Auf dem Kaschubischen Olymp
Zwei Sehenswürdigkeiten stehen für heute auf dem Plan, die Festung Bytow und der Kaschubische Olymp. Das Highlight aber wird meine Rückkehr auf die Campinginsel Schulzewerder sein, wo ich mich an meinem ersten Tag in Polen so wohlgefühlt habe.
Das Waschhaus liegt leer und verlassen, die Reinmachefrau ist gerade durch, der Boden frisch gefeudelt. Sogar jetzt, außerhalb der Saison, bietet das Camp diesen Service, dabei sind kaum noch Gäste auf dem Platz.Die ersten Kilometer auf der Landstraße fahre ich den 250er Motor der Enduro behutsam warm. Die Morgensonne ist inzwischen hinter einer hohen Wolkendecke verschwunden und der Tag ist grau in grau.
Nach etwa 25 km bin ich zurück in der Kaschubei. Ich merke es daran, dass die Straßenschilder hier zweisprachig sind, polnisch und kaschubisch. Mein erstes Ziel ist der Wieżyca, zu Deutsch Turmberg. Mit 329 m ist er der höchste Berg im nördlichen Polen.
Als Schleswig-Holsteinerin gilt für mich alles jenseits von 30 m bereits als handelsüblicher Berg und ich bin fest entschlossen, diesen anzusehen. Oben drauf soll es einen Aussichtsturm geben, den Kaschubischen Olymp.
Es ist kühl heute Morgen und ich lasse die Motorradjacke bis oben hin geschlossen, während ich den Wanderweg hinauf zum Turmberg stiefele. Nach 10 Minuten strammen Marschierens kommt die Spitze eines Turms in Sicht, der über die Baumwipel ragt.
Stufe für Stufe erklimme ich den Turm. Unterwegs gibt es mehrere kleine Plattformen, aber ich bin noch unterhalb der Wipfel und bis jetzt ist nicht viel zu sehen. Nach 182 Stufen stehe ich oben auf der Aussichtsplattform.
Ich habe viele kleine Wehwechen, zum Beispiel mag ich nicht so gerne grüne Erbsen, aber Höhenangst gehört zum Glück nicht dazu und so kann ich den grandiosen Ausblick über Kaschubien genießen. Die Wälder stehen noch voll im Laub, aber die Spitzen der Bäume nehmen bereits die Herbstfarben an.
Nach wenigen Minuten habe ich mich sattgesehen und steige wieder nach unten. Bevor ich zurück gehe, möchte ich mir noch die Andenken ansehen. Irgendetwas möchte ich mitnehmen, das mich an Kaschubien erinnert.
Der junge Mann ist äußerst korrekt und sehr ernst, als er die 6,50 Zloty kassiert und mir den Kassenbon aushändigt. Da sind die Polen sehr genau, kein Einkauf, ohne dass man einen Paragon Fiskalny, eine Quittung, erhält. Das war so nervig in Großbritannien, wo ich jedes Mal danach fragen musste.
Auf der Landstraße 22 fahre ich weiter nach Bytow. Dort gibt es eine Festung, die ich mir ansehen will. Nach wenigen Kilometern fahre ich auf eine große, sehr moderne Rastanlage zu. Da werde ich tanken und frühstücken.
Die gesamte Anlage ist blitzsauber und gepflegt. Polen ist ein enorm sauberes Land, was mich immer wieder aufs Neue verblüfft, gewissermaßen die Schweiz des Ostens.
Nachdem ich getankt habe, schiebe ich das Motorrad an die Seite und gehe in das Rasthaus. Es ist kein Mensch zu sehen, keine Gäste, keine Bedienung. "Hallo...!"
Erst nach dem dritten, deutlich lauteren Hallo kommt eine junge Frau aus der Küche. Sie trägt eine rotweiße Uniform mit dem Logo der Rastanlage und lächelt mich fragend an. "Dzień dobry", grüße ich freundlich, aber leider endet damit mein Polnisch auch schon.
"Frühstück? Breakfast? Coffee?", versuche ich mein Glück, aber sie versteht partout kein Wort. Wir reden eine Weile aufeinander ein, ohne uns zu verstehen und auch die Speisekarte ist nicht hilfreich, da sie ausschließlich auf Polnisch ist.
Die Frau verschwindet mit einem "Momentski" nach hinten in die Küche und kommt kurz darauf mit einer Köchin in weißer Tracht zurück, die englisch spricht. "Scrambled Eggs and Coffee, please", bestelle ich und setze mich nach draußen an einen Tisch.
Am Boden des Kaffees packe ich Pieps ein und fahre weiter. Das gesamte Frühstück hat nur 3 Euro gekostet. Ich verstehe nicht, weshalb nicht mehr junge Familien mit Kindern in Polen Urlaub machen.
Um die Mittagszeit biege ich in die Zufahrt zur Festung Bytow ein und halte vor dem Haupttor. Burg Bütow ist die besterhaltene mittelalterliche Festung in der Kaschubei. Sie wurde Ende des vierzehnten Jahrhunderts erbaut.
Ich lasse das Motorrad stehen und gehe durch das Tor in den Burghof. Die gesamte Anlage ist in ausgezeichnetem Zustand und an besonderen Stellen hängen Hinweistafeln und Erklärungen zur Burganlage. Leider sind sämtliche Texte auf Polnisch.
"Liebe Polen, ich mag euer Land, sehr sogar, aber ihr könntet ein klein wenig internationaler werden und Schilder zweisprachig anbringen, damit kann fast jede Nation, die zu euch zu Besuch kommt, etwas anfangen." Außer Franzosen vielleicht, denke ich im Stillen.
In der Ferne ist Donnergrollen zu hören und das war eben eindeutig ein Blitz. Nun aber schnell. Ich halte am Straßenrand und ziehe eilig meine Regenkombi an. Das Unwetter wird jeden Moment losgehen.
Ich bestelle Kaffee und Kinderschokolade und setze mich an einen Tisch und auf einmal sieht das Gewitter gar nicht mehr bedrohlich aus. Während sich das Unwetter vor dem Fenster abarbeitet, nippe ich von dem heißen Automatenkaffee, der eindeutig den Vorteil hat, nicht zwischen den Zähnen zu knirschen.
Jetzt sind es nur noch knappe zwei Stunden bis Camping InterNos und ich freue mich schon auf den vertrauten Platz. Diesmal werde ich das Wiener Schnitzel essen, soviel steht fest.
Ganz unverhofft kommt die Sonne wieder zum Vorschein und kurz darauf ist schon wieder blauer Himmel zu sehen. Auf einer schmalen Allee fahre ich der Campinginsel entgegen. Kein Vergleich zu meinem wilden Ritt über den Truppenübungsplatz auf dem Hinweg, den werde ich so schnell nicht vergessen.
Ich bin total stolz, dass jemand mich von meiner Website wiedererkannt hat, versuche aber, es mir nicht anmerken zu lassen. Immer lässig bleiben. Innerlich aber bin ich ganz aus dem Häuschen: Also werde ich doch gelesen!
Diesmal hat die Regenkombi dichtgehalten. Ich ziehe mich um und spaziere ein wenig über die Campinginsel, solange bis die Sonne untergeht und es Zeit fürs Abendessen wird.
Das Restaurant habe ich heute abend fast für mich allein, die Saison geht zu Ende. Ich bestelle ein Wiener Schnitzel und höre bald darauf aus der Küche das typische Geräusch des Fleischklopfers.
Es ist ein wunderschöner Abend und ich setze mich mit Martin und Jens nach draußen auf die Terrasse. Wir trinken Bier und unterhalten uns angeregt über die Gegend, in der wir uns befinden. Inzwischen steht der Vollmond am Himmel und wirft sein fahles Licht auf den See.
"Das sind Wölfe", erklärt Martin Moser trocken. "Ein großes Rudel lebt drüben im Wald. Der Wald ist riesig, da ist Platz genug."
Als ich später im Schlafsack liege und das Mondlicht fahl aufs Zelt scheint, höre ich ab und zu in der Ferne noch immer leise das Heulen der Wölfe.
zum nächsten Tag...
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Die Polenreise geht allmählich ihrem Ende entgegen. Morgen bin ich zurück in Deutschland.