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Der Markt in Cannobio
In allerbester Urlaubslaune tapse ich frühmorgens zum Waschhaus. Alles schläft. Nur die Putzfrau und der Gärtner sind bereits emsig bei der Arbeit, damit alles hübsch und sauber ist, wenn die Urlauber im Camp Lido Toce ihren Tag beginnen.
Heute will ich den Sonntagsmarkt in Cannobio besuchen. Er soll die Attraktion am oberen Lago Maggiore sein, aber bevor wir losfahren, mache ich zuerst unser Bett und räume das Zelt auf. Ich mag es, wenn ich später nach Hause komme und alles ist hübsch aufgeräumt und wohnlich. Eigentlich wäre Pieps heute an der Reihe, aber eine gewisse Maus hat ausgerechnet jetzt etwas Wichtiges zu erledigen.
Cannobio liegt etwa 30 Kilometer nördlich.
Mit dem Motorrad eine halbe Stunde auf der Uferstraße, aber ich fahre heute Morgen lieber die Nebenstrecke über den Berg. Die Fahrt auf der Uferstraße des Lago Maggiore heb ich mir als Bonbon für den Rückweg auf.
Zu Beginn ist die Strecke schnell mit langgestreckten Kurven und großen Radien, ideal für den dritten Gang, aber je höher die Straße klettert, desto enger wird sie. Schließlich bleibe ich im zweiten Gang und muss manchmal sogar runter bis in den Ersten.
Die leichte Enduro ist das ideale Motorrad auf so einer Strecke, denn eines muss man über das Motorradfahren wissen: Es macht mehr Spaß, ein langsames Motorrad schnell zu fahren, als ein schnelles langsam.
Vom Aussichtspunkt an der höchsten Stelle hat man einen tollen Blick ins Tal. Tief unten glitzert das Wasser des Lago Maggiore in der Morgensonne. Jetzt ist es nicht mehr weit bis Cannobio. Ich gebe Gas, lasse die Kupplung kommen und verteile großzügig etwas Schotter am Straßenrand, bevor die Stollen wieder auf Asphalt beißen.
Bei Cannero Riviera mündet die Bergstrecke auf die Uferstraße und ich muss kurz warten, bis sich eine Lücke im fließenden Verkehr auftut und ich abbiegen kann. Ich bin vielleicht nicht die Einzige, die heute den Markt besuchen will. Viele teure Autos sind auf dem Weg nach Cannobio, SUV, Cabrios und ein paar Supersportwagen, die man nur aus Automagazinen und James Bond Filmen kennt.
Der Markt am Ufer des Lago Maggiore zieht Menschen an von nah und fern. Der kleine Ort platzt aus allen Nähten, jeder Meter ist zugeparkt und vollgestellt.
Selbst ein Motorrad wird man nicht ohne weiteres los, aber schließlich quetsche ich die Enduro neben einer Harley dicht an eine Mauer.
Helm und Tankrucksack lasse ich auf dem Motorrad, aber ich nehme die Kamera mit und das 27 mm Objektiv. In den engen Gassen ist das Weitwinkel die perfekte Brennweite. Als zweite Linse stecke ich das 90 mm ein. Ich liebe diese Brennweite, auch wenn sie für viele Motive in der Altstadt schon wieder zu lang ist.
Die Uferpromenade in Cannobio ist etwa einen halben Kilometer lang. Zwischen dem Wasser und der ersten Häuserreihe mit ihren Cafés und Restaurants stehen die Marktstände in zwei Reihen hintereinander. Es bleiben gerade zwei schmale Gassen fürs Publikum.
Mit der Geschwindigkeit tektonischer Platten schieben sich die Besucher an den Auslagen der Händler vorbei. Man bleibt stehen, nimmt in die Hand, prüft, vergleicht, handelt, kauft, wechselt, oder legt etwas zurück. Alles braucht Zeit.
Das Angebot in Cannobio ist riesig, nahezu unüberschaubar, vielfältig und bunt:
Chinesen verkaufen Jeans und flippige Blusen, Inder bieten Handyhüllen mit bunten Motiven feil, vom Tigerkopf bis Eifelturm, wahlweise mit, oder ohne Glitzersteinchen, Türken handeln mit allerlei Gadgets vom Feuerzeug bis zum Smartphone Beamer für zwanzig Euro. Italienische Frauen mit stolzem Blick verticken Handtaschen, die ihren berühmten Vorbildern verblüffend ähnlich sehen.
Und zwischen all dem Getümmel schleichen einzelne Schwarzafrikaner umher und beglücken die Gäste auf den Außenplätzen der Cafés mit Modeschmuck und billigem Tand aus der Manteltasche.
An einem Stand steht eine alte Zigeunerin auf grotesk hohen Korkpantoletten und bietet bunt verzierte Ledergürtel an, die an Geschmacklosigkeit nicht mehr zu überbieten sein dürften.
Kurzum: Der Markt in Cannobio ist eine Reise wert.
Inzwischen ist es Mittag und Pieps stürmt begeistert jeden Laden, wo Pizza und Spaghetti draußen auf der Tafel stehen: Also in jeden. Essen Italiener jemals auch etwas anderes? Die kleine Maus hat aber Recht, denn inzwischen ist Mittagszeit.
Die Restaurants in der ersten Reihe zeichnen sich durch zwei Eigenschaften aus: Crowded und teuer. Kellner balancieren mit großem Geschick Teller und Tabletts zu den Außenplätzen und kaum ein Tisch ist noch frei. Ich stelle spontan die Hypothese auf, wonach sich in den Seitengassen die Kellner zur selben Zeit die Füße platt stehen und froh sind über jeden Gast. Je weiter entfernt von der Promenade, desto platter und desto froher. Das gilt vermutlich in jeder Hafenstadt. Wir machen uns auf die Suche.
Schon bald werden Restaurants und Souvenirshops seltener und der Strom der Touristen wird dünner. In der Via Umberto entdecke ich schließlich einen entzückenden kleinen Italiener - das Restaurant, nicht den Mann - und setze mich draußen an einen Tisch.
Ich bestelle Pizza mit Sardellen, Kapern und schwarze Oliven. Auf der Karte steht sie als 'Siciliana', aber für mich ist es schlicht meine neue Lieblingspizza. Pieps gibt ihren üblichen unsachlichen Kommentar über das Aussehen von Kapern ab, was sie aber nicht hindert, sich wie eine siebenköpfige Raupe durch den Belag zu mampfen.
Das Essen schmeckt ausgezeichnet und preiswert ist es auch. Weniger preiswert ist diesmal das Copperto. Es steht mit 3,00 EUR auf der Rechnung. Damit kostet das Besteck ein Drittel der Pizza, oder einskommafünf Kaffee. Die haben wirklich eine Meise, die Italiener. Warum machen sie nicht einfach die Gerichte ein wenig teurer? Dagegen lobe ich mir die klaren und verständlichen Grundsätze der Deutschen Gaststättenbranche, wahre Klassiker, wie "Draußen gibts nur Kännchen!"
Nach dem Essen schlendere ich über den Markt zurück zum Parkplatz. Bevor wir zum Zeltplatz fahren, mache ich noch einen Abstecher zum Lago Maggiore Center, dem großen Einkaufszentrum in Baveno, das auch am Sonntag geöffnet ist.
Die Fahrt auf der Uferstraße bietet eine tolle Aussicht über den See und ich muss mich zwingen, ab und zu auch mal einen Blick auf die Straße zu werfen.
Nach einer guten halben Stunde stelle ich die Maschine vorm Eingang des Lago Maggiore Centers ab. Zuerst denke ich, dass der Laden zu hat, weil nur eine Handvoll Autos auf dem Parkplatz steht, aber es ist schlicht die Mittagszeit: Der Italiener sitzt zuhause und isst Spaghetti. Vor meiner Reise habe ich mich eingehend informiert, deshalb weiß ich solche Dinge. Die Grundlagen stammen aus 'Knaurs Kulturführer in Farbe' (Gebundene Ausgabe, 1978), doch die wahren Insiderinfos, darüber wie Italien wirklich ist, habe ich aus der bekannten Reisedoku Man spricht Deutsch.
Den Nachmittag verbringe ich mit Pieps in dem kleinen Billardsalon auf dem Campingplatz. Es macht Spaß, nach so vielen Jahren mal wieder ein Queue zu halten. Ich bin völlig aus der Übung und brauche ewig, um die Bälle in die Taschen zu stoßen, aber Pieps ist fasziniert.
Manchmal frage ich mich, ob Ferien auch so schön wären, wenn man vorher nicht gearbeitet hätte. Ist man vielleicht sogar angewiesen auf die Kälte der Arbeitswelt, den Druck und den ganzen Ärger, um überhaupt erst urlaubsreif zu werden? Und was bedeutet das für die Zeit nach meiner Pensionierung? Werden Rentner urlaubsreif? Ich kann es nur hoffen, denn sonst bin ich irgendwann angeschmiert, weil es das ist, was ich im Alter tun will: Reisen mit Enduro, Zelt und Schlafsack. Und mit Pieps natürlich.