Reise nach Italien Tag 1+2: Kiel - Verona - Gajole Tag 3: Am Lago di Corlo Tag 4: Arsiè - Camp Valle Verde Tag 5: Bozen - Meran Tag 6: Meran - Stelvio - Gaviapass Tag 7: Edolo - Zambla Alta Tag 8: Zambla - Lago di Lugano Tag 9: Lago Maggiore Tag 10: Markt in Cannobio Tag 11: L. Maggiore, Lugano, Como Tag 12: Morbegno - Lago d'Iseo Tag 13: Lago d'Iseo - Gardasee Tag 14: Gardasee - Sega Di Ala Tag 15: Verona - Heimreise - Fazit
Am Lago Maggiore
Es sind Campingplätze wie diese, die den Spaß am Zelten vermiesen können. Was ist das überhaupt für ein Name, Camping International? Die Rezeption in einer früheren Autowerkstatt, der Chef unfreundlich und stramm wie ein Ochse. Ich hätte ... nein, das ist nicht meine Art und außerdem bin ich im Urlaub und nicht auf der Arbeit. Also zahle ich, lächele, und fahre am nächsten Morgen weiter. Das Schlimmste, das ich tun werde ist eine miese Bewertung im Internet zu schreiben.
Die schlechte Laune ist verflogen, kaum dass ich Ponte Tresa hinter mir gelassen habe. Der Luganersee glänzt im Licht der aufgehenden Sonne und an seinem Ufer stehen Palmen. Echte Palmen! Die sind für mich der Inbegriff von Südlicher Sonne und Erholung, von weißen Stränden und Bacardi Feeling. Wir Schleswig-Holsteiner sind schon durch Berge zu begeistern, aber bei Palmen flippen wir regelrecht aus vor Glück.
Wir sind kaum richtig in Fahrt, da erwartet uns der nächste Glücksmoment: Am Straßenrand steht ein knallbunter Imbisswagen und duftet nach Grillfleisch. Ich stelle die Maschine ab und schaue, was es zum Frühstück gibt. Auf dem Grill brutzeln die leckersten Schweinereien. Pieps möchte unbedingt ein Schaschlik zum Frühstück: "Eins mit so kleine Wööhrstschen un' mit Schpeck!"
Man kann über die Italiener sagen was man will, dass man in ihren Restaurants nicht satt wird, Nudeln und Pizza kein richtiges Essen sind und dass sie Fleisch nicht können, aber dieses Grillmobil ist genial. Mehr Fleisch, Fett und Geschmack lassen sich nicht auf einen Holzspieß stecken. Immer abwechselnd ein Stück Fleisch, eine scharfe Wurst, ein Streifen Speck, ein Fetzen Paprika und dann wieder von vorne. Nicht nur Pieps ist entzückt.
Leider gibt es zum Frühstück keinen Kaffee dazu: "Scusi. Kaffa Maschien kabudd." Die Kaffeemaschine ist kaputt. Das wiederum kommt mir sehr italienisch vor.
Die Nebenstrecke vom Luganersee zum Lago Maggiore ist streckenweise so schmal und unübersichtlich, dass es fast unheimlich ist. Der Radweg von Büsum nach Westerdeichstrich ist genauso schmal, aber dafür kann man dort am Freitag schon sehen, wer Sonntag zu Besuch kommt. Hier aber möchte man vor jeder Kurve parken, nach vorne laufen und kurz um die Ecke gucken, ob einer kommt. Eine tolle Strecke, aber sie zerrt gewaltig an der Zeit und an den Nerven. Ich liebe jeden Kilometer davon.
Es ist jedesmal wieder ein ganz besonderer Moment, wenn in der Ferne blaues Wasser auftaucht und man weiß: Dort will ich hin, das ist mein Ziel. Diesen Moment habe ich schon damals geliebt, wenn ich nach Spanien gefahren bin und in der Ferne zum ersten Mal das Mittelmeer auftauchte. Hier ist es der Lago Maggiore, der unverhofft zu sehen ist und mein kleines Herz vor Freude einen Hüpfer machen lässt.
Es bleibt vorerst bei diesem ersten Anblick, denn jetzt schraubt sich die Straße durch einen Buchenwald hinunter auf Seehöhe. Es ist angenehm mild, kein Regen weit und breit, aber der Herbst kommt mit Macht und ist nicht mehr zu übersehen.
Eine halbe Stunde später stehe ich in Laveno-Mombello endlich am Ufer des Lago Maggiore. Von hier gibt es sogar eine Autofähre rüber nach Intra, aber heute interessiert mich nur der bunte Markt auf der Mole. Doch in einigen Tagen werde ich mit der Fähre aus Intra hierher zurückkehren und von Bord gehen.
Ich lasse die Enduro am Rand der LKW Spur stehen und gehe die wenigen Schritte zum Markt. Ein Wochenmarkt in Italien ist ganz anders, als der in Kiel auf dem Exerzierplatz. Hier liegt die Ware offen, ohne Kühlung, Spuck- und Greifschutz und weiß der Geier was noch für Vorschriften auf den Tischen.
Die kleinen Salamis, die in Bastkörben auf dem Tisch stehen, habe ich schon in Frankreich lieben gelernt. Drei Stück für fünf Euro. Eine darf Pieps aussuchen und ‐ trotz Protest ‐ ich die anderen Beiden. Ich bin die Ältere und die, die am Ende bezahlt, lautet meine Einlassung. Eine gewisse Maus ist nicht überzeugt.
Am Stand gegenüber wird uralter Käse angeboten. Zuerst halte ich den rissigen Zylinder für einen Holzklotz, vielleicht für einen Hocker, aber tatsächlich ist es ein Käse. Ein Kilo davon kostet zweimal soviel wie bestes Entrecôte. Aus Gründen, die mir ewig unverständlich bleiben werden, staune ich, fotografiere, aber kaufe nichts. Nicht einmal ein kleines Stück. Abends im Zelt beim Rotwein werde ich das bereuen, aber das kann ich jetzt noch nicht wissen.
Gegenüber vom Wochenmarkt steht ein knorriger alter Herr mit seinem Kastanienofen. Sein Geschäft hat der Kastanienmann unbürokratisch auf einer Sperrfläche der Fahrbahn eröffnet. Die abbiegenden Autos zirkeln großzügig um ihn herum. Ein wenig sieht er selbst wie eine Kastanie aus. Aus dem Mundwinkel hängt ihm lässig eine Zigarette.
Im Ofen glimmt ein Feuer aus Holzkohle und in der Metallpfanne oben drauf rösten frische Esskastanien.
Die Hände hat der Kastanienmann die meiste Zeit in den Taschen. Seinen Laden hat er dennoch perfekt im Griff. Ich denke nicht, dass er Gefahr läuft, in nächster Zukunft an einem Burn-out zu erkranken. Er macht jedenfalls nicht den Eindruck.
Die erste unserer drei Salamis teile ich mit Pieps noch auf dem Parkplatz. Es ist die aus Wildschwein, ich habe sie ausgesucht. Wildschweinsalami schmeckt sehr aromatisch, aber Pieps findet sie "ehrngwie örkselich", was eine gewisse Maus nicht daran hindert, mehr als nur ihre Hälfte davon in sich hineinzustopfen.
Von Laveno-Mombello aus fahre ich weiter nach Ranco. Ich möchte das Haus besuchen, in dem meine Freundin Funny, Bringerin von Pieps und Bekocherin der Unwürdigen, aufgewachsen ist.
Die geheimnisvolle Villa No.3 liegt am Ende einer Sackgasse. Ich lasse das Motorrad an der Hauptstraße stehen und gehe zu Fuß bis an das grüne Eisentor heran. Villa Amabilia steht auf einem verwitterten Schild, darunter auf einer Fayence die Nummer 3. Oben auf der Säule thront ein steinerner Löwe.
Hinter Weinlaub halb verborgen ist eine verwunschene, alte Villa zu erkennen. Hier soll an jedem 1. April des Jahres ein Esel im Garten gestanden haben und die kleine Funny ist nur zu gerne darauf hereingefallen. Heute lebt dieser Aprilscherz bei Pieps und mir in Kiel weiter.
Ein schöner Ort, um die Kindheit zu erleben. Ob die kleine Funny hier herumgesprungen ist? Über diesen Kiesweg und dann hinunter zu dem kleinen Kiosk vorne an der Straße? Ich selbst bin ganz ähnlich aufgewachsen, in Klingberg am Pönitzer See.
Von Ranco aus fahre ich weiter und um die Südspitze des Lago Maggiore herum. Der See wird vom Tessin durchflossen. Der Fluss ist zugleich die Grenze von der Lombardei zum Piemont. Hoffentlich fängt Pieps nicht wieder mit ihrer Claudia Bertani an, der Kirschtesterin von Mon Cherie und in den Augen einer gewissen Maus noch heute das größte Filmidol aller Zeiten. Noch vor Lara Croft.
Die Uferstraße am Westufer des Lago Maggiore ist nicht lustig. Etwa dreißig Kilometer geht es an Geschäften vorbei, an Gewerbebetrieben, Tankstellen, Restaurants, kleinen Läden, Pizzerias und immer wieder an Campingplätzen. Jeder Quadratmeter zum See ist verbaut. Selten eine Parkanlage, die endlich einen freien Blick aufs Wasser erlaubt.
In Stresa gibt die Uferpromenade den Blick frei auf die Isola Bella, die schöne Insel, mit ihrer Gartenterrasse, eine der großen Touristenattraktionen am Lago Maggiore. Am nördlichen Zipfel der Insel sieht man übers Wasser den Palazzo Borromeo.
Am Ufer des Lago Maggiore einen Campingplatz zu finden ist die einfachste Sache der Welt. Sie liegen aufgereiht wie Perlen auf einer Kette. Schwieriger ist es, einen halbwegs erträglichen Platz zu finden, einen der nicht völlig overcrowded und von Animateuren heimgesucht wird. Mit Camping Lido Toce ist mir hoffentlich genau das gelungen.
Der Platz ist nicht einmal mehr zur Hälfte belegt. Kein Wunder, denn schon in zwei Wochen schließt das Camp für die Winterpause. Ich checke gleich für zwei Tage ein. Morgen werden wir einen Jokertag einlegen und uns die Gegend ansehen.
Zum Abendessen habe ich grobe Bratwurst und Schweinekoteletts gekauft. Wir sind beide ziemlich ausgehungert, weil wir seit dem Früchstück nichts mehr gegessen haben. Versonnen starren wir beide auf die Bratpfanne mit dem Fleisch, das mit jeder Minute besser duftet.
Heute, am neunten Tag unserer Herbstreise, haben wir den äußersten Punkt der Route erreicht. Erst in sechs Tagen müssen wir wieder am Verladebahnhof in Verona sein, um den Autozug nach Hause zu erwischen, doch bis dann ist es noch lange hin.