Inhaltsverzeichnis
Deutschland
Tag 1: Kiel - Havelberg
Tag 2: Havelberg - Bad Schandau
Tschechien
Tag 3: Bad Schandau - Ostas
Tag 4: Ostas - Kemp Bozenov
Tag 5: Bozenov - Reingers
Österreich
Tag 6: Reingers - Zwiesel
Deutschland
Tag 7: Zwiesel - Halle
Tag 8: Halle - Lanzer See
Tag 9: Heimkehr und Fazit
Motorradreise Tschechien
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Von Bayern an die Saale

Es ist genau 06:17 Uhr, als der gellende Pfiff der Waldbahn mich aus dem Tiefschlaf reißt und die Nacht beendet. Während die Sonne aufgeht mache ich mich schlaftrunken auf den Weg ins Waschhaus.

Camping Handtuch

Der Waldbahn verdanke ich aber auch, dass ich an diesem Morgen schon früh auf dem Motorrad sitze und durch den Morgennebel fahre. Kaum hundert Meter hinterm Camping­platz komme ich an der Brücke vorbei, auf der die Lok bei jeder Überfahrt gellend pfeift.

Inzwischen habe ich den Plan verworfen, dem Lokführer am nächsten Bahnhof auf­zu­lauern und ihm eine zu kleben, aber nur, weil das zeitlich nicht mehr zu schaffen ist.

Eisenbahnbrücke Frühnebel

Auf den ersten Kilometern kann ich zusehen, wie die Morgensonne den Frühnebel wegbrennt, der bald nur noch in den Tälern steht, wie dampfende Suppe in einer Schüssel.

Frühnebel

In Drachselried rolle ich auf die SHELL Tankstelle und lasse das gute V- Power 100 in den Tank der Kawasaki laufen. Ich schnalle den Tankrucksack wieder fest und gehe in den Shop zum Bezahlen.

An der Kasse stehen Tabletts appetitlich belegter Brötchen, die hier Wurstsemmeln heißen. Ich wähle eine aus, bestelle einen Becher Kaffee dazu und ziehe mich mit meiner Beute an einen der Stehtische zurück.

Auf einer Tankstelle frühstücken, Tagebuch schreiben und die Leute beobachten, ich mag das so gerne, obwohl ich keinen einzigen vernünftigen Grund dafür nennen könnte.

Bayern

Kurz darauf bin ich schon wieder auf der Landstraße unterwegs und ganz hinge­rissen von der malerischen Landschaft, den hübschen Dörfer, guten Straßen und der sorgfäl­tigen Beschilde­rung. Ja, die Bayern haben ihren Laden wirklich in Ordnung, da steht kein Schrott auf der Wiese und gibt es keine Trümmer­grund­stücke in den Dörfern, stattdessen überall Blumen­schmuck und gepflegter Wohlstand. Bayern ist wirklich schön.

Andererseits ist Bayern auch das Land der Ge- und Verbote: "Kartenzahlung erst ab 15 Euro, keine Fahrräder abstellen, bitte nicht an der Zapfsäule stehen­bleiben, Wasserentnahme verboten, bitte keine Kanister füllen, hier kein Geschirr spülen."

Sogar auf einem simplen Sand­park­platz am Straßen­rand gibt es eine große Tafel mit einer Park­ordnung, die vorschreibt, wie man sich hinzustellen hat. Meine Güte, die haben wirklich ein ausgeprägtes Hausmeistergen, die Bayern.

St. Nikolaus in Steinbühl Kirche

Das zweite Frühstück gibt es in Altenstadt a.d. Waldnaab, einer hübschen Kleinstadt von 4.700 Einwohnern. Es ist ein sonniger Vormittag und ich parke die Enduro direkt vor dem Schaufenster einer Bäckerei. Leberkäsesemmel 1,45 Euro, steht mit Kreide auf einer Tafel am Eingang. Mein Interesse ist geweckt.

Die Bäckersfrau strahlt die Art warmherziger Gelassenheit aus, in deren Nähe man sich sofort wohlfühlt. Auf meine Bestellung nimmt sie einen Laib gebackenen Leberkäse aus dem Ofen und schneidet eine Scheibe von der Stärke eines Maurer­daumens ab, die sie in ein aufge­schnittenes Brötchen tut. Dazu ein Tütchen süßen Senf und ein Becher Kaffee. Oh, ich liebe Bayern, ob die noch Leute aufnehmen?

In Hof fahre ich an einem Supermarkt vorbei und beschließe, die günstige Gelegenheit zu nutzen, um meine Einkäufe zu erledigen. Der Laden ist so riesig, dass ich es schnell bereue, in der Sportabteilung kein Fahrrad genommen zu haben, um damit zur Fleischabteilung zu radeln. Statt­dessen schiebe ich einen viel zu großen Einkaufs­wagen vor mir her und staune über die ungewöhnlich große Verkaufsfläche.

Der Fleischtresen bietet wirklich alles, was das Herz begehrt und ich habe einige Mühe, mich zu entscheiden. Soll ich wieder Entrecotes essen? Bauchfleisch vielleicht, oder Koteletts? Kalb, Lamm oder Schwein?

Mein Blick fällt auf eine Spezialität, Koteletts vom Iberico-Schwein. Dreimal teurer als gewöhnliches Schweinefleisch, aber auch doppelt so fett. Die nehme ich. Dazu ein Paket Schafskäse und zwei Miniflaschen Rotwein.

Außerdem brauche ich Kettenspray. Das Getue mit dem Kettenfett von Czech nervt mich schon seit einer Weile. Das Zeug schmiert ausgezeichnet, ist aber so zäh, das es nicht nur die Kette, sondern auch Felgen und Speichen schwarz verklebt.

In der Autoabteilung entdecke ich ein Ölspray von Sonax, das mir sehr geeignet erscheint. Ab heute werde ich die Motor­rad­kette mit SX90 Sprühöl schmieren. Eine Kette riskiere ich, danach weiß ich, was besser ist.

Irgendwo hinter Hof überquere ich die ehemalige Grenze zur DDR. Ein Schild mit dem genauen Datum erinnert an die Wiedervereinigung. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit. Das muss das einzige Mal gewesen sein, dass ich bei der Tagesschau vor Ergriffenheit geheult habe.

Ich schieße ein Erinnerungsfoto der Tafel und fahre weiter. Die Kawasaki läuft so wunderbar, dass es eine Freude ist. Wenn ich da an meine KTM zurückdenke, bei der die Vibrationen so stark waren, dass mir am Lenker die Hände eingeschlafen sind.

Deutsche Teilung

Der Wechsel von Bayern in die neuen Bundesländer ist brutal und die Fahrt auf der B91 durch Halle ist grässlich. Im dichten Feierabendverkehr quäle ich mich bei 26° C vierspurig Stop and Go durch eine scheußliche Gegend, in der ich mich nicht wohl fühle. Puh, ich muss es wirklich erst noch lernen, den Osten zu lieben. So fremd habe ich mich bisher nur auf der Fahrt durch Nordirland gefühlt und ich habe keine Ahnung, woran es liegt.

Der Nachmittag geht allmählich zu Ende und ich brauche bald einen Platz für die Nacht, doch nirgends sieht es so einladend aus, dass ich gerne bleiben würde. Was mache ich nur?

Vorsichtig lenke ich die Enduro über einen grotesk hohen Bordstein auf den Gehweg und halte an. Ich werde das Garmin nach dem nächst gelegenen Campingplatz zu befragen, immerhin hat das schon einmal für ein Abenteuer gesorgt.

"Camping Saaletal, Kloschwitz, 31,8 km", empfiehlt das Display. Auf nach Kloschwitz...!

Bis zur Abfahrt Halle-Trotha fahre ich auf der BAB 14 und von dort weiter auf der Landstaße. Schon nach wenigen Kilometer erreiche ich Wettin, einen kleinen Ort am Ufer der Saale. Auf einem Felsen über dem Ort thront majestätisch Burg Wettin. Oh, das ist aber hübsch hier.

Kloschwitz liegt am gegenüber liegenden Ufer der Saale und das Garmin zeigt hartnäckig hinunter zum Fluss, wo eine Fähre liegt, die so klein ist, dass sie mich an die Fjordfähre in Solvorn erinnert, mit der ich vor ein paar Monaten gefahren bin.

Fähre Wettin

Der Fluss ist nur viermal so breit, wie die Fähre lang ist, dazu das kleine Dorf und über allem thront diese Burg. Die ganze Szenerie erinnert an eine Modellbahn­landschaft von Märklin, nur dass hier die Bäume nicht aufgeklebt sind.

Vom Anleger geht es noch ein kleines Stück an der Saale entlang bis zum Camp Kloschwitz. Ich lasse die Enduro vor der Schranke ausrollen und stelle den Motor ab. Der Tages­kilo­meter­zähler steht bei 451 km.

Vor zehn Stunden bin ich in Zwiesel losgefahren, aber seit ich das Airhawk Kissen habe, machen meinem Dubs solche Etappen nichts mehr aus, dabei ist die Sitzbank der KLX kaum mehr als eine Hand breit und hart wie ein Brett.

Ich steige ab und gehe in das Holzhaus neben der Schranke, in dem die Rezeption unterge­bracht ist. Die Fenster sind klein und der Raum liegt im Halbdunkel. Das Erste, was ich wahrnehme, sind der Tresen und die Zapfhähne.

Dahinter sitzt ein Mann über irgend­welche Papiere gebeugt und schreibt konzentriert etwas in eine Liste. Als ich eintrete steht er auf und sieht mich erwartungsvoll an.

"Entschuldigung, aber bevor wir irgend etwas anderes machen, brauche ich erstmal ein Bier", ist der erste Satz, den ich in die Stille spreche.

Mit stoischer Miene nimmt er ein Bierseidel und hält es unter den Zapfhahn. Er stellt das randvolle Glas auf den Tresen und ich trinke es in zwei langen Zügen leer, aber nur deshalb, weil ich zwischen­durch einmal Luft holen muss. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein kaltes Bier zuletzt so gut getan hat.

'Wippraer' steht auf der Manschette. Nie gehört, aber es schmeckt ganz prima, obwohl ich heute vermutlich noch kritikloser bin als sonst.

Jetzt bin ich bereit, in die Campingver­handlung einzutreten, die darin mündet, dass ich eine Meldekarte ausfülle, sieben Euro bezahle und erfahre, wo ich mein Zelt aufstellen darf.

Nebenbei werde ich darüber informiert, dass es nicht Kloooschwitz heißt, wie ich es spreche, sondern Kloschwitz, wobei das O wie das erste O in Otto gesprochen wird. Natürlich bleibe ich bei meiner Sprechweise und sage weiter Klo(kleine Pause)Schwitz, denn der Name ist einfach zu witzig, um Rücksicht auf lokale Befindlichkeiten zu nehmen.

Zelt aufbauen

Die Zeltwiese verläuft auf einem schmalen Streifen Gras entlang des Flussufers. Welch ein schöner Platz zum Zelten, meine Laune könnte nicht besser sein.

Es dauert nicht lange, bis das Lager steht und mein Zelt gemütlich eingerichtet ist. Ich ziehe mich um und schlendere mit Pieps zurück zur Gaststätte. Auf der Terrasse hat sich in der Zwischenzeit eine Gruppe von Anglern niederge­lassen, die sich nach allen Regeln der Kunst mit Bier und Kümmerling betrinkt.

Ich setze mich an den Tisch daneben und bestelle mir auch ein Bier. Der Wirt hat inzwischen kapituliert und stellt den Jungs den Karton mit den restlichen Kümmerlingen auf den Tisch, eine Lösung, mit der offenkundig alle zufrieden sind.

Nach dem zweiten Bier ist mein Tagebuch wieder aktuell und ich mache mich daran, die Angler in ein Gespräch zu verwickeln. Ich zeige sogar Interesse an dieser Angelsache, obwohl mich nichts weniger interessieren könnte, aber ich scheitere kläglich. Meine Güte, sind diese Typen zäh.

Mit ihren Frauen würde ich mich sicher besser unter­halten, denn meine trunkenen Angler sind wortkarg und langweilig, Jungs eben. Ich kenne nur wenige, mit denen man sich über etwas Anderes unterhalten kann, als Motorräder, Autos und alles, was man im Media-Markt kaufen kann, aber vielleicht bin ich auch nur zuviel mit Polizisten zusammen, oder eben mit Anglern, dabei kenne ich auch ein paar ausgesprochen Nette.

Inzwischen habe ich Appetit bekommen, es wird Zeit für mein Iberico Schwein. Die Scheiben sind klein genug, dass alle drei zusammen in die Pfanne passen. Voller Ungeduld stelle ich den Kocher auf die höchste Stufe und lasse das heiße Fett fröhlich ins Gras vor meinem Zelt spritzen.

Das Fleisch schmeckt gut, aber auch nicht so gut, dass ich noch einmal 22 Euro fürs Kilo Schweinefleisch ausgeben würde. Nein, dann kaufe ich lieber Entrecote, das ist nur wenig teurer.

Als es Abend wird, mache ich es mir im Schneidersitz vorm Zelt bequem, neben mir im Gras ein Becher mit Rotwein und vor mir fließt träge die Saale dahin. Ich liebe Zelten!

Als es dunkel wird, kommt einer der Kümmerlings-Angler mit drei lange Ruten ans Ufer, die er in speziellen Halterungen installiert und irgendwelche Elektronik einschaltet, mit der er vorhin auf der Terrasse schon herumges­pielt hat.

Offensichtlich sind die Zeiten vorbei, als man einen Regenwurm ins Wasser hielt und stundenlang auf einen bunt gestreiften Schwimmer geglotzt hat. Heute werden die Angeln elektronisch überwacht und bevor der Angler sich auf den Liegesitz seines Opels zurückzieht, markiert er den Weg mit winzigen Leuchtstäben.

Wir unterhalten uns ein paar Minuten, aber ich merke schnell, dass er betrunkener und müder ist als ich. Gute Nacht Welt, gute Nacht Angler.

Nachts Zelt schlafen

Es muss weit nach Mitternacht sein, als mich das durchdringende Piepsen der Angelruten weckt. Von der Lautstärke könnte man meinen, ein großer Weißer habe angebissen, aber nach dem Rythmus des Signals tippe ich auf eine Brasse an Rute 2 und einen Thunfisch an der Drei. Junges Tier, vermutlich weiblich, aber ich will auch nicht angeben.

Viel bemerkenswerter ist mein Angler. Kommt er hektisch angerannt, um die Fische aus der Saale zu reißen? Nein, er schnarcht weiter selig in seinem Opel. Das sind vielleicht Typen, diese Angler.

Ich liege noch eine Weile wach, bis das Piepsen von allein aufhört. Irgendwo in der Ferne schlägt eine Kirchturmuhr, einmal, zweimal, dreimal, bevor ich wieder einschlafe.

zum nächsten Tag...

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Von Bayern habe ich leider nur wenig gesehen, aber das Wenige war schön und an den Osten muss ich mich wohl erst noch gewöhnen, Sachsen-Anhalt ist eben nix für Anfänger.

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.