Reise nach Italien
Tag 1+2: Kiel - Verona - Gajole
Tag 3: Am Lago di Corlo
Tag 4: Arsiè - Camp Valle Verde
Tag 5: Bozen - Meran
Tag 6: Meran - Stelvio - Gaviapass
Tag 7: Edolo - Zambla Alta
Tag 8: Zambla - Lago di Lugano
Tag 9: Lago Maggiore
Tag 10: Markt in Cannobio
Tag 11: L. Maggiore, Lugano, Como
Tag 12: Morbegno - Lago d'Iseo
Tag 13: Lago d'Iseo - Gardasee
Tag 14: Gardasee - Sega Di Ala
Tag 15: Verona - Heimreise - Fazit
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Am Gardasee

Camp Olivella wird von einer kleinen Schar tapferer Gänse bewacht. Die Alarmgänse stehen unerschrocken Wache und mustern die Umgebung mit größtem Argwohn. Bei der geringsten Gefahr veran­stalten sie einen Höllenlärm. Leider können sie nicht sonderlich gut unterscheiden zwischen Horden marodierender Verbrecher, Camping­gästen auf dem Weg zum Lokus, oder einem Blatt im Wind.

Herbstreise nach Italien 2017

So kommt es, dass ich schon früh auf dem Motorrad sitze. Der ewige Radau der Biester hat mich zu nacht­schlafender Zeit unsanft geweckt. Über dem Lago d'Iseo wabert noch milchiger Frühdunst, als ich auf einer schmalen Straße den Berg hochtuckere.

Nach zwanzig Kilometern erreiche ich Ponte Zanano, eine Kleinstadt komplett mit Ampeln, Geschäften und einem lebhaftem Berufsverkehr. Ich halte vor dem Café Elisir. Der Laden ist gut besucht, alle Tische sind besetzt. Ich will gerade wieder gehen, da steht ein vornehm gekleideter Herr auf, nimmt seinen Mantel und deutet auf den frei werdenden Platz: "Prego, Signora." "Grazie Senore". Ich setze mich. Der Stuhl ist noch warm.

Herbstreise nach Italien 2017

Die Wirtin spricht kein Wort irgend etwas anderes als Italienisch. Ich reihe sämtliche mir bekannten Worte, die irgendwas mit Essen zu tun haben aneinander und hoffe, dass sie ein Frühstück ergeben: "Pannini salami e formaggio e caffè grande americano con latte, prego." Damit habe ich meinen gesamten italienischen Wortschatz in einem einzigen Satz untergebracht. Nicht schlecht, denke ich mit einer gewissen Genugtuung.

Herbstreise nach Italien 2017

Tatsächlich, es funktioniert: Ich bekomme eine kleine, halbvolle Tasse Kaffee (grande), ein Kännchen Milch dazu und ein Brötchen mit Wurst und Käse. Wie so oft in Italien ist es, in Pieps Worten 'forztrocken', weil sie keine Butter draufschmieren. Vielleicht muss man die extra ansagen, aber das Wort fehlt in meinem Wortschatz. Trotzdem schmeckt es ausge­zeich­net. Das Brötchen ist knusprig, der Käse fett und die Salami erstklassig. Selbst die Tasse Kaffee ist nach italienischen Maßstäben geradezu ein kleiner Eimer.

Der gut gekleidete Herr hat seine Zeitung auf dem Tisch liegen lassen. Mit beiläufigem Interesse schlage ich die Gazetta dello Sport auf. Nicht, dass ich auch nur ein Wort verstehen würde, aber ich möchte, dass die Leute denken, ich gehöre irgendwie dazu und sei eine weitgereiste, lässige Else, die nicht nur auf Italienisch ein komplettes Frühstück ordern kann, sondern sogar die Sportnachrichten liest.

Herbstreise nach Italien 2017

Hinter Zanano führt die Straße zurück in die Berge und steigt hoch zum Passo di Mannono. Das Besondere sind nicht die Höhenmeter, oder die Namen der Pässe, die man sich voller Stolz in den imaginären Wanderpass stempelt, sondern es ist das Fahren an sich auf diesen schmalen, kurvigen Straßen, die kaum mehr sind, als asphaltierte Wege. Es herrscht kein Verkehr. Ich bin allein unterwegs und genieße das ruhige Tempo und jeden Kilometer dieser wunderschönen Motorradstrecke.

Herbstreise nach Italien 2017

Den letzten besonders steilen Anstieg zum Passo di Mannano klettere ich im dritten Gang hinauf. Ich will Greeny schonen. Wir sind beide nicht mehr die Jüngsten und das langsame, genussvolle Pässeklettern macht mir Spaß. Oben angekommen haben wir den Parkplatz am Aussichtspunkt für uns allein. In den vergangenen kalten Nächten haben die Bäume begonnen, sich bunt zu färben.

Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

Plötzlich führt die Straße über eine hohe Brücke. Tief unten ein Fluss, der sich wie ein Fjord in die Felsen geschnitten hat. Es ist ein Ausläufer des Lago di Valvestino, eines gigantischen Stausees. Touristisch ist die Gegend wenig erschlossen, weil sie nur über die zeitraubende Passstraße zu erreichen ist.

Herbstreise nach Italien 2017

Es ist ein warmer, trockener Tag. Wenn der Herbst immer so wäre wie heute, könnte mir der Sommer gestohlen bleiben. Auf dem Parkplatz an der Staumauer lege ich eine Pause ein und trinke einen Schluck Wasser aus der Flasche hinten im Gepäck. Auf dem Parkplatz stehen zwei BMW Einzylinder­enduros mit vollem Reisegepäck.

Die Maschinen gehören zwei jungen Frauen aus Bayern. Die Beiden sind auf dem Rückweg aus Griechenland. Eine dünne Schicht roter Staub liegt über den Maschinen und auf dem Gepäck. Ich bewundere die beiden Mädchen, die weniger als halb so alt sind wie ich und so voller Lebenslust und Power. Das bin ich auch, denke ich dünnzickig und heize mit deutlich mehr Power vom Platz, als unbedingt nötig gewesen wäre.

Herbstreise nach Italien 2017

Kurz darauf taucht in der Ferne zum ersten Mal das azurblaue Wasser des Gardasees auf. Mit jedem Kilometer wird der Verkehr dichter. Alles rennet, rettet, flüchtet zu diesem berühmtesten Punkt Oberitaliens.

Herbstreise nach Italien 2017

Nicht nur Biker, sondern auch Autofahrer spüren das Verlangen, in Gruppen zu fahren: Ein Rudel Cabriolets, eine Rotte Porsches, ein örtlicher Opel-Club. Ich würde darüber spötteln, wäre ich nicht selbst in den 1980er Jahren mit meinen First German Pickup Friends durch die Pampa geheizt wäre und ein paar Aktionen gebracht hätte, über die heutzutage Spiegel-Online berichten würde.

Neben den Pickups denke ich am liebsten an meinen getunten PV544 Buckelvolvo zurück. Er war für Beschleunigungsrennen aufgebaut worden und hatte eine LKW Hinterachse mit breiten Walzen. Unter der Haube ein getunter Alfa Romeo Motor mit offenen Ansaugtrichtern. Im Kofferraum ein kleiner Öltank, mit dem ich unmittelbar vor einem Drag etwas Öl auf die Hinterreifen spritzen konnte. Wenn man dann bei Vollgas die Kupplung springen ließ, stand der Wagen einen Moment lang mit rauchenden Reifen auf dem Asphalt, bevor der Oldtimer mit infernalischem Röhren gestartet ist wie eine Rakete.

Meine Güte, all diese verrückten Aktionen. War das wirklich ich? So jung, so unerschrocken, so furchtlos und dumm. Ob noch ein Rest dieser PowerDNA in mir steckt? Irgendwo ganz tief drinnen? Manchmal wünschte ich es. Heute denke ich ständig an die Konsequenzen, bin durch und durch vernünftig und scheue jedes Risiko.

Herbstreise nach Italien 2017

Die Uferstraße am Gardasee ist sagenhaft schön, jeder Meter aus dem Fels gesprengt, Tunnel und Gallerien, exotische Pflanzen und immer wieder diese herrliche Aussicht auf den See. Der Verkehr ist allerdings selbst heute, an einem Mittwoch Ende September, so stark, dass man höllisch aufpassen muss und wenig Muße für Sightseeing bleibt.

Herbstreise nach Italien 2017

Zum ersten Mal auf dieser Reise wird das Benzin bedenklich knapp. Ich fahre seit vierzig Kilometern auf Reserve. Kurz bevor es wirklich Ernst wird, taucht eine TAMOIL Tankstelle am Wegesrand auf. Es ist eine dieser unbewirtschafteten Automatentankstellen. Ich halte vor der Tanksäule, die für das Superbenzin zuständig ist. Der kleinste Schein, den ich im Portmonee habe, ist ein Zwanziger. Den opfere ich, auch wenn höchstens für zehn Euro Benzin in den Tank geht und es kein Wechselgeld gibt.

Mit unverhohlener Gier reißt der Automat mir den Zwanziger aus der Hand, kaum dass ich ihn vor den Schlitz gehalten habe. Mit lautem Surren verschwindet er in den Eingeweiden der Maschine. Es fehlt bloß noch ein kleiner Rülpser. Auf dem Display erscheint "Grazie". Ich gehe an die Säule, stecke den Stutzen in den Tank und drücke den Hebel. Nichts.

Vielleicht muss ich noch irgendwas drücken? Ich gehe zurück zum Automaten, mal sehen, was das Display sagt. "Arrivederci", steht dort. Sonst nichts. Game over. Keine Rückgabe, kein Benzin, kein Garnichts. Ich liebe Italien. Es lohnt sich nicht, wegen zwanzig Euro einen Aufstand anzuzetteln und ich wüsste auch nicht wo. Stattdessen verbuche ich es unter Erfahrungen und tuckere mit den letzten Tropfen Benzin im Tank langsam weiter.

Herbstreise nach Italien 2017

An der nächsten Tankstelle kaum fünfhundert Meter weiter zahle ich ohne Probleme mit der VISA-Karte. Sicher habe ich vorhin irgendeinen dummen Fehler gemacht. "Ja", sagt eine innere Stimme, "einem italienischen Automaten Bargeld anzuvertrauen."

Mit vollem 7,7 Liter Tank fahre ich amüsiert weiter. Mein Camp für heute heißt Arco Bed & Camping. Es liegt zwei Kilometer abseits am Nordufer des Gardasees. Ein ruhiger, gepflegter Platz mit einer Villa, in der man sogar ein Zimmer mieten kann. Ein wahrer Premiumplatz, der wunderbar hübsch angelegt ist.

Herbstreise nach Italien 2017

Der Besitzer des Camps hat einen eigenen Weinberg und an der Rezeption kaufe ich davon eine Flasche Merlot. Die Trauben für den dunkelroten Wein wachsen schräg gegenüber vom Camp auf der anderen Seite der Straße.

Herbstreise nach Italien 2017

Im Supermarkt die Straße runter kaufe ich ein paniertes Schnitzel und eine Schale gegrilltes Gemüse in Olivenöl. In Italien mag ich sogar Gemüse, stelle ich mit einiger Verwunderung fest. Und auch das Bier schmeckt ganz vorzüglich.

Herbstreise nach Italien 2017

Trotzdem wird Italien nicht mein liebstes Reiseland werden. Die herrliche Landschaft und das gute Essen machen das touristisch Überlaufene, die ständige Hektik und seine lauten, rück­sichts­losen Bewohner für mich nicht wett. Das ist kein Fehler Italiens, immerhin des belieb­tes­ten Reiselandes der Deutschen, es passt nur nicht zu meinen Bedürfnissen. Ich mag Einsamkeit, verlassene Gegenden, tiefe Wälder, leere Straßen und ruhige Menschen. Die Italiener mit ihrer extrovertierten Art erschrecken mich, obwohl sie zugleich so herzlich sind.

Herbstreise nach Italien 2017

Trotzdem ist es eine schöne Reise und ich bereue nicht, hergekommen zu sein, aber sollte ich ein zweites Mal nach Italien reisen, dann würde ich die Gegend um den Gardasee meiden. Eine Kollegin berichtet seit Jahren begeistert von ihren Touren in die Abruzzen, wo sie schon einige Male mit dem Motorrad unterwegs gewesen ist. Vielleicht ist das was für uns? Der Autozug nach Verona allein macht die Reise nach Italien schon zu einem Genuss.

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