Schweden 2019
Tag 1 Kiel - Møns Klint, DK
Tag 2 Insel Møn
Tag 3 Møn - Sjöbo, SE
Tag 4 Sjöbo - Hätteboda
Tag 5 Hätteboda Vildmarkscamp
Tag 6 Urshult - Camp Fjället
Tag 7 Tidaholm - Mellerud
Tag 8 Håverud - Arvika
Tag 9 Zwischen Vänern und Vättern
Tag 10 TET - Askersund
Tag 11 Tiveden und Göta-Kanal
Tag 12 Vänern - Ulricehamn
Tag 13 Ulricehamn - Göteborg
Tag 14 STENA - Heimkehr und Fazit
Platzhalter Motorradreise Schweden
Platzhalter Motorradtour Schweden
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Wir gehen an Bord

Die Honda schnurrt im sechsten Gang mit 100 km/h vor sich hin. Der Drehzahlmesser steht bei 6.000 Touren. Wir kommen gut voran. Der Riksväg 40 nach Göteborg ist in top Zustand und nie zuvor habe ich so wenige LKW auf einem Haufen gesehen.

Reise nach Dänemark und Schweden

Kurz vor Borås ein Schreckmoment: Völlig unvermittelt taucht vor uns am Straßenrand der berüchtigte goldene Doppelbogen auf. Eltern fürchten ihn, Kinder lieben ihn. Zu spät für ein Ablenkungsmanöver.

„Da vorne ist Megges!", kreischt es aus dem Tankrucksack.
„Ich will Hamburger und Naggets und Milchsheek und Pommes.“

Man muss wissen, wann man verloren hat. Mit einem ergebenen Seufzer setze ich den Blinker, nehme Gas weg und fahre an der Ausfahrt Borås Hultamotet ab. Der McDonald’s liegt unmittelbar neben der Autobahn. Ich stelle das Motorrad ab und folge Pieps ins "Restaurant".

Nach erbitterten Verhandlungen, gegenseitigen Drohungen und einigen Tränchen (ich) einigen wir uns auf eine große Pommes und einen Neuner Nuggets mit BBQ-Sauce. Tarifverhandlungen mit der IG-Metall sind ein Klacks dagegen.

Fasziniert sehe ich der glücklichen Maus zu, wie sie ihr Fastfood verdrückt. 'Fast' im Sinne von 'beinahe'. Was die Kids bloß an der frittierten Pappe finden. Allein die Pommes Frites sind recht lecker.

Reise nach Dänemark und Schweden

Während ich Pieps zusehe, setzt sich ein älterer Mann an unseren Tisch. Ein knorriger Typ in Rangerklamotten, das Gesicht vom Wetter gegerbt. Hans ist im Vorstand des Svensk Land Rover Klubb. Schon beim Parken war mir der hochgerüstete Expeditions Landy aufgefallen. Der lässt selbst den Defender von Lara Croft blass aussehen.

Wir kommen ins Gepspräch und ich berichte, dass wir auf dem Rückweg aus Tiveden sind, wo wir ein Stück des Trans Euro Trail gefahren sind. Ein sehr kleines Stück, weil es mir nur mäßig legal schien. Hans weiß, was ich meine, lächelt und schweigt. Er selbst ist auf dem Rückweg dorthin. Hans wohnt in Tiveden mitten im Wald. Allerings ist in Schweden alles entweder mitten im Wald, oder an einem See. Häufig beides.

Der TET führt unmittelbar an seinem Grundstück vorbei und allein in diesem Sommer hat Hans schon knapp 300 Enduros gezählt, die an seinem Haus vorbeigeschottert sind. Viele davon in Gruppen.

Das Projekt TET finde ich nach wie vor klasse. Ein Spaß für jeden Enduro­fahrer, aber das sind Partys auch und trotzdem würde ich meine Hausparty nicht auf Facebook posten. Das lockt auch die unerwünschten Typen an, die sich nicht zu benehmen wissen und alles kaputt machen.

Zum Abschied schenkt Hans mir das aktuelle Land Rover Magazin seines Clubs, und auch wenn ich die Texte nicht verstehe, sind doch ein paar tolle Hochglanzfotos von Landys im schweren Gelände dabei.

Wir verabschieden uns und ich starte in Regensachen aus Borås. Der Himmel sieht aus, als wenn er mir jeden Moment etwas mitteilen möchte.

Reise nach Dänemark und Schweden

Kurz vor Göteburg geht ein heftiger Wolkenbruch nieder: Dunkle Wolken, viel Wasser, aber auch blauer Himmel dazwischen. Das vermiest mir nicht die Laune. Schlimm ist die graue Wolkendecke ohne jede Struktur. Die verspricht miese Laune für den ganzen Tag. So ein Schauer ist dagegen bloß Spaß.

Als ich ins Stadtgebiet von Göteborg komme, sind die Straßen wieder trocken. Göteborg hat doppelt so viele Einwohner wie Kiel und ist ein wahrer Moloch aus Stadtautobahnen, Tunnels und Auto­bahn­kreuzen, die ein Landei wie ich nicht durchschaut, ob mit oder ohne GPS.

Ich werde noch wahnsinnig. Der Verkehr ist so dicht, dass ich den Blick keine Sekunde von der Straße nehmen mag. Doch. Jetzt. Schnell: „Hier müssen wir runter!“ Ich bin ganz links, die Ausfahrt fünf Spuren rechts von mir, der Verkehr mörderisch. Resigniert fahre ich geradeaus weiter direkt in einen Tunnel. Das Garmin verliert sein Signal.

Oh, wie ich das hasse, meine eigene Blindheit, was Orientierung und Navigation angeht. Ein Wunder, dass ich überhaupt jemals etwas finde.

Am nächsten Autobahnkreuz fahre ich ein kompliziertes Wendemanöver und bin kurz darauf wieder in der Gegenrichtung unterwegs. Nun ist sogar schon Kiel ausgeschildert und eine Hinweistafel zeigt zur Fähre.

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Im Nu kehrt mein Selbstbewusstsein zurück: „Entweder, du hast den angeborenen Instinkt eines Trappers, den natürlichen Orientierungssinn des Pottwals, oder du bist bloß ein weiterer armseliger Stadtmensch, der sich bei McDonald’s auf dem Weg zum Lokus verirrt.“

Reise nach Dänemark und Schweden

Selbstbewusst heize ich auf den Platz vorm STENA Terminal, gebe zwei völlig unnötige Gasstöße und stelle den Motor ab. Lässig setze ich den Helm ab und schüttele die Mähne aus.

Leider verpufft der Auftritt mit dem Arbeitstitel "Extrem coole Biker-Else kommt mit extrem cooler Enduro an der Fähre an". Es ist nämlich keine Sau da. Wir sind fünf Stunden zu früh, weil ich wieder mal Shice hatte, die Fähre zu verpassen.

Reise nach Dänemark und Schweden

Nach drei Stunden Wartezeit schalten die Ampeln auf Grün und ich rolle an den Ticketschalter. Ich zeige meine Buchung und bekomme den Kabinen­schlüssel für Cabin 9707. Die Schranke öffnet sich und ich darf vorfahren zum Schiff: „Lane one, please“.

Bis das eigentliche Boarding beginnt, dauert es noch. Zuerst werden die LKW Trailer an Bord rangiert. Ich komme mit zwei Harley Fahrern ins Gespräch, die auf dem Weg zu einem Treffen in Belgien sind. Von dort wollen sie weiterreisen nach Österreich und im großen Bogen zurück.

„How long?“
„12 Days.“
„Oh...“

Jetzt sind wir dran. Ich setze die Osmo Pocket ins Brustgeschirr und schalte die Kamera ein. Vielleicht kann ich einen Videoclip machen, wie wir an Bord rollen. Ich starte den Motor. Die Honda klingt kernig, aber als die Harleys starten, höre ich nichts anderes mehr. Ich könnte ebenso gut ein E-Bike fahren.

Reise nach Dänemark und Schweden

Die Fahrt unter Deck mit dem Motorrad macht Spaß. Ein tolles Gefühl, über Rampen und Decks durch ein Schiff zu fahren. Das ist jedes Mal wieder aufregend, egal wie oft man es bereits erlebt hat.

Das absolute Highlight aber ist der Moment, wenn man zum ersten Mal die Tür zu seiner Kabine öffnet. Weiße Bettwäsche, flauschige Handtücher, ein Fernseher und ein eigenes Badezimmer. Ich liebe es.

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Die Stena Germanica bietet nicht ganz den überbordenden Luxus der Color Magic, ist aber dennoch ein imposantes Schiff.

Es dauert eine Weile, bis man den Decksplan soweit verstanden hat, dass man sich auf allen elf Decks zurechtfindet und in den langen, gleich­förmigen Gängen seine Kabine zielsicher ansteuern kann.

Reise nach Dänemark und Schweden

Das Abendessen an Bord findet in zwei Sitzungen statt. Wir sind für die Frühschicht gebucht: 1.Sitzung 18.00-20.00 Uhr. Weil Pieps so gerne aufs Wasser guckt und von „Köpper üben“ fabuliert, habe ich bei der Buchung auf Fensterplatz geklickt. Für 3 € Aufpreis ein billiges Vergnügen.

Wie bei jedem Buffet, liegt der Trick im rechtzeitigen Erscheinen, und was das angeht, sind Pieps und ich Profis. Wir haben keine Lust, dass die dicksten Hummerschwänze bereits geknackt sind und nur noch die mickrig grauen Miesmuscheln auf dem Seafood Buffet liegen. Wir wollen aus dem Vollen schöpfen und so stehen wir schon zwanzig Minuten vor Eröffnung am Eingang zum Speisesaal.

Reise nach Dänemark und Schweden

Auf unserer Buchung steht:
Abendbüfett inkl. Bier, Tischwein u. Softdrinks, 30,00 EUR
Restaurant Fensterplatz, 3,00 EUR

Das mit dem Tischwein habe ich bis jetzt überlesen, aber tatsächlich: Es gibt zwei Zapfhähne, einen für roten und einen für Weißwein. Das Buffet ist etwas enttäuschend und kein Vergleich zu dem üppigen Schlemmerbuffet an Bord der Norröna nach Island.

Ich stelle für Pieps und mich einen bunten Teller zusammen mit Köttbullar, Rippchen, gegrillter Paprika und Pellkartoffeln. Dazu ein Glas von dem billigen Weißwein.

Reise nach Dänemark und Schweden

Das Buffet ist deutlich billiger als früher. Als Fleisch gibt es nur Rippchen, Köttbullar und ein unglaublich zähes Roastbeef. Dafür gibt es nun Wein
all-you-can-drink, den gab es früher nicht.

Die Dame am Nebentisch ist schon beim dritten Glas. Ihr Mann fragt, ob sie nicht auch etwas essen möchte, aber sie lehnt lässig ab. Deshalb ist sie nicht hier. Soviel verstehe ich auch ohne Schwedisch zu können.

Der Wein ist unglaublich mies, Bahndamm, Nordseite, aber er ist kalt und im Preis inbegriffen. Für Pieps gibt es einen extra Zapfhahn mit Apfelsaft. Wir helfen uns beide großzügig ein.

Zum Abschluss schwenken wir um auf vegetarisch und ich besorge uns einen Teller mit geräuchertem Lachs. Es muss nicht immer Fleisch sein.

Reise nach Dänemark und Schweden

Das Erstaunliche an billigem Wein ist, dass er für den Bruchteil des Preises ebenso betrunken macht, wie die edle Flasche für 2,99 €. In bester Laune, satt und zufrieden, spazieren wir zurück in die Kabine. Durch das Essen in der Frühschicht haben wir diesmal das komplette Auslaufmanöver verpasst.

Wir sind beide in Hochstimmung und freuen uns auf unser Zuhause: „Gute Nacht, Welt. Wir sehen uns morgen beim Frühstück.“



PS: Seht ihr eigentlich die Startseite svendura.de, die ich für jeden Reisetag neu mache mit Eröffnungsfoto und Teaser, oder kommt ihr direkt über den vorherigen Reisetag?

zum nächsten Tag...

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