Aus Brötchen werden Semmeln
Das Camp schläft noch, als ich aus dem Waschhaus komme und beginne, das Zelt abzubauen. Es verspricht ein herrlicher Sommertag zu werden. Etwas weiter sitzt eine andere Frühaufsteherin vor ihrem Camper und liest die Zeitung.
Die Frau schaut zu mir herüber und deutet fragend auf eine Kaffeekanne neben sich. "Oh ja, gerne", gebe ich leise zurück und nehme meinem Becher, in dem noch ein Rest angetrockneter Rotwein klebt. Sie legt die Zeitung beiseite und schenkt mir ein. Wir wechseln ein paar Worte und ich gehe zurück zu meinem Zelt.Während ich meine Sachen zusammenpacke, trinke ich nebenher den heißen Kaffee. Der blaue Zeltsack ist das Letzte, was ich mit den Spanngummis auf dem Gepäckträger verstaue. Bevor ich den Platz verlasse, schaue ich ein letztes Mal suchend ins Gras, ob ich nichts vergessen oder verloren habe.
Auf einem Tisch steht ein Brötchenkorb, eine Aufschnittplatte und eine gelbe Kaffeekanne, die irgendwie fröhlich aussieht. Die junge Frau, bei der ich gestern das Frühstück bestellt habe, wünscht einen guten Morgen und macht eine einladende Handbewegung in Richtung des gedeckten Tischs: "Das Ei kommt gleich, Kaffee ist in der Kanne."
Oh, so mag ich das. Ein Kanne Kaffee für mich allein, und zwar richtiger Sekretärinnenkaffee und nicht dieses stylische Zeug, das zischt und faucht, süß ist, kaum nach Kaffee schmeckt und am Ende mehr Kalorien hat als die Wurstplatte.
Während ich knusprige Brötchen esse und Kaffee trinke, kommt von Zeit zu Zeit ein Camper herein, um seine bestellten Brötchen und die BILD-Zeitung zu holen. Als ich fertig bin und zum Bezahlen an den Tresen gehe, kostet das komplette Frühstück nur fünf Euro.
Ich starte die Maschine, fahre von der Spülinsel hinunter und durch Havelberg weiter auf meiner Route. Heute will ich bis Bad Schandau kommen, der letzte Ort vor der tschechischen Grenze, knapp vierhundert Kilometer auf der Strecke, die ich zu Hause geplant habe.
Die erste große Stadt auf meiner Route heißt Brandenburg, was mich etwas erstaunt, denn darunter hatte mich mir immer eine Art Bundesland vorgestellt, nur ärmer, aber es gibt tatsächlich auch eine Stadt, die so heißt.
Gegen Mittag komme ich auf der B102 in einen Ort, der Jüterbog heißt. Die Häuser der Altstadt sind in ausgezeichnetem Zustand, die Fassaden frisch gestrichen, viele neue Dächer und vor einigen Fenstern hängen hübsch bepflanzte Blumenkästen. Schon von weitem fallen mir die beiden Kirchtürme auf, der eine hat ein rundes, der andere ein spitzes Dach, beide sind in großer Höhe durch eine Brücke verbunden.
Hinter Elsterwerda kürze ich ein Stück meiner Route ab, indem ich auf die Autobahn fahre, denn so schön die Landstraßen sind, heute habe ich das Gefühl, nicht schnell genug voranzukommen.
Kurz vor Bad Schandau entdecke ich zum ersten Mal eine der Felswände, die so typisch sind für das Elbsandsteingebirge. Auf den Anblick freue ich mich seit Wochen, denn auch wenn Pflanzen, Tiere und Menschen nicht so mein Ding sind, Felsen sind ok.
Ich stehe in einer engen Gasse vor einer Fußgängerampel und warte auf grün, während ich die Menschenmassen bestaune, die sich durch die Innenstadt wälzen. Ich hatte nicht damit gerechnet, am 30. August noch soviele Urlauber zu treffen.
Plötzlich ein stechender Schmerz am Hals. Irgendetwas, vielleicht eine Wespe, hat sich in mein Halstuch verflogen und sticht mich. Aua, tut das weh!
Mit dem Handschuh zerreibe ich das fette Insekt an meinem Hals, bis nur noch Krümel übrig sind, die in meine Jacke rieseln. Inzwischen zeigt die Ampel grün und ich muss weiterfahren. Den Stich werde ich mir später im Spiegel ansehen, denn er zwiebelt ganz schön, aber zum Glück habe ich keinerlei Allergien, außer vielleicht gegen mageres Fleisch und Salat.
Hundert Meter weiter halte ich am Fahrbahnrand und frage zwei Fußgänger nach dem Weg zum Campingplatz Ostrauer Mühle, aber es sind Touristen wie ich und selbst fremd hier. Erst im dritten Versuch erwische ich einen Einheimischen. Der Mann zeigt auf die schmale Gasse, an der ich schon dreimal vorbeigefahren bin und die ich als einziges ausgeschlossen hatte.
Minuten später entdecke ich den Campingplatz und lasse die Enduro auf dem Kiesplatz vor der Rezeption ausrollen. Ich habe Hunger und ein wenig schlechte Laune, weil ich so lange erfolglos nach diesem Campingplatz gesucht habe.
Die ältere Dame in der Anmeldung als unfreundlich zu bezeichnen, würde ihr nicht gerecht. Garstig beschreibt es eher, aber ich bin selbst nicht in meiner charmantesten Stimmung und gebe ihre unwirsche Art ebenso brüsk zurück.
"Sie können auf E oder I", sagt sie monoton, während sie mir die Durchschrift des Anmeldeformulars über den Tresen schiebt und ich ahne instinktiv, dass genau das die beiden miesesten Plätze auf dem gesamten Campingplatz sein werden.
Wie ich es hasse, immer Recht zu haben, E ist bereits so overcrowded, dass ich ein anderes Zelt abreißen müsste, um meines aufstellen zu können und I besteht aus den traurigen Resten einer völlig abgewohnten Zeltwiese.
Ich brauche eine Weile, bis ich die Stelle ausgemacht habe, wo sich bei Regen vermutlich die am wenigsten tiefe Schlammpfütze bilden wird. In der Tundra war der Boden zwar ähnlich karg, aber dafür hatte ich Platz bis zum Horizont. Hier zeltet gleich neben mir ein junger Mann in einer Art Leichensack, nur dass er den Reißverschluss von innen öffnen kann.
Boah, hab ich miese Laune, es wird höchste Zeit, dass ich etwas zu Essen bekomme, denn Hunger sorgt bei mir zuverlässig für schlechte Laune.
Allein Pieps mampft alles mit derselben Begeisterung in sich hinein wie immer: "Die sin' echt lecker, näh?!" "Ja, Mäuschen, iss man schön, damit du groß und stark wirst."
Bis jetzt war die Reise noch nicht so schön, wie ich es mir erhofft hatte, aber dafür hatte ich bis jetzt bestes Wetter und bin umso gespannter auf Tschechien. Ob ich mich verständigen kann? Können die Englisch? Wie mögen die Zeltplätze sein und vor allem, wie ist das Essen...?
zum nächsten Tag...
zurück nach oben
Auch wenn dieser Tag ein wenig entäuschend war, die Gegend hier um Bad Schandau ist wunderschön und morgen ist ein neuer Tag.