Heimreise und Fazit
Als ich morgens aus dem Zelt krieche, steht die Sonne schon hoch am Himmel und ist dabei, den letzten Frühnebel vom Wasser zu vertreiben. Es muss geregnet haben in der Nacht, das Zelt und die Wiese sind noch nass.
Endlich steht Pasewalk auf einem Schild und ich bin heilfroh, als ich endlich aus Stettin raus bin und die Grenze nach Deutschland überquere. Einmal mehr empfinde ich, wie fehl am Platz ich mich in der Großstadt fühle.
Auf den verlassenen Landstraßen der Uckemark halte ich den Tacho der KLX bei 110 und komme gut vorran. Es sind etwa 600 km bis Kiel. Soll ich durchfahren, dann bin ich heute abend zu Hause? Nein, das hält mein Genick nicht durch. Nach spätestens 400 km ist es durch Fahrtwind und Erschütterung erledigt für den Tag. Also werde ich noch einmal übernachten.
Der Platz strahlt den Charme der 60er Jahre aus und hat sicher bessere Zeiten gesehen, aber ich mag ihn, erinnert er mich doch an die Zeit als Wölfling bei den Pfadfindern.
Masuren ist so, wie Schleswig-Holstein vor 50 Jahren gewesen sein mag. Es ist nicht so modern, aber dafür ist viel Ursprüngliches erhalten, was das Land und seine Bewohner so liebenswert macht.
Masuren - Wahrheit oder Mythos?
Auf meiner Reise habe ich andere deutsche Touristen getroffen, die allesamt enttäuscht waren von dem Masuren, das sie fanden und auch ich selbst war anfangs nicht begeistert.
Woran mag das liegen? Ich bin mir sicher, es liegt an falschen Erwartungen, an einer Überhöhung des Mythos Masuren. Was wissen wir schon von diesem Landstrich, außer dem, was Siegfried Lenz in So zärtlich war Suleyken erzählt? Gar nichts, meine ich, und deshalb reist mancher mit falschen Erwartungen dorthin.Ein weites, einsames Land...
Wahrheit! Masuren ist tatsächlich ziemlich dünn besiedelt und das merkt man auf Reisen auch. Außerhalb der Ortschaften begegnet man kaum einem anderen Menschen. In der Woiwodschaft Ermland-Masuren leben nämlich nur 59 Menschen pro km².(Zum Vergleich: Baden-Württemberg 299 Einwohner pro km², Schleswig-Holstein 180/km², Värmland, Schweden 14 Bewohner pro km².)
Unendlich viele, tiefblaue Seen...
Mythos! In Masuren gibt es viele Seen, die im eiszeitlichen Geschiebe entstanden sind, aber sie sind nicht das vorherrschende Bild in der Gegend und nicht zu vergleichen mit Finnland und Schweden. Tatsächlich sieht es kaum anders aus, als in Schleswig-Holstein, oder in Mecklenburg-Vorpommern.Land von unglaublicher Schönheit...
Mythos! Der vorherrschende Eindruck ist der einer lieblichen Hügellandschaft mit Wiesen, Wäldern und Feldern, mit viel Natur also. Masuren ist ein hübsches Land, wer aber aus Schleswig-Holstein über Me-Vo dorthin reist, so wie ich, der mag anfangs ziemlich enttäuscht sein: "Das sieht ja aus wie Zuhause...?!"Erst wenn man langsamer wird und genauer hinschaut, entdeckt man Unterschiede, die sanfte Hügellandschaft, die vielen Sandwege, das alte Kopfsteinpflaster, Dörfer ohne einen Meter befestigter Straßen und dann die Alleen. Sind wirklich alle Straßen in Masuren Alleen? Ja. Alle? Ja, alle und sie sind unglaublich schön zu fahren. Ein Paradies für Motorrad- und Cabriofahrer. Dagegen kann sich die Deutsche Alleenstraße gehackt legen! Nach Masuren habe ich diese Themenstraße jedenfalls von meiner Reiseliste gestrichen.
Viele, viele Störche...
Wahrheit! Ich war im Herbst unterwegs und die Störche waren bereits ausgeflogen, aber auf jedem zweiten Dach, Telefonmast und alten Schornstein sieht man eines der Wagenrad großen Nester. Man kann kein Dorf in Masuren fotografieren, ohne nicht mindestens ein Storchennest im Bild zu haben.Die können alle Deutsch...
Mythos! Wenige alte Menschen konnten etwas Deutsch, aber das war die Ausnahme und nicht genug für eine Unterhaltung (Nix Wasser, nix Kaffee). Einige Jüngere sprachen ein wenig Englisch, aber so wie bei uns, sind das nicht die, die in Tankstellen und Supermärkten bedienen. Andererseits ist jeder Versuch, für die Reise etwas Polnisch zu lernen, zum Scheitern verurteilt. Diese Sprache ist zu fremd, zu schwierig, um mal eben ein paar Sätze zu lernen. Wer etwas anderes behauptet, will vermutlich angeben.Die Menschen in Masuren habe ich als freundlich und hilfsbereit erlebt, aber auch als zurückhaltend und fast ein wenig schüchtern. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.
Da kann man toll Enduro fahren...
Wahrheit! Ja, das kann man. Es gibt sehr viele Sandwege als Verbindungsstraßen zwischen den Dörfern, die auch mit der großen Reiseenduro eine Menge Fahrspaß versprechen. Wer es derber mag, findet Waldwege jeder Güte zum Endurowandern.Fazit
Es hat eine Weile gedauert, in Masuren anzukommen, aber je länger ich unterwegs war, desto wohler habe ich mich dort gefühlt. Ich musste ganz schön abbremsen, um mich auf das Tempo von Masuren einzustellen und vielleicht war ich mit dem Motorrad fast schon zu schnell. Es ist eher ein Land zum Radwandern und zum Langsamsein, als mit 1200 Kubik und Bluetooth Funk in drei Tagen durchzuheizen. Es kann sein, dass man dann enttäuscht ist.
Ich weiß noch nicht, ob und wann ich wieder dorthin fahre, aber eines ist sicher: Meinen Sommer in Masuren werde ich niemals vergessen.
zurück nach oben
Nun ist die Reise nach Masuren zu Ende erzählt.