Alpenreise 2015
Tag 1: Autozug Hamburg - Wien
Tag 2: Wien - Riegersburg
Tag 3: Durch die Steiermark
Tag 4: Hallstatt
Tag 5: Salzkammergut
Tag 6-8: Berchtesgaden
Tag 9: Berchtesgaden - Fusch
Tag 10: Großglocknerstraße
Tag 11: Alpenpark Karwendel
Tag 12: Innsbruck - Häselgehr
Tag 13: Silvretta Hochalpenstraße
Tag 14: Via Alpsu und Furkastraße
Tag 15: Binntal - La Fouly
Tag 16: La Fouly - Thunersee
Tag 17: Jokertag in Spiez
Tag 18-19: Thun-Lörrach-Kiel
Platzhalter Werkschulheim Berchtesgaden
Platzhalter Werkschulheim Berchtesgaden
Platzhalter Christophorusschule Mosaik
Platzhalter Christophorusschule
Platzhalter Berchtesgaden Heiliger Vitus 304
Platzhalter Kehlsteinhaus
Platzhalter Imbisstafel
Platzhalter


Die Tage im Vorderbrand

Berchtesgaden liegt hinter Wolken verborgen tief unter uns im Tal. Ich schaue hinauf zum Kehlsteinhaus, aber auch das ist heute Morgen nicht zu sehen. Dafür sieht es nach Regen aus.

Gasthof Vorderbrand Gaststube

Es ist wie auf unserer Hurtigruten Reise: Ich gehe schon zum Frühstück, während Claudia gerade erst wach wird. Das ist perfekt, denn die erste Stunde am Morgen brauche ich für mich und will mich nicht unterhalten. Nur Kaffee trinken und in Ruhe gelassen werden.

In der Gaststube sitzen die Wirtsleute gerade selbst beim Frühstück. Beide sind stilecht in Trachten gekleidet. Er mit Dreiviertel langer Lederhose, Trachtenhemd und Haferlschuhen, Sie in einem weißgrünen Dirndel.

Ich dagegen trage eine typische Svenja Tracht: Jeansmini, flache Overknee Stiefel und ein pinkes Shirt. Claudia hat aus Kiel eine Tasche mit Klamotten mitgebracht, die ich vorher gepackt habe. Die Motorrad­sachen haben ein paar Tage Pause.

Christopherusschule Berchtesgaden

Sowie wir mit dem Frühstück fertig sind, wollen wir uns Claudias alte Schule ansehen. Als sie 1952 aus Berlin ins Internat auf den Obersalzberg kam, stand dort noch der Pferdestall von Martin Bormann und die Schule hieß anfangs Werkschulheim.

Christopherusschule Berchtesgaden

Die Schule war erst im Jahr zuvor gegründet worden und die Kinder des vorigen Jahrgangs hatten geholfen, die ersten Gebäude soweit herzu­richten, dass dort überhaupt ein Schulbe­trieb stattfinden konnte: Das Haus Göll, die Werkstatt, heute Haus Hochkalter, und das alte Bauernhaus.

Christopherusschule Berchtesgaden

Claudia erzählt, wie sie geholfen hat, die Futtertröge aus dem Pferdestall zu reißen, dem heutigen Haus Göll. Einer ihrer Schul­kameraden war der spätere Historiker Julius Schoeps, der sich in einem Interview gut an diese Zeit erinnert.

Christopherusschule Berchtesgaden

Dass Schoeps Jude ist, hatte damals, so kurz nach dem Krieg schon keine Bedeutung mehr, erinnert Claudia sich. Jüdische Kinder drückten die Schulbank gemeinsam mit den Söhnen von Nazigrößen, wie denen von Rudolf Hess und Theodor Oberländer. Für die Kinder hat das damals keine Rolle gespielt.

Privates Realgymnasium am Werkschulheim Berchtesgaden, steht auf Claudies Zeugnis der 1.Klasse. Latein gut, stelle ich missbilligend fest und denke an meine eigene Lateinnote zurück.

"Und was bedeutet Werkschulheim?", frage ich neugierig.
"Vormittags haben wir das Gymnasium besucht und wer wollte, konnte nachmittags in die Werkstatt gehen. Da habe ich meine Lehre und meinen Gesellenbrief als Tischler gemacht. Dieses Schulmodell aus Gymnasium und Handwerkslehre gibt es heute wohl nicht mehr, obwohl das eine tolle Sache war", sinniert Claudia.

Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie beeindruckt ich bin. In meiner Schulzeit habe ich mich mehr mit Motorrädern und Mädchen beschäftigt und meine Noten lagen daher eher im mittleren Bereich.

Inzwischen ist die Christophorusschule Berchtesgaden eine Eliteschule des Sports. In ihrer Hall of Fame stehen viele bekannte Namen aus der Welt des Sports, wie Maria Höfl-Riesch, Georg Hackl und Tobias Angerer.

Christopherusschule Berchtesgaden

Wir schlendern weiter über das Gelände. Vor einem Haus bleibt Claudia stehen und zeigt nach oben zu einem Fenster unterm Dach: "Das ist Haus Göll und da oben hab ich gewohnt. Das war mein Zimmer." Ich schaue empor und versuche mir vorzustellen, wie Claudie, die damals noch nicht so geheißen hat, aus dem Fenster sieht.

Lauter junge, sportliche Menschen strömen aus dem Schulgebäude. Ein Mädchen mit einer Sporttasche zeigt uns den Weg ins Büro.

Wir sprechen mit dem jungen Mann im Sekretariat, aber er weiß nichts von der Geschichte seiner Schule. Er ist sehr freundlich, aber auch völlig uninteressiert. Die Zeit vor der Erfindung von Internet und iPhone hat keine Bedeutung für ihn.

Für heute haben wir beide genug von Geschichte. Jetzt geht es zurück ins Hier und Jetzt. Wir setzen uns wieder ins Auto und fahren hinunter nach Berchtesgaden.

Gegen Mittag gehen wir ins Berchtesgadener Hofbrauhaus. Ich bestelle ein Bier und dazu Nürnberger mit Kraut. Pieps ist ganz hingerissen von den kleinen 'Bratwürstschen'.

Biergarten Nürnberger mit Kraut und Bier

Nach dem Essen schlendern wir durch die Fußgängerzone. Es gibt viel zu sehen, den alten Brunnen auf dem Markt, die Torbögen, die vielen Kirchen und Türme, verwinkelte Häuser, die am Berg kleben. Eine schöne Stadt und mit unseren 127 Jahren fallen Claudia und ich im Stadtbild nicht weiter auf.

Wir sehen uns den Laden der Brennerei Grassl an und machen uns schließlich wieder auf den Weg zum Vorderbrand. Der Twingo hat keine Mühe, uns zwei Tanten die steile Vorder­brand­straße hinaufzukutschieren.

Für 17.30 Uhr habe ich einen Tisch bestellt. Das ist nötig, denn die Leute kommen von weit her in den Vorderbrand und gegen Abend füllt sich der Gasthof. Die Speisekarte ist so, wie ich sie liebe: Nicht zu viele Gerichte und alle deftig mit viel Fleisch.

Ich bestelle ein Gericht, das heißt Schäuferln mit Speckknödeln. Speck kenne ich, von Knödeln habe ich gelesen, aber Schäuferln sagen mir gar nichts. Wir trinken Wein, während wir auf das Essen warten.

Die Schäuferln stellen sich heraus als ein Fleischstück aus der Schulter und das Blatt sieht tatsächlich wie eine kleine Schaufel aus. Meine Güte, ist das lecker. Wieviele Spezialitäten es in Bayern gibt, denke ich neidisch. In Schleswig-Holstein haben wir bloß drei Gerichte, die man als landestypisch bezeichnen könnte:

Das Erste ist Labskaus, ein Blubberlutsch aus Kartoffeln, roter Beete und gepökeltem Rind­fleisch. Serviert wird Labskaus mit einem Rollmops und Spiegelei. Isst bei uns kein Mensch, aber gibts in der Kantine am Monatsende, wenn das Geld knapp ist.

Das zweite Gericht sind Birnen, Bohnen und Speck. Eine Art Eintopf mit Speck und Birnen. Muss man schon mögen.

Das dritte Gericht ist Schwarzsauer: Gekochtes Schweineblut mit Schwarten und Fleisch­resten. Schmeckt lecker, riecht aber ein bisschen eklig und sieht auf den ersten Blick nicht verführerisch aus. Auch nicht auf den zweiten oder dritten. Kein Gericht für Anfänger.

Kurzum: Die meisten unserer Schleswig-Holsteinischer Spezialitäten mögen wir nicht einmal selbst. Dagegen sind Bayern und Österreich das Paradies.

Morgen will Claudia mit mir auf den Brandkopf wandern: "Von dort haben wir einen schönen Blick auf den Königssee", schwärmt sie mir vor. "Der Weg ist steil, aber nicht sehr lang."

Ich kann meine Begeisterung nur mit Mühe verbergen...



Zweiter Tag

Der Frühstückstisch ist üppig für uns gedeckt. Ich liebe Bayern. Aus unsichtbaren Laut­sprechern tönt leise bayrische Musik mit Zitter und Mundharmonika. Es fügt sich alles wunderbar ineinander, allein ich will nicht so recht in diese Alpenidylle passen.

Während ich den ersten Becher Kaffee trinke, sehe ich mir das Gästeblatt für Berchtesgaden an. Darin werden jeden Tag die Veranstal­tungs-High­lights der Stadt genannt: Eine Natur­wan­derung durchs Wimbachtal. Nein, danke. Ist nicht mein Aufgaben­bereich. Ich bin zuständig fürs Endurowandern.

Aber das hier, das könnte was für uns sein: Großer Standlmarkt mit vielen kulinarischen Schmankerln. Das ist genau mein Fachgebiet. Jetzt muss ich bloß noch Claudia davon überzeugen.

Sie ist auf Anhieb begeistert und nach dem Frühstück steigen wir in den Twingo und fahren hinunter nach Berchtesgaden. Wir stellen den Wagen in der Parkgarage unterm Schlosspark ab und gehen zum Weihnachtsschützenplatz. Dort soll der große Wochenmarkt mit den vielen Schmankerln stattfinden.

Berchtesgaden

Der schwere Duft freudiger Erwartung hängt in der Luft und ich gehe unwillkürlich schneller. Beim Frühstück habe ich mich extra ein wenig zurück­gehalten.

Ich stehe auf dem Platz und sehe mich suchend um. Eine Fleischerei, ein Bäcker und ein Käsehöker haben ihre Stände aufgebaut. Daneben einer dieser schamanischen Windrad­anpuster, der auf einem Tapetentisch Wundersalben für Veganer und Jogatänzer feilbietet.

"Entschuldigen Sie..."
"Jo?"
"Ist das alles? Der ganze Markt, meine ich?"
"Jo."
"Und wo sind die allerlei kulinarischen Schmankerl?", frage ich fassungslos.
"Na, des is immer so", antwortet der Schamane ungerührt.

Na warte. Das Fremdenverkehrsamt Berchtesgaden bekommt einen gepfefferten Brief von mir. Den können sie sich an die Pinwand heften. Schmankerl. Von wegen.

Berchtesgaden

Wir wandern durch die Fußgängerzone bis ich mich wieder einiger­maßen beruhigt habe. Claudia ist wie immer die Ruhe selbst. Sie kann die ganze Aufregung nicht verstehen, aber ich finde, mit Essen macht man keine Scherze.

Berchtesgaden Villa am Berg

Von Berchtesgaden einigermaßen enttäuscht, setzen wir uns wieder ins Auto. Claudia weiß, wo wir ganz sicher etwas Leckeres bekommen, auf der Scharitzkehlalm. Mit 24% Steigung geht es die Obersalzbergstraße hinauf, bis wir das Auto auf einem Parkplatz stehen lassen müssen und das letzte Stück zu Fuß zur Almhütte gehen.

Scharitzkehlalm Göll Berchtesgaden

Die Kellnerin in der Scharitzkehlalm einfach als 'die dralle Frau im Dirndl' zu beschreiben, hilft nicht weiter. Es ist so, als wenn man in Kiel sagt: Eine dürre Studentin in Jeans und Turn­schuhen. Es ist die landestypische Tracht.

Claudia bestellt Apfelstrudel und Kaffee, ich halte mich an Würstl und Bier. Schließlich muss ich nicht mehr fahren, jedenfalls heute nicht.

Inzwischen füllt sich die Gaststube der Scharitzkehlalm und als Claudia die letzten Krümel von ihrem Kuchen­teller gepickt hat, machen wir uns wieder auf den Weg. Wir haben ja noch eine kleine Wanderung vor uns.

Den Twingo stellen wir unter dem Balkon unseres Zimmers ab und machen uns zu Fuß auf zum Brandkopf. Der Wanderweg ist anfangs noch nicht sehr steil, aber schon bald wird er steiler, bis wir nur noch ganz bedächtig einen Fuß vor den anderen setzen. Mit der KLX würde ich den Weg in zwei Minuten raufheizen und hätte sogar noch Spaß daran.

Alpengasthof Vorderbrand

Die Leute, die mit uns am Berg unterwegs sind, tragen zumeist Kniebund­hosen, halbhohe Bergstiefel und derbe Socken. In unseren Strickkleidern und den langen Stiefeln sind Claudie und ich auf jeden Fall die am besten Gekleideten auf dem Wanderpfad.

Nach einer Stunde stehen wir oben auf dem Brandkopf. Im Talkessel zwischen den Bergen liegt der Königssee. In der Ferne ist winzig klein St. Bartholomä zu erkennen.

Königssee

Der Blick ist sagenhaft und auch wenn ich es nicht gerne zugebe: Diese Wanderung hat tatsächlich eine Menge Spaß gemacht. Wir setzen uns auf eine Bank und genießen den Ausblick, bis es Zeit wird, sich wieder auf den Weg zu machen.

Der Rückweg geht deutlich schneller, nicht nur, weil es bergab geht, sondern weil ich weiß, dass sie im Vorderbrand heute frischen Marmorkuchen gebacken haben, mein absoluter Lieblings­kuchen seit frühester Kindheit.

Keine halbe Stunde später sitzen wir draußen im Biergarten am Vorderbrand. Vor uns ein beeindruckendes Stück Marmorkuchen mit Sahne. Pieps liebt das. Dazu gibt es ein kaltes Bier. Svenja liebt das.

Pieps und Kuchen

Am Nachmittag erfahre ich, dass hier im Alpengasthof Vorderbrand unter dem Namen Paula Wolf die Schwester von Adolf Hitler gewohnt hat. Es gibt ein interessantes Dokument eines US-Agenten, der Wolf hier kurz nach Kriegsende aufgesucht und interviewt hat. Darin geht es um das Verhältnis zu ihrem Bruder und was sie damals gewusst hat.

Als ich es lese und dabei an diesem Ort sitze, wird mir bewusst, dass all das nicht lange her ist. Kurz darauf hat Claudia bereits hier gesessen und nach der Schule ihre Limonade getrunken. Vergangen ja, aber nicht Vergangenheit. Auch deshalb bin ich nicht gerade ein Fan der neuen Brandstifter AfD und Pegida. Die machen mir Angst.

Nach dem Essen legt Claudia sich einen Moment hin und ich kümmere mich um Greeny. Die Kette ist durch die Regenfahrt fast trocken gelaufen und ich versprühe großzügig das dünnflüssige SX90 darauf.

Das Spray ist im Grunde nicht als Kettenspray gedacht, aber ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. SX90 wäscht bei Regen schneller ab als Kettenfett, aber dafür sieht alles blitzsauber aus und auch die Felgen werden nicht mehr so eingesaut. Das Öl der automatischen Kettenöler arbeitet nicht anders.

Einmal pro Tag sprühe ich die Kette dünn ein. Dafür brauche ich 10 g Sprühöl pro Fahrtag. Ich habe drei der kleinen 100 ml Dosen mit, die ich nach und nach wegwerfe und auf diese Weise den Platz im Tankrucksack zurückgewinne.

Ich überprüfe den Ölstand, klopfe die Speichen ab und kontrolliere die Reifen. Alles in Ordnung, die Reise kann bald weitergehen. Nur die Kette werde ich in ein oder zwei Tagen spannen müssen. Das mache ich irgendwo auf der Wiese neben meinem Zelt.

Gegen Abend geben die Wolken den Blick aufs Kehlsteinhaus frei. Eagle's Nest, wie die Amerikaner es nennen. In Hitlers ehemaliger Alpenfestung brennt Licht. Von hier unten ein bedrohlicher Anblick, auch wenn von dort keine Gefahr mehr ausgeht. Heute geben sich da Touristen aus aller Welt die Klinke in die Hand und sitzen bei Kaffee und Kuchen.

Eagle's Nest Adlerhorst Kehlsteinhaus





Dritter Tag

Beim Frühstück nehmen zwei Bayern am Nebentisch Platz. Beide um die 40, laut, raum­grei­fend, echte Manns­bilder in Lederhosen und Seppelschuhen. Bayrische Männer sind häufig etwas lauter und selbstbewusster als andere, nehmen jeden Platz in Besitz. Manche der Älteren sind wie Büffel.

Schleswig-Holsteiner sind ganz anders, eher zurückhaltend und schweigsam, auch wenn ich selbst nicht das beste Beispiel bin, doch die anderen sind tatsächlich so. Man braucht sich bloß die Flens Reklame anzusehen. In SH genießen die Spots Kultcharakter.

Nach dem Frühstück wollen wir hinunter zum Königssee fahren. Es regnet wie aus Eimern. Wir ziehen die kniehohen Lederstiefel an, nehmen unsere Regenschirme und setzen uns in den kleinen Renault. Die Fenster sind im Nu von innen beschlagen.

Schon gestern, als ich auf dem Brandkopf gestanden habe, sind mir die Großparkplätze rund um den kleinen Ort aufgefallen. Gewaltige Parkflächen für mehrere tausend PKW.

Königssee

Claudia stellt den Twingo auf P3,0922 ab. Ich schreibe mir das auf, weil wir den Wagen sonst vielleicht nie wieder finden. Im strömenden Regen schlendern wir die Promenade nach Königssee hinein.

Ein Reisebus mit der Aufschrift STURMVOGEL lässt einen Schwall Berliner Touristen von Bord und die Berliner tun das, was Berliner gerne tun, sie meckern:

"Is keen Dampfer da, wah?!"
"Ach kiek ma, is ja doch eener."

Das Wetter ist so mies, dass sogar die Chinesen schlechte Laune haben. Die Mädchen in ihren Miniröcken mit den bleistift­dünnen, nackten Beinen frieren und halten ihre iPhones deutlich seltener als sonst in die Luft. Sogar Claudia ist heute ein wenig muffig.

Romy Schneider Königssee Ausstellung

Königssee ist nicht mehr das idyllische Dörfchen, als das sie es in Erinnerung hat. Jeder Meter ist dem Kommerz gewidmet. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, aber solch einen Tand wie hier habe ich nicht einmal in Hallstatt gesehen. Zumal die Souvenirs mit nichts etwas zu tun haben. Sie sind nur bunt und billig.

Bootshäuser am Königssee

Wir gehen ein Stück am Ufer entlang und sehen uns die Bootshäuser an, große Gebäude aus Holz. Der Regen rinnt von den Dächern und das Wasser des Sees schimmert gletschergrün. Der Ausflugsdamper mit den Berlinern ist unterwegs nach St. Bartholomä.

Königssee

Claudia geht der Rummel auf die Nerven. Sie ist enttäuscht von Königssee. Mir fehlt der Ver­gleich, aber vermutlich ist es dasselbe wie mit Hallstatt: Wir Touristen haben es verändert und ebenso die, die mit uns Geld verdienen, Bratwürste und bunten Tand verkaufen.

Königssee

Der Weg ans Seeufer ist gesäumt von Imbissbuden und Souvenir­läden. Wenn schon das Wetter so ungemütlich ist, will ich wenigstens eine heiße Bratwurst essen.

Imbisstafeln

Mein fröhlicher Charme prallt an dem Imbiss-Typen ab wie der Regen an meinem Schirm. Vermutlich ist er muffig, weil er bei dem Wetter keinen Umsatz macht. Dabei kostet seine Wurst 4,50 €. In Kiel in der Fußgängerzone nehmen die mobilen Griller dafür 1,80 €. Schmecken tun sie beide gleichermaßen gut.

Bratwurst essen

Überhaupt, ich liebe Bratwurst, nur das Brötchen schmeiße ich weg. Brötchen können sie in Bayern nicht. Die heißen Semmeln und sind pappig. Fast bin ich erleichtert, dass es auch mal etwas gibt, das in Bayern nicht besser ist als anderswo auf der Welt.

Wir fahren zurück zum Vorderbrand. Claudia legt sich schlafen und ich gehe in die Gaststube. In dem großen grünen Kachelofen prasselt ein gemütliches Feuer. Ich setze mich an einen Tisch dicht am Ofen und lasse für Pieps und mich heißen Kakao und Marmorkuchen bringen.

Es ist kaum zu glauben, dass ich noch vor wenigen Tagen unter der Hitze gelitten habe und ich jetzt bei 12° C am Feuer sitze.

Heute Abend sitzen Claudia, Pieps und ich an einem anderen Tisch als sonst. Unser Tisch wird für eine Gruppe von Leuten gebraucht, klärt uns die Wirtin auf, die machen etwas, das nennt sich 'a Musi'.

Nach und nach treffen 24 Männer und Frauen ein und schon beim Hereinkommen, merkt man ihnen die Fröhlickeit an. Genau wie wir, kümmern sie sich zuerst ums Essen. Das, was sie hier machen wollen, 'a Musi', kommt wohl erst danach.

Das Essen im Alpengasthof Vorderbrand ist wirklich klasse. So deftig, wie ich es mag, auch wenn ich eine etwas größere Portion gut vertragen könnte, aber vielleicht bin ich ein Spezialfall.

Abendessen

Die Leute im Saal nebenan sind ebenfalls mit dem Essen fertig und kaum sind die Teller abgetragen, höre ich die ersten Musikinstrumente. Das ist doch ein Schifferklavier, oder?!

Es ist nicht zu glauben, aber neben uns sitzt ein Chor, der Seemannslieder und die nord­deutschen Klassiker singt, wie Hamborger Veermaster. Ich frage mich, ob irgendwer hier den Text versteht.

Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn, to my hooday!
De Masten so scheev as den Schipper sien Been,
To my hoo day, hoo day, ho – ho – ho – ho!


Die Wirtin kommt und bringt mir noch einen Enzian: "Mei, die san schon sehr speziell," sagt sie kopfschüttelnd, dabei sind das die ersten normalen Leute, die ich hier treffe.

Wir sitzen noch lange zusammen bei Shantis, Bier und Enzian, bis es uns nach oben in die Betten treibt. Morgen heißt es Abschied nehmen. Claudie wird in ihren Twingo steigen und 1.100 km zurück nach Kiel düsen und ich werde auf der KLX weiterfahren und mein Zelt jeden Abend woanders aufschlagen.

zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.