort vermutlich die anderen Kinder ärgert. Sie kommt mir manchmal vor, wie eine Mischung aus Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter und Catwoman. Wenn überhaupt jemand auf sich selbst aufpassen kann, dann ist das Pieps und solange keine wütenden Eltern bei mir ankommen, ist alles in Ordnung.
Tatsächlich liegt das erste Kotelett kaum auf dem Teller, als eine gewisse Maus eilig um die Ecke biegt und Sekunden später auf dem Tisch steht. "Kättwumm hat Hunga!", verkündet sie und sieht mich aus großen Augen an, während ich das Fleisch kleinschneide.
Die eingelegten Svinekoteletter sind leider sehr mager, nicht der kleinste Fettrand ist daran zu entdecken. Sie schmecken trotzdem erstaunlich gut, aber in Zukunft muss ich wirklich besser aufpassen beim Einkaufen.
zum nächsten Tag...
zurück nach oben
Die Tour um den Ringkøbing Fjord macht Spaß. Man darf Dänemark nicht an seinen Kurven messen, auf die Idee käme bei der Route 66 schließlich auch niemand.