Reise nach Italien
Tag 1+2: Kiel - Verona - Gajole
Tag 3: Am Lago di Corlo
Tag 4: Arsiè - Camp Valle Verde
Tag 5: Bozen - Meran
Tag 6: Meran - Stelvio - Gaviapass
Tag 7: Edolo - Zambla Alta
Tag 8: Zambla - Lago di Lugano
Tag 9: Lago Maggiore
Tag 10: Markt in Cannobio
Tag 11: L. Maggiore, Lugano, Como
Tag 12: Morbegno - Lago d'Iseo
Tag 13: Lago d'Iseo - Gardasee
Tag 14: Gardasee - Sega Di Ala
Tag 15: Verona - Heimreise - Fazit
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Auf der Strada della Cucca

Erst gegen Morgen wird es kühler und ich tauche noch einmal ganz tief ins Kissen, den Schlafsack nur lose überge­worfen. Als ich später mit dem Handtuch überm Arm zum Wasch­haus wandere, bin ich fast allein. Die meisten schlummern noch. Es ist ein herrlicher Morgen.

Herbstreise nach Italien 2017

Die erste Herausforderung des Tages ist der Stadtverkehr von Rovereto. Wie kann eine pupsige Kleinstadt von 39.482 Einwohnern solch ein Durcheinander produzieren? Muss man Italiener sein, um die Welt um einen herum dermaßen ins Chaos zu stürzen, oder ist das nur ein besonders hilfreicher Faktor dabei?

Die Augen überall zugleich taste ich mich durch den Verkehr, je zwei Finger an der Bremse und an der Kupplung. Am Ortsrand tanke ich noch einmal randvoll. Es gehen zwar nur anderthalb Liter rein, aber heute brauche ich jeden Tropfen an Bord, denn wir wollen später einen spannenden offroad Pass fahren und ich kann noch nicht einschätzen, was mich da erwartet.

Herbstreise nach Italien 2017

Das winzige Bergdorf Piazza ist Teil der Gemeinde Terragnolo. Wenn man alles zusammen­rechnet kommen Piazza, Terragnolo und die gesamte restliche Gemeinde auf 785 Einwohner. Langsam tuckere ich im zweiten Gang durch Piazza. Vor einer Trattoria sitzen zwei alte Herren und rauchen Zigarillos. Von Zeit zu Zeit nippen sie andächtig an ihrem Morgenkaffee. Das möchte ich auch. Nippen, nicht rauchen.

Herbstreise nach Italien 2017

Ich quetsche Greeny dicht an die Hauswand gegenüber der Trattoria. Trotzdem wird es eng, wenn ein Auto daran vorbei will, doch hier scheint das niemanden zu interessieren. Bei aller Hektik hat man dennoch immer genügend Zeit. Die beiden alten Herren lächeln mir freundlich zu, als ich den Helm abnehme und ein gut gelauntes "Bon Giorno" hinüber trompete.

Herbstreise nach Italien 2017

Der kleine Hund in der Bar merkt sofort, dass ich kein Stammgast bin und eigentlich nicht hierher gehöre. Misstrauisch beäugt er jeden meiner Schritte: "Was will die hier?". Die Bedienung am Tresen hört aufmerksam zu, als ich in stolperndem Italienisch mein gewohntes Frühstück bestelle: "Panini Salame e cafe con Latte." Den Frommagio, den Käse, lasse ich heute mal weg. Bei einem so begrenzten Wortschatz muss ich jeden Trick nutzen, um ein wenig Abwechslung ins Frühstück zu bringen.

Ich setze mich mit meiner Beute nach draußen. Das Brötchen ist gut belegt, die Salami prima, aber wie immer alles ohne Butter. Was haben Italiener gegen Butter? Ist das zu korrekt? Oder liegt es schlicht daran, dass mir die magische Vokabel fehlt, um welche zu bestellen?

Herbstreise nach Italien 2017

Auf der Landkarte versuche ich den Pass zu identifizieren, den ich gleich fahren will, doch er ist nicht eingezeichnet. Claudia hat mir stattdessen eine gepunktete Linie durchs Nirgendwo gezeichnet, soweit sie den Streckenverlauf auf dem Satellitenfoto ausmachen konnte.

Nach dem zweiten Milchkaffee starte ich. Die Serpentinen­strecke führt durch kleinste Dörfer, mitunter nur eine Handvoll Häuser, die am Berghang kleben. Manchmal gibt es eine Bar, wie die in Piazza, aber immer, stets und jedesmal gibt es eine Kirche. Mitunter sehr klein, aber umzweifelhaft ein Gotteshaus.

Genüsslich steuere ich das Motorrad von Kurve zu Kurve bergan, beschleunige, bremse, kuppele, schalte, lenke und sehe immer wieder auf den Tacho, das GPS und in die Spiegel. Motorrad­fahren am Berg ist richtige Arbeit, aber eine schöne. Ich genieße jeden Kilometer.

Herbstreise nach Italien 2017

Auf dem Display verlässt die türkise Linie , die meinen geplanten Track anzeigt, unvermittelt die Straße und biegt ab in den Wald. Der Asphalt wird zuerst löcherig, dann lückenhaft und endet schließlich ganz.

Herbstreise nach Italien 2017

Am Fuß einer Felswand geht es auf grobem Schotter bergan. Durch die überhängenden Äste der Bäume fahre ich wie in einem natürlichen Tunnel. Trotz Urlaubsgepäck klettert Greeny im zweiten Gang wie eine Bergziege bergan, die Drehzahl nur knapp über 3000 U/min. Der Weg nutzt das, was der Untergrund hergibt: Schotter, Erde, Steinplatten und immer wieder Geröll. Trotzdem fährt es sich ganz einfach.

Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

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Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

Weiter oben halte ich an und stelle den Motor ab. Mir ist kein anderes Fahrzeug begegnet, kein Fußgänger und kein Mountainbike. Nur ein paar Insekten schwirren emsig umher und der heiße Motor der Enduro tickt beim Abkühlen leise vor sich hin. Ich nehme die Wasser­flasche hinten aus dem Gepäck und trinke ein paar Schlucke. Andächtig genieße ich die Aussicht. Das ist wahrlich eine Premiumstrecke.

Herbstreise nach Italien 2017

Nach einer Weile mache ich mich an den Abstieg. Konzentriert steige ich wieder auf die hochbeinige Enduro. Wenn man allein unterwegs ist, darf man nicht schusselig sein, muss ständig bei der Sache sein. Ein herunterfallender Helm, der kugelnd im Abgrund ver­schwindet, ein umgestürztes Motorrad, das die Stollen nach oben im Hang liegt, jede Nachlässig­keit hat Konsequenzen. Ich passe gut auf. Schmerz ist ein starker Lehrer.

Herbstreise nach Italien 2017

Das scharfe Geröll und die spitzen Steine, die aus dem Boden ragen, sehen aus, als wollten sie jeden Reifen zerschneiden und jede Felge durchschlagen, die hier hoch kommt, aber die dicken Enduro­reifen und die verstärkten Offroad Schläuche stecken die Tortur mühelos weg. Bloß die Speichen werden danach wieder ziemlich erledigt sein und müssen sorgfältig nachgespannt werden, bevor ich das nächste Mal auf Tour gehe.

Herbstreise nach Italien 2017

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Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

Nach sechsundzwanzig Kilometern bin ich zurück auf Asphalt. Ich gebe Gas und schalte die Gänge hoch, während die letzten Kiesel aus dem Stollenprofil herausschleudern. Zwei Stunden hat die Fahrt über die Strada della Cucca gedauert.

Kurz darauf wartet schon die nächste Offroad Strecke auf mich, aber diesmal ist sie gesperrt. Ein nagelneues Verbotsschild glänzt wichtig in der Sonne. Schade, denke ich und drehe ab.

Herbstreise nach Italien 2017

Nach einer Weile bin ich zurück nach Rovereto und halte vor einem Supermarkt. Wir müssen noch einkaufen. Weil uns das Gas ausgegangen ist, besorge ich wieder etwas aus der heißen Theke. Die Auswahl ist mittelmäßig und ich kann mich nicht recht entscheiden, aber Pieps wünscht sich panierte Schnitzel und ich gebe nach. Schnitzel sind ok.

Herbstreise nach Italien 2017

Herbstreise nach Italien 2017

Der Zeltplatz, den ich für heute ausgesucht habe, liegt weit abgelegen in 1.250 Metern Höhe am Rand eines Naturparks. Camping Al Faggio wird der letzte Zeltplatz auf dieser Reise sein. Von hier sind es bloß noch fünfzig Kilometer zum Autozugterminal in Verona. Ich werde morgen einen letzten Ruhetag einlegen und übermorgen zum Bahnhof fahren.

Herbstreise nach Italien 2017

Auf dem Platz vor der Rezeption bearbeitet ein Mann die Fliesen mit dem Hochdruck­reiniger. Ein anderer arbeitet an den Blumenkübeln. Sie räumen auf. Der Campingplatz schließt am Montag. Ob ich noch zwei Nächte hierbleiben kann? "No problemo, prego Signora."

In den zwei Wochen, die meine Reise durch Italien gedauert hat, ist es nun richtig Herbst geworden. Der Wald zeigt inzwischen alle seine Farben.

Herbstreise nach Italien 2017

Ich bin ein bisschen traurig, wie ich das zum Ende einer Reise häufig bin. Einerseits freue ich mich auf Zuhause, auf Claudia, meinen gemütlichen Ohrensessel und auf eine heiße Badewanne mit dick Schaum, andererseits könnte ich ewig so weiterreisen, Motorradfahren, fotografieren, schreiben, zelten und am nächsten Morgen wieder von vorn.

Herbstreise nach Italien 2017

Ich bestelle an der Campingbar eine Glas Weißwein und decke unsere mitgebrachten Sachen auf. Massimo, der Wirt, stellt zwei Schalen mit Pistazien und Kartoffelchips hin und hat sich damit für immer in Pieps Herz verewigt. Die Italiener sind so herzlich, so zugewandt, welch freundliche Menschen das sind. Ich liebe es, aber ob ich das lange aushalten könnte? Vermutlich nicht.

zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda, Photoshop Elements and loads of fun.